Unions Remis gegen Bayern in der Analyse - Keiner wird es wagen ...

So 04.09.22 | 08:35 Uhr
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Kamopf um den Ball beim Spiel Union - Bayern (Foto: imago images / Nordphoto)
Video: Sportschau | 03.09.2022 | Eik Galley | Bild: imago images / Nordphoto

Der 1. FC Union Berlin ringt Bayern München ein Unentschieden ab. Der Schlüssel war das clevere Spiel der Köpenicker, die Bayerns großartige Einzelkönner aus dem Konzept brachten. Von Till Oppermann

Die Überschrift für diesen Text lieferten Union-Fans nach dem Spiel selbst: "Keiner wird es wagen, keiner wird es wagen, unser'n FCU zu schlagen", schallte es durch das Stadion an der Alten Försterei. Zurecht. Nach dem 1:1 gegen den Rekordmeister FC Bayern München bleiben die Unioner auch nach fünf Spieltagen ungeschlagen, saisonübergreifend verloren sie keines der letzten zwölf Bundesligaspiele. Julian Ryerson lobte die Anhänger: "Die Atmosphäre im Stadion war heute wieder überragend, das hat uns sehr geholfen."

Harte Spielweise bringt den FC Bayern aus der Ruhe

Nach der Partie lobte Bayerns Thomas Müller: "Union Berlin hat genau das gezeigt, was ihnen ligaweit Respekt eingebracht hat – auch meinen." Dazu gehört das körperliche Spiel. Die Eisernen foulten 19-mal, aber die erste gelbe Karte sah Rani Khedira erst in der 87. Spielminute.

"Eklig sein" heißt das in der Fußballersprache und es gibt wohl keine Bundesligamannschaft, die so eklig ist wie die Eisernen. Man sah es schon in den ersten Minuten der Partie. Nach dem Anstoß prügelte Union den Ball in die gegnerische Hälfte, Bayerns hochdotierter Neuzugang Mathijs de Ligt verlor sein erstes von zahlreichen schmerzhaften Kopfballduellen gegen Kevin Behrens und Khedira schoss aus der zweiten Reihe. Weit übers Tor zwar, aber die Bayern wussten bereits nach 15 Sekunden, dass sie die Festung Alte Försterei nicht kampflos einnehmen würden.

Dieser Eindruck setzte sich danach fort. Obwohl Union früh traf und Bayern ebenso schnell ausglich, verfolgte der 1. FC Union stoisch den Plan, die Münchner mit einer körperlichen Spielweise und zur Not auch mit unfairen Mitteln aus dem Konzept zu bringen. „Wir haben relativ früh unsere Struktur über einen Flügel verloren“, sagte Bayern-Coach Julian Nagelsmann, der nicht sagen wollte, welche Seite er meint. Wer in der ersten Halbzeit Leroy Sané beobachtete, brauchte die Antwort des Trainers nicht. "Fiese kleine Fouls, da musst du diszipliniert sein mit deinem Ärger", analysierte Nagelsmann. Dem Nationalspieler gelang das nicht. Sané blickte nach jedem Ballverlust hilfesuchend zum Schiedsrichterassistenten, das Spiel lief an ihm vorbei.

Union spielt cleverer als der Rekordmeister

Was Bayern Union an individueller Klasse voraushatte, kompensierten die Gastgeber mit Cleverness. Die Unioner drangen in die Köpfe der Gäste vor und lähmten ihre Gedanken. Anstatt die kompakte Defensive mit schnellen Seitenwechseln auseinanderzuziehen, wie es beispielsweise RB Leipzig versuchte, spielte die Nagelsmann-Elf meistens durch die Mitte und blieb an rot-weißen Abwehrbeinen hängen. Freistöße bekamen sie selten, Urs Fischers Spieler loteten die Grenze, wann ein Foul zu einer Bestrafung führt, in den meisten Fällen exakt aus.

Den Bayern gelang das nicht so spielerisch. Als Andras Schäfer in der zwölften Minute nach einer Ablage von Behrens 30 Meter vor dem Tor von Manuel Neuer an den Ball kam, fehlten ihm die Anspielstationen. Also legte er sich die Kugel zu weit vor und lief gegen Dayot Upamecanos Bein. Aus einer aussichtslosen Situation wurde ein gefährlicher Freistoß, eine halbe Minute danach führte Union. Schäfer habe das sehr clever gemacht, lobte Nagelsmann und befand gleichzeitig: "Aber wer mal Fußball gespielt hat, weiß: Das war nie ein Foul."

