Landtagsdebatte - Wieviel Lohn reicht zum Leben?

Do 21.09.23 | 18:06 Uhr | Von Torsten Sydow
  111
Jörg Steinbach (SPD), Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg spricht in der Debatte des Landtages. (Quelle: dpa/Bernd Settnik)
Audio: rbb24 Inforadio | 21.09.2023 | Sebastian Walter | Bild: dpa/Bernd Settnik

28 Prozent aller Brandenburgerinnen und Brandenburger arbeiten im Niedriglohnsektor und verdienen somit weniger als 1.172 Euro netto. Die Linken im Landtag haben nun gefordert, den Mindestlohn zu erhöhen - ohne Erfolg. Von Torsten Sydow

Linke-Fraktionschef Sebastian Walter versuchte es anschaulich: Ein Paketzusteller sei jüngst in seiner Bürgersprechstunde gewesen, berichtet er am Donnerstag dem Landtag. Der Prototyp: 12 Euro Mindestlohn. 200 Pakete muss er am Tag aus- und einladen und schleppt 1.000 Kilo täglich treppauf und treppab. Nach mehr als zehn Stunden Arbeit kommt er nach Hause. Am Ende des Monats hat er nicht mal 1.400 Euro netto. Das reiche nicht zum Leben, fasste es der Fraktionschef in der Aktuellen Stunde zusammen.

Viele Brandenburgerinnen und Brandenburger könnten Walter zufolge nichts damit anfangen, wenn Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) von einer Gewinnerregion spreche und gleichzeitig im vergangenen Jahr der Reallohn in Brandenburg um 3,3 Prozent gesunken sei. "Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Reallöhne in Brandenburg weiter sinken, weil das eine Gefahr ist für die Demokratie", so Walter weiter.

Nicht Überschriften würden helfen, sondern eine Erhöhung des Mindestlohns auf 14 Euro und ein gesetzlicher automatischer Lohnausgleich für Löhne und Gehälter wie in Belgien und Luxemburg. Notwendig sei auch ein Tariftreuegesetz um sicherzustellen, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen gehen, die Tariflöhne zahlen.

Viele im Niedriglohnbereich ohne Ausbildung

Die Brandenburger hätten ein Recht auf gute Arbeit, sagt der arbeitspolitische Sprecher der SPD-Landtagfraktion, Sebastian Rüter, in der Debatte: "Wir sind noch nicht da, wo wir gern hinwollen", gesteht er aber ein. Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12,41 Euro ab 1. Januar 2024 hält aber auch Rüter für zu gering - gerade in Zeiten hoher Inflation. Der Niedriglohnbereich sei mit 28 Prozent der in Brandenburg in Vollzeit Beschäftigten viel zu hoch. Wichtig sei daher, die Arbeitnehmer besser auszubilden, denn noch seien 43 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnbereich ungelernte Kräfte. Ausbildung sei ein Schlüssel zu besserem Verdienst.

Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sieht nur begrenzte Einflussmöglichkeiten der Politik auf die Lohnentwicklung. Mit 13 Euro Stundenlohn sei Brandenburg in Deutschland Vorreiter beim Vergabelohn für öffentliche Aufträge. Bei der Bindung der Unternehmen an Tariflöhne setzt Steinbach auf einheitliche Lösungen in Deutschland.

Klare Ablehnung durch CDU und AfD

Abgeordnete der CDU vertraten die Auffassung, dass nicht nur Arbeitnehmer in tarifgebundenen Unternehmen gute Einkommen hätten. Anstatt den Mindestlohn anzuheben, sollten die Steuern gesenkt werden, forderte der Wirtschaftsexperte der CDU-Fraktion, Frank Bommert. Davon hätten alle Arbeitnehmer etwas. Wenn der Vergabelohn für öffentliche Auftrage erhöht werden sollte, würden immer mehr kleine Handwerksunternehmen bei der Vergabe leer ausgehen, warnte Bommert.

