Brandenburg - Geflüchtete: Kommunen am Limit, aber nicht in Notlage

Do 22.12.22 | 15:34 Uhr
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Ein Mädchen der ukrainischen Familie Czuzman aus Lwiw (deutsch Lemberg) trägt bei ihrer Ankunft ein Kuscheltier im Arm. (Foto: Patrick Pleul/dpa)
Bild: Patrick Pleul/dpa

Auch Brandenburg hat wachsende Probleme mit der Aufnahme Geflüchteter. Aber von einer Notlage ist nicht die Rede, Massenunterkünfte in Hallen oder Zelten gibt es nicht. Von Thomas Bittner

  • 37.500 Geflüchtete wurden in diesem Jahr in Brandenburg erstaufgenommen
  • Von 4.400 Erstaufnahme-Plätzen sind derzeit gut 3.600 belegt
  • Kreis Elbe-Elster: kommen mit Kapazitäten bis Februar/März

Während die Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin immer problematischer wird, kann in Brandenburg von einer Notlage nicht die Rede sein.

Die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende wurden in den vergangenen Monaten erweitert, teilte das Innenministerium auf rbb-Anfrage mit. Von den gut 4.400 Plätzen seien vor Weihnachten etwas mehr als 3.600 belegt. Dort bleiben die Ankommenden aber in der Regel maximal drei Monate. Eine längerfristige Unterkunft müssen Asylsuchende und Kriegsflüchtlinge in den Kommunen finden.

37.542 in Brandenburg angekommene Menschen wurden in diesem Jahr vom Land aus der Erstaufnahme in die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt. Im Januar und Februar lagen die Zahlen noch bei unter 200. Im März, unmittelbar nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine, schnellten sie nach oben. Im März und April waren es jeweils über 5.000, mit über 17.000 lag die Zahl im Mai am höchsten. Danach pegelten sich die Verteilungen durch die Zentrale Ausländerbehörde bei monatlich ein- bis zweitausend ein.

Zehnmal mehr Ukrainer:innen als Afghan:innen bei Erstaufnahme registriert

Während die meisten Geflüchteten in Übergangswohnheimen, Wohnverbünden oder angemieteten Wohnungen leben, sind ukrainische Geflüchtete zu einem Großteil privat untergebracht worden. Oft leben sie in selbst angemieteten Wohnungen. Das macht es auch schwer, sich einen Überblick zu verschaffen.

Nur diejenigen, die in Brandenburg keine Anlaufadresse hatten, wendeten sich an die Zentrale Ausländerbehörde (ZABH). Mit 9.306 bei der ZABH bis Ende November registrierten Ukrainerinnen und Ukrainern liegt die Zahl aber zehnmal so hoch wie bei der zweitgrößten Gruppe: 939 Asylsuchende kamen aus Afghanistan, 883 aus Syrien.

Die meisten Ukrainer:innen leben in der Landeshauptstadt Potsdam. Dass etwa 3.000 ukrainische Geflüchtete in die Stadt kamen, könnte auch damit zu tun haben, dass schon vor dem Krieg fast 1.000 Menschen aus der Ukraine in der Landeshauptstadt lebten. In Potsdam treffen sie auf eine lebendige Community und ein soziales Netzwerk.

Dennoch: Auch in Brandenburg sind vielerorts die Kapazitäten am Limit. In der Landeshauptstadt Potsdam lag das Aufnahmesoll für 2022 bei 2.342 Menschen. Zugewiesen wurden Potsdam durch das Land bisher 2.700 Menschen, darunter weit überwiegend Geflüchtete aus der Ukraine. Auch Frankfurt (Oder) liegt mit insgesamt 992 Aufnahmen 34 Prozent über dem Soll. Rathaussprecher Uwe Meier schätzt aber ein: "Ein geordnetes Verteilungsverfahren vorausgesetzt, ist davon auszugehen, dass Frankfurt (Oder) auch im Jahr 2023 seine Aufnahmeverpflichtung erfüllen kann."

27.500 Zuweisungen im nächsten Jahr prognostiziert

Nach der Prognose des Landes Brandenburg werden im kommenden Jahr landesweit 27.500 Zuweisungen erfolgen. Ob sich diese Prognose halten lässt, hängt nicht zuletzt vom Kriegsgeschehen in der Ukraine ab.

Aus dem Landratsamt von Elbe-Elster heißt es: "Sofern keine große Welle zum Jahresbeginn kommt, kommen wir mit den derzeit vorhandenen Kapazitäten noch bis Februar bzw. März. Diese Zeit müssen wir nutzen, um uns für die Folgemonate entsprechend aufzustellen." Der Herzberger Landrat Christian Jaschinski kündigte bereits an, einen Teil der vom Land betriebenen Erstaufnahmeeinrichtung in Doberlug-Kirchhain zu nutzen. Bis Mitte des Jahres stünden dort 250 Plätze zur Verfügung.