Unions Kaderbreite besteht Test

Um Unions Punktgewinn zu verhindern, zog der Gästetrainer alle Register. Von der Bank kamen mit Thomas Müller, Leon Goretzka und Serge Gnabry drei der besten deutschen Fußballer ins Spiel. Dass nach dem Spiel vor allem über Unions Kaderbreite gesprochen wird, ist vielleicht das verrückteste an diesem finanziell eigentlich sehr ungleichen Duell. Mit Diogo Leite, Janik Haberer und Jordan Siebatcheu fielen drei Stammspieler kurzfristig aus. "Wir sind eine Einheit und haben die Umstellungen vor dem Spiel gut weggesteckt", sagte Ryerson und ergänzt: "Wir wissen, dass jeder Spieler wichtig ist."

Auch Fischer lobte, dass sich die Ersatzleute Paul Jaeckel, Schäfer und Behrens nahtlos ins Team eingefügt hätten. "Das beschreibt die Mannschaft, jeder weiß, was er zu tun hat." Wer nach Gründen, für die nicht brechende Erfolgswelle der Köpenicker sucht, wird hier fündig. Die Spielprinzipien der Mannschaft – kompakte Defensive, großer Einsatz, geradliniges Offensivspiel – sind seit Jahren klar.

Spieler, die sich dieser Linie nicht anpassen, werden entweder nicht aufgestellt oder gar nicht erst verpflichtet. Fischer und Kaderplaner Oliver Ruhnert dürfen in Ruhe an einer Mannschaft arbeiten, die verinnerlicht hat, wie sie auch stärkeren Gegnern schaden kann. Zur Belohnung gibt es einen Ritterschlag von Meistertrainer Nagelsmann: "Union war unser schwerster Gegner." Und wer es als erstes wagen wird, den FCU zu schlagen, ist längst zu einer der spannendsten Fragen der Bundesliga geworden.

Sendung: Inforadio, 03.09.2022, 15.03 Uhr

21 Kommentare

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  1. 21.

    Ha ha! Sie sind hier ja für Ihre meist witzigen Kommentare bekannt, aber der ist wirklich einer Ihrer besten, Heidekind. ;-D

  2. 19.

    Ich hatte schon Angst, daß wir wie die 1.Liga spielen wollen. Im vorigen Jahr gab es Spiele , wo wir das wollten u. verloren.
    Die 2.Liga ist eklig.Wir sind Aufgestiegen weil wir eklig sind, hielten die BL weil wir eklig sind und wir wollen weiter eklig sein.
    Verlieren wir , gehe ich zu Frieden nach Hause, wenn die Mannschaft eklig war und alles gab
    Eisern

  3. 18.

    Zugleich führt der FCU mit insgesamt nur 5 gelben Karten die Fair Play Tabelle der Bundesliga an. Und man kann wohl kaum davon ausgehen, dass diese Statistik dadurch zustande kommt, weil die Schiries bei den für ihr robustes Spiel bekannten Köpenickern mehr als bei anderen Mannschaften mal ein Auge zudrücken. Eher dürfte das Gegenteil der Fall sein, nämlich, dass bei den Rot-Weißen sogar noch etwas genauer hingeschaut wird. Das Spiel des FCU ist also hart aber fair.

  4. 17.

    Zitat: "Um es mal mit den Worten der Zeit zu sagen . . ."

    Und anhand dieser willkürlich ausgewählten Statistiken aus einem Artikel eines, ähem, Fussballfachmagazins, meinen Sie das Spiel des FCU als "Rumpelfussball" bezeichnen zu können?! Sie machen sich (wieder mal) lächerlich, Jupp.

    Der FCU ist eben keine Ballbesitzmannschaft, sondern, um es Ihnen mal etwas zu veranschaulichen, eher ein Konterboxer: Es wird sich sehr gut verteidigt, dabei nicht übermäßig viel, aber wenn's drauf ankommt gezielt in die richtigen Zonen des Gegners geschlagen.

    Ich würde es als Zeichen der Intelligenz beschreiben, wenn man das was man am besten kann versucht so weit als möglich zu perfektionieren. Und der FCU kann nun mal "Team" und schnelles Umschalten am besten. Da sollte man nicht versuchen, einen auf FC Bayern zu machen und sich hunderte male den Ball untereinander zuzuspielen, um den Gegner in Handball Manier zu stellen und so die Tore zu erzwingen.

  5. 16.

    Na ja, ich habe mich natürlich nur auf die nächsten Spiele bezogen. Langfristig lassen ich solche Prognosen sowieso nicht machen. Wir leben in einer Zeit, wo eine Krise die nächste jagt und jederzeit auch Vereine wie Union auf der Strecke bleiben können. Was mich freut, wenn wieder solche alten Schlachtrufe von den Fans ausgegraben werden, die schon in der Oberliga im Osten gesungen wurden. Und Nina Hagens Hymne ist ja auch schon in die Jahre gekommen, wird hoffentlich uns