Ein Nein zu einem höheren Mindestlohn und heftige Kritik an der Arbeit der Gewerkschaften in der Auseinandersetzung um höhere Löhne kam aus der AfD-Landtagsfraktion: "Wo waren die Gewerkschaften in den vergangenen 30 Jahren?", fragte der Abgeordnete Peter Drenske in der Debatte im Landtag. Er forderte ein Ende des Russland-Embargos, das der Wirtschaft massiv schade. Drenske nannte die Erhöhung beim Bürgergeld einen zehnprozentigen Inflationsausgleich für Nichtarbeitende. Dies sei ein Schlag ins Gesicht derer, die jeden Tag um 6 Uhr aufstehen, um ihren Job zu machen.

AfD-Äußerungen sorgen für Unverständnis

Mit diesen Äußerungen zeige die AfD, wie arbeitnehmerfeindlich sie sei, entgegnete der Landtagsfraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, Benjamin Raschke. Mit jedem neuen Windrad und jeder Solaranlage entstünden neue Arbeitsplätze in Handwerksbetrieben, so Raschke weiter. Künftig sei nicht nur gute Bezahlung wichtig, sondern auch flexible Arbeitszeiten und eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Der Antrag der Linken, das Land möge sich im Bund für eine Anhebung des Mindestlohns auf 14 Euro und die Stärkung der Tarifbindung einsetzen, wurde vom Landtag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Die Kommentarfunktion wurde am 22.09.2023 um 14:04 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Sendung: rbb24, 21.09.2023, 16 Uhr

Beitrag von Torsten Sydow

111 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 111.

    Was fällt „ihnen“ denn ein, über mein Geld zu verfügen? Ich bestimme über mein Geld und wer mir was wert ist...
    als Arbeitgeber. „sie“ können auch nicht aufhalten, wenn Ich das will...
    das ich abschließe!

    P.S. Mindestlohn ist kein Thema, wo die meisten Arbeitswilligen leben. In Brandenburg braucht es dieses Thema. Die Politiker haben das zu verantworten. Und Meinungen wie die „ihre“. Gute Bedingungen schaffen, wo Ich investieren will, ist nicht jedermanns Sache. Umworben hat mich in Brandenburg niemand. Die warten ab... und wählen aus. Ich bin nicht dabei. Weil Ich nicht will.

  2. 110.

    Wollen Sie meinen Bäcker-Kommentar nocheinmal lesen?
    Es ist unrealistisch, einen Bäcker mit dieser Stellenanzeige zu finden. Meine Kernaussage ist: Ohne Mindestlohn hätte die Anzeige anders ausfallen müssen. Mit einem deutlich anderem positiven Ergebnis. Mindestlohn macht mehr Leute arm als umgekehrt. Und ja, Mindestlohn ist Mist. Raus aus der Falle.

  3. 109.

    > nicht arrogant oder besserwisserisch rüberkommen.< Für Ihre Interpretationen und Unterstellungen kann ich nichts. Habe meine Wahrnehmung geschildert und meine Meinung. Scheint schon zu viel zu sein?

    >Sie sind halt in der Mindermeinung.< Ja, ich weiß. Immer öfter. Ist ok.

    > Nicht aufgeben, < Totes Pferd ... nicht reiten ... absteigen.

    > überzeugen Sie die Mehrheit.< Warum sollte ich das versuchen? Es ist sinnlos. 2/3 _jeder_ Gesellschaft sind immer Mainstream und machen _alles_ mit und folgen wem auch immer.

  4. 108.

    "Gönnerhaft" ist ihre selbstherrliche Art über andere Menschen zu urteilen die gerade mal den Mindestlohn bekommen.

    Das hat nicht immer was mit "Bildungsanstrengung" zu tun, im Gegeteil. Auf Billigjobs (bezogen auf die Entlohnung)besteht unser Wirtschaftssystem, spät. seit der Agenda 2010, den größten Raub in der bundesrepublikanischen Geschichte.

    Hintenrum werden die Anbieter dieser Jobs auch noch vom Steuerzahler finanziert, entweder weil die AN als Aufstocker arbeiten oder später die Rente nicht reicht. Nennen sie das sozial?

  5. 107.

    "Jahrelange Bildungsanstrengungen müssen am Ende eine Belohnung erhalten. "

    Und wer hat ihnen ihre angebliche "Bildungsanstrengung" durch kostenlosen Schulbesuch erst ermöglicht?