Es gab aber auch im Jahr 2022 Menschen in Brandenburg, die Deutschland verlassen mussten. Bis Ende Oktober wurden 131 Menschen aus Brandenburg abgeschoben, 219 reisten freiwillig aus. Über 4.600 Menschen sind in in Brandenburg "vollziehbar ausreisepflichtig". Das bedeutet: alle Gerichtsverfahren sind rechtskräftig abgeschlossen und es gibt keinen längerfristigen Duldungsgrund. Auf einem anderen Blatt steht, ob die Ausreisepflicht faktisch umgesetzt werden kann. Denn viele dieser Menschen stammen aus Ländern wie Afghanistan, in die Deutschland nicht abschiebt, oder aus Ländern, die sich weigern, ihre Staatsbürger zurückzunehmen, wie etwa Russland.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 22.12.2022, 19:30 Uhr

30 Kommentare

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  1. 30.

    Mike'61 und auch Nine meinte etwas anderes. Sie bemängelte, dass seitens der Moderation ein Mainstream vorgegeben wird und bei Nichteinhaltung Diskussionen abgebrochen werden. Und diese Auffassung muss ich leider bestätigen.
    Vielleicht nochmal etwas deutlicher:
    1. Man kann Menschen nicht vorschreiben was sie zu denken haben. Das hat in der DDR nicht gekappt und wohin das führt haben wir 1989 erlebt.
    2. Probleme die nicht offen angesprochen werden können nicht gelöst werden und gären im Verborgenen, bis sie sich explosionsartig bemerkbar machen.
    Trotzdem Frohes Fest für Alle

  2. 29.

    Sind Sie denn wirklich überrascht darüber, dass die Kommentarfunktion manchmal recht schnell eingestellt wird? Leider ist es so, dass sich seit Jahren ein Großteil der Menschen im Internet beleidigend und schamlos äußert. Da kann auch schon ein Kommentar genügen. Solange solche Personen das nicht verstehen, finde ich es gut, dass Kommentare eingestellt werden.
    Die Entwicklung des Verhaltens einiger ist schlichtweg erschreckend.
    Allen schöne Weihnachten!

  3. 28.

    Lieber RBB, das ist ja so nicht richtig! Sie bilden oftmals ja gar keinen Leserbeitrag ab. Es erscheint sofort nach Ihrem Beitrag, dass die Kommentarfunktion geschlossen wurde. Heißt dies etwa dann, dass nur nicht der Netiquette entsprechende Beiträge eingegangen sind und auch nicht erwartet wird, dass Ihnen genehme Beiträge noch eintreffen?

  4. 27.

    Lieber Mike, wir verstehen Ihren Wunsch, hier weitere Kommentare zu lesen. Wir haben anfangs reingekommene Kommentare stehen gelassen, sonst könnte man gar keine mehr sehen. Nur konnten sehr viele nicht zugelassen werden, bis zum Zeitpunkt als wir die Kommentierbarkeit geschlossen haben. Daher sind nur so wenige stehen geblieben. Wir freuen uns, wenn Sie unter einem anderen Beitrag weiterhin diskutieren.

  5. 26.

    Die Gastfamilien haben freiwillig Ukrainer aufgenommen. Viele wollen ihre Gäste jetzt gerne wieder loswerden.

    Allerdings war die Aufnahme freiwillig, unentgeltlich und unbefristet.

    Dann können die Gastfamilien ihre Gäste ja auch noch die restliche Zeit bis zum Ablauf der 3 Jahre beherbergen.

  6. 24.

    "herunterschrauben" wird "schwierig".
    Der Staat DARF nicht das menschenwürdige Existenzminimum unterschreiten.
    Auch wenn das in Deutschland verhältnismäßig höher ist als in anderen Ländern.
    Aber der Staat sollte Gelder meiner Meinung nach eher für humanitäre Hilfen und Zusammenarbeit im Ausland einsetzen.
    Nach - sogar interner (GRÜNE) - Kritik im Bundestag wurden diese für 2023 nicht wie geplant gekürzt.
    Es ist KEIN Wunder, wenn Menschen - wie schon 2014 - zwischen Verhungern und Hoffnung EU Letzteres wählen.
    Das ist aber meiner Meinung nach ein von der EU mitzu verantwortendes Problem.

  7. 23.

