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Audio: rbb24 Inforadio | 23.09.2023 | Amelie Ernst, Angela Ulrich | Quelle: IMAGO / mix1

Ein Jahr vor der Landtagswahl

Wie umgehen mit der AfD in Brandenburg?

In einem Jahr ist Landtagswahl in Brandenburg. Wenn jetzt gewählt werden würde, dann hätte die AfD gute Chancen, stärkste Partei zu werden. Wie gehen die anderen Parteien mit dem AfD-Hoch um? Von Amelie Ernst

Ein lauer Spätsommerabend in Oranienburg: Etwa 450 Menschen sind auf den Schlossplatz gekommen, um den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden und Parteirechtsaußen Björn Höcke live zu erleben. Der wettert vor allem gegen Geflüchtete und die, die diese ins Land gelassen hätten. Wohnungsnot, Kriminalität und Bildungsmisere seien die unmittelbare Folge, so der AfD-Spitzenpolitiker. "Wenn wir die Einwanderung nicht stoppen, dann sind wir in einigen Jahren Minderheit im eigenen Land."

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Die Ampel als Feindbild

Unter den Zuhörern auf dem Schlossplatz sind auch Manuela und Wolfgang – beide Anfang 60. Begeistert klatschen sie zu Höckes Parolen. Die Kundgebung, auf der zuvor schon Brandenburgs AfD-Landeschefin Birgit Bessin gesprochen hat, finden sie "fantastisch". Für das Paar kommt bei den nächsten Wahlen nur noch eine Partei in Frage. "Die AfD würde alles besser machen", da ist sich Wolfgang sicher. Denn die Politik der Ampel-Parteien sei "am deutschen Volk vorbei". Ihnen selbst gehe es finanziell gut, sagen die beiden. "Doch wir wollen, dass es unseren Enkelkindern auch gut geht." Und als erstes müssten die "Ausländer raus", findet Manuela.

Gefragt nach den eigenen Lebensumständen sagen viele hier, dass es ihnen selbst nicht schlecht gehe. Trotzdem herrscht der Eindruck, dass es bergab geht mit Deutschland. Darauf weisen auch Höcke und die anderen AfD-Redner immer wieder mit markigen Worten hin.

Dabei sprechen – zumindest mit Blick auf die Wirtschaft – viele Zahlen dagegen: In keinem anderen Bundesland ist die Wirtschaft im ersten Halbjahr 2023 so stark gewachsen wie in Brandenburg. Um satte sechs Prozent legte das Bruttoinlandsprodukt laut Amt für Statistik und Wahlen zu. Deutschlandweit ging die Wirtschaftsleistung im selben Zeitraum um 0,3 Prozent zurück. Auch die Arbeitslosenquote in Brandenburg liegt mit 6,1 Prozent etwa im Bundesdurchschnitt. Fachkräfte werden gesucht; wer auf sie angewiesen ist, kann sich Dumping-Löhne längst nicht mehr erlauben.

Doch egal ob reale oder gefühlte Sorgen: Die AfD setzt bewusst auf sie und schlägt sich selbst als einzige Lösung vor: "Es wird Zeit, dass eine starke AfD in diesem Land aufräumt", ruft AfD-Landeschefin Birgit Bessin ihren Zuhörern auf dem Oranienburger Schlossplatz zu. Und: "Wir sind das letzte Bollwerk gegen den Untergang Deutschlands!"

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Steinbach: "Die AfD hat keine Lösungen"

Tatsächlich spreche die AfD teils Probleme an, die existierten und die zu lösen seien, sagt Brandenburgs SPD-Wirtschaftsminister Jörg Steinbach – beispielsweise die gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel. Allerdings biete die Partei zu genau diesen Themen keine oder nur Schein-Lösungen an. Darauf müssten die SPD und die anderen Parteien noch deutlicher hinweisen. "Wenn man da [bei der AfD; Anm. d. Red.] die unterste Karte wegzieht fällt das Kartenhaus zusammen", so Steinbach. Um das deutlich zu machen, gebe es im Wahlkampf vor allem eine Strategie: "Reden, reden, reden."

Gleichzeitig müsse die Landesregierung Erfolge wie die neuen Industrieansiedlungen in der Lausitz noch deutlicher machen. "Dort sind bald mehr neue Arbeitsplätze entstanden, als in der Kohleindustrie wegfallen werden", so Steinbach. Bürgerdialoge wie die des Ministerpräsidenten seien in Sachen Kommunikation zumindest ein erster Schritt. Allerdings müssten die, die meckern wollten, dann auch bereit sein, ihre Kritik vorzubringen, damit man diese aufgreifen könne.

Im Umgang mit der AfD und ihren hohen Umfragewerten sucht nicht nur die SPD nach Strategien. Die Brandenburger CDU versucht gerade beim Thema Migration ebenfalls Antworten zu geben, die auf die Sorgen der Menschen eingehen: Mehr Grenzkontrollen, mehr Abschiebungen. Zuständig dafür wäre allerdings der CDU-Innminister Michael Stübgen selbst, bemerkt SPD-Fraktionschef Daniel Keller. Die Linke und ihre Landesvorsitzender Sebastian Walter setzen in der Auseinandersetzung mit der AfD ebenfalls auf Inhalte: Mehr Geld für Rentner:innen, Aufstocker:innen, Familien, Tafeln und Sozialverbände – so will die Linke verlorengegangenes Vertrauen vor allem bei Wählergruppen zurückgewinnen, die ihr früher treu waren.

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Raschke: "Die AfD ist eine rechtsextreme Partei"

Nah dran sein an den Themen vor Ort – dieses Image wollen auch die Freien Wähler nicht der AfD überlassen. BVB/Freie Wähler positionieren sich weiter als Ansprechpartner für Bürgerinitiativen und lokale Bündnisse – egal, ob es um Windräder, Naturschutzgebiete, S-Bahn-Takte oder Bestandsschutz für Garagen aus DDR-Zeiten geht.

Die Grünen wiederum wollen nach den guten Umfragewerten für die AfD noch stärker nach außen tragen, wer in der AfD das Sagen hat und warum der Verfassungsschutz die AfD im Blick hat, sagt Fraktionschef der Bündnisgrünen im Landtag, Benjamin Raschke. "Die Brandenburger AfD ist eine rechtsextreme Partei und darf hier nicht regieren" – so die Sicht der Grünen.

Nicht nur an lauen Sommerabenden auf dem Oranienburger Schlossplatz wird viel hineinprojiziert in die AfD und in den Fall, dass sie irgendwann regiert in Brandenburg und darüber hinaus. Eine realistische Machtoption hat sie nicht, weil kein Koalitionspartner in Sicht ist. Doch ihre AnhängerInnen glauben fest an die Partei - und an das, was sie sagt. Zwölf Monate bleiben den anderen Parteien, um darauf zu reagieren.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.09.2023, 6:00 Uhr

Beitrag von Amelie Ernst

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