  6. 106.

    Böse gesagt sind es die Minderleister, die nach "Lohngerechtigkeit" rufen und damit eigentlich meinen, genau so viel zu bekommen, wie Andere, die sich deutlich mehr ins Zeug gelegt haben und dies immer noch tun. Die einen machen halt ihren Job von 9:00 bis 17:00 und lassen dann das Werkzeug fallen, die anderen bilden sich außerhalb der Arbeit weiter, oft auf eigene Kosten und bringen dem Arbeitgeber damit deutlichen Mehrwert. Aus welchem Grund sollte der nicht honoriert werden? Gerechtigkeit ist eben, dass sich Leistung auch auszahlen muss. An Lohn oder Gehalt kann eben auch nur das ausgezahlt werden, was die Firma auch erwirtschaftet, also muss jeder Mehrwert auch Anerkennung finden können.

  7. 105.

    ... die AfD gewinnt die nächsten Wahlen in Brandenburg - ausländische Fachkräfte ohne deutschen Pass werden des Bundeslandes verwiesen - internationale Firmen verlassen das Land - Waren und Dienstleistungen aus Brandenburg werden gemieden - einheimische Gebildete und Qualifizierte ziehen weg - das Land verarmt - bei den nächsten Wahlen gewinnt wieder die AfD ...

  8. 104.

    Ihre Ideen hatten wir schon mal beim Versuch den Sozialismus aufzubauen. Wie es ausgegangen ist können sie gerne nachlesen.

  9. 103.

    Und wenn der Bäcker nun 8 anstatt 12 Euro zahlen würde, wäre wem geholfen? Ihnen, weil die Schrippe wieder 20 Cent kostet? Ich verstehe den Kern der Aussage nicht. Es ist ja nicht so, dass nach Abschaffung des Mindestlohns alle Preise steil fallen würden. Oder wann haben Sie zuletzt eine Mietsenkung erhalten? Dann haben wir ein Heer an Arbeitenden, die noch weniger verdienen, sich noch weniger leisten können und vom Staat alimentiert werden müssen. Wobei das wahrscheinlich auch vorbei sein dürfte. Gleichzeitig wird die Regulierung der Mieten abgeschafft, was zu interessanten Effekten führen dürfte, denn mit 8 EUR Stundenlohn dürfte es unmöglich werden, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Pendeln fällt aufgrund des Geldmangels dann flach - am Ende schläft der Ausgebeutete zwischen den Mehlsäcken in der Backstube und drückt an seinen Ausbeuter "Miete" für seinen Schlafplatz ab.

  10. 102.

    Miete und Heizung sind im BG enthalten und so berechnet sich auch der individuelle Regelsatz.

    Ihr Vorschlag hingegen? Die Leute auf die Straße setzen?

  11. 101.

    Hier ist ja auch die Rede von Bürgergeld und nicht von Sozialhilfe. Sozialhilfe bekommt man wenn man nicht arbeiten kann. Bürgergeldempfänger sind Erwerbsfähige. Können sich ja mal ausrechnen, was das so im Jahr kostet mit allem drum und dran. Deutschland ist wirklich zu reich.

  12. 100.

    die Umverteilung des Geldes soll eben NICHT nach unten stattfinden ...........Verteilungsgerechtigkeit? In weiter Ferne

  13. 99.

    Es ist nicht schlimm, wenn Sie „Gleichmacherei“ bei Löhnen gut finden. Ich sage, dass ist ungerecht. Und mag Gesellschaftsformen nicht, wo Politiker diese festlegen wollen. Gönnerhaft. Oft von oben herab. Ich will mehr. Wenn das möglich ist. Dafür muss ich was tun.
    Jahrelange Bildungsanstrengungen müssen am Ende eine Belohnung erhalten. Die vielen Jahre zählen nicht für die Rente und müssen zurückverdient werden plus einem Bonus. Abgesehen wie schwer es ist, die 45 Jahre dann voll zu kriegen. In anderen Jobs ist nämlich das die Belohnung und das man sich was erarbeitet hat, wenn andere noch die Schulbank drücken: Einkommensvorsprung.
    „Übermäßige“ Unterschiede sind nicht gut aber aushaltbar. Ich will nicht der Schiedsrichter sein, was „übermäßig“ ist. Ich hoffe Sie auch nicht. Falls doch, dann spreche ich Ihnen (und mir) die Kompetenz dazu ab.

  14. 98.

    Danke, dass ist genau das, was ich auch nicht verstehen kann.

  15. 97.

    Es ist nicht schlimm, wenn Sie „Gleichmacherei“ bei Löhnen gut finden. Ich sage, dass ist ungerecht. Und mag Gesellschaftsformen nicht, wo Politiker diese festlegen wollen. Gönnerhaft. Oft von oben herab. Ich will mehr. Wenn das möglich ist. Dafür muss ich was tun.
    Jahrelange Bildungsanstrengungen müssen am Ende eine Belohnung erhalten. Die vielen Jahre zählen nicht für die Rente und müssen zurückverdient werden plus einem Bonus. Abgesehen wie schwer es ist, die 45 Jahre dann voll zu kriegen. In anderen Jobs ist nämlich das die Belohnung und das man sich was erarbeitet hat, wenn andere noch die Schulbank drücken: Einkommensvorsprung.
    „Übermäßige“ Unterschiede sind nicht gut aber aushaltbar. Ich will nicht der Schiedsrichter sein, was „übermäßig“ ist. Ich hoffe Sie auch nicht. Falls doch, dann spreche ich Ihnen (und mir) die Kompetenz dazu ab.

  16. 96.

    Wie kann man für die Ausbeutung von Niedriglohngruppen plädieren, und dabei ohne Scham behaupten, dies sei zum Wohle der ganzen Gesellschaft notwendig!!!

  17. 95.

    Doch, die Tätigkeiten fallen dann weg, wenn sich niemand mehr findet.

    Der Paketbote wurde genannt.

    Den braucht nicht wirklich jemand, ist ein dekadenter und umweltschädlicher Bereich, der ausgetrocknet werden sollte.

    Und ich bleibe dabei.

    Wenn die Löhne durch kleine Betriebe nicht gezahlt werden können bedeutet das, dass die Kunden schlussendlich den Lohn nicht zahlen wollen.
    , da die Produkte zu teuer erschienen.

    Ich könnte zum Beispiel ohne Probleme täglich essen gehen, spiele aber diese Preisspirale nicht mit.

    Koche selber, ist auch lecker und macht Spaß.

    Sollen andere für 20 Euro pro Kopf essen gehen und finanzieren.

  18. 94.

    Das ist toll.

    Gehören AfD - Wähler bekanntlich zu besser verdienenden.

    Die AfD ist ja eine Reichenpartei.

    Lach……

  19. 93.

    Sie sind halt in der Mindermeinung. Nicht aufgeben, überzeugen Sie die Mehrheit.

    Dabei aber nicht arrogant oder besserwisserisch rüberkommen. So nen Tipp.

  20. 92.

    Die Behauptung Arbeitsrechte, Lohngerechtigkeit, Recht als Kunde und Einzahlender einer Sozial-Arbeitslosenversicherung nicht wie ein Bittsteller behandelt zu werden, sei eine "Voll-Kasko-Mentalität" ist so alt wie die Auseinandersetzung selbst, wer auf die Steuerhaushalte und Beitragskonten der Daseinsvorsorge und -absicherung den tatsächlichen Zugriff hat und unter welchen Bedingungen.
    Privatwirtschaft, Lohnstückkosten etc. pp. kämpfen also nicht anders als Steuerzahlende und Einzahler in die Sozialsysteme darum, wer wieviel unter welchen Bedingungen vom Kuchen bekommt.
    Weshalb die ewige Geschichte vom Faulenzer, der Vollkasko-Mentalität die reine Demagogie ist. Denn auf dem Niveau könnte man genauso sagen: Vollkasko-Mentalität der Privatwirtschaft und ihrer betriebswirtschaftlichen Rechnung, die eben keine volkswirtschaftliche Rechnung ist. Infrastruktur, Bildung, Ordnung, Rechtsstaat, Vertragssicherheit, sozialer Frieden soll geliefert werden. Soll aber nichts kosten.

Nächster Artikel