    Ok, das Problem wurde erkannt. Der Plan ist nun wie?

  8. 22.

    Na ja, überzeugt mich nicht. Trotzdem vielen Dank, das ich überhaupt eine Antwort bekommen habe. Frohes Weihnachtsfest für die Belegschaft!

  9. 21.

    " Die Zeltstädte wachsen - der Frust auch
    Stand: 22.12.2022 14:31 Uhr

    Die Unterkünfte für Geflüchtete sind voll, der Wohnungsmarkt ist leergefegt, Gastfamilien sind überlastet. Berlin sucht händeringend nach Lösungen - und nutzt zunehmend die stillgelegten Flughäfen. ( TS )

  10. 20.

    Wenn der eigene Horizont nicht ausreicht ist alles, was man nicht mehr erkennen kann, verwirrt. Sehr praktisch.
    So kann man sich natürlich auch die Welt schön reden und rosagrün antünchen. Und wenn dann irgendwann das Kind in den Brunnen gefallen ist war es niemand gewesen und keiner hat kommen sehen, was sich entwickelt hat. Hatten wir das nicht schon zweimal in Deutschland?

  11. 19.

    Wann begreift unsere Regierung und endlich mal auch der letzte Gutmensch das Deutschland ÜBERVOLL ist und wir NIEMANDEN mehr aufnehmen können ???

    Aber Deutschland ist halt das Schlaraffenland schlechthin, Unterstützung ohne jegliche Gegenleistung, das bietet KEIN anderes europäisches Land !!!

    Deutschland MUSS die finanzielle Unterstützung drastisch herunterschrauben, das Flüchtlingsproblem erledigt sich von ganz allein !!!
    Aber dazu ist unsere Regierung ja nicht fähig !!!

  12. 18.

    Hoffentlich NICHT!
    Denn diese ändern NICHTS!
    Schulden über Schulden, die die Solidargemeinschaft auf Bundes-, Landes- & Kommunaleben hat.
    So kann es nicht weitergehen.
    Aber bei der Regierung habe ich keine Hoffnung mehr. ;,(

  13. 17.

    Schon immer amüsant wie überall ausdrücklich darauf hingewiesen wird: "es gäbe noch keine "GROpE" Krise" : )
    Dann kann man es ja auf eine Notlage ankommen lassen?
    Nein - am Limit heißt Schluss!
    Man muss in's dicht besiedelte Zentraleuropa nicht immer mehr Menschen aufnehmen.
    Eine vernünftige Lösung muss gefunden werden und nicht "einfach" weiter Tatsachen schaffen.

  14. 16.

    " Kommunen am Limit, aber nicht in Notlage "

    wo ist der Unterschied ?

  15. 15.

    Lieber rbb, Sie können ja die Kommentarfunktion ab einem gewissen Punkt schließen, nicht der Netiquette entsprechenden Beiträge ausschließen. Aber es ist auch interssant, die vielschichtigen Kommentarbeiträge zu lesen. Warum lässt man die bis dahin erfolgten Leserbeiträge nicht geöffnet, lesbar?

  16. 13.

    Ansgar hat recht, der der sicher auch keinen Flüchtling, woher auch immer, aufgenommen hat.
    Der der absolutes Politikvertrauen (und -verständnis) hat.
    Mal besser in den westlichen/südlichen Teil der EU verteilen!
    Italien hat aber außen vor zu bleiben, die haben ja schon genug mit den "Flüchtlingen" aus (Nord-) Afrika zu tun.

  17. 12.

    Ansgar, letzten hat der Innenminister von Sachsen in einem Interview gesagt, das zB die Städte Dresden und Leipzig ihre Kapazitäten zur Aufnahme von Flüchtlingen nocheinmal erhöht haben. Sollte aber der Zustrom nicht abreißen wissen auch diese Städte nicht mehr wo sie die ganzen Flüchtlinge unterbringen sollen. Das geht mittlerweile nicht nur diesen beiden Städten so, sondern einigen anderen auch. Der Wohnungsmangel in unseren Großstädten ist jetzt schon akkut und wird sich auf Dauer nicht verbessern, also wie wollen Sie dieses Problem lösen? Mit großen Zeltlagern vor der Stadt? Viele andere Länder in Europa nehmen keine Flüchtlinge mehr auf sie lassen uns jetzt damit allein, Sie könnten ja zB noch einmal die USA fragen, die werden aber auch dankend abgelehnen. Sollte es noch Kommunen geben die Flüchtlinge aufnehmen, dann aber nur wenn der Bund das auch finanziert.

  18. 11.

    Zumal ja einzelne Kommentare gelöscht werden könnten... und werden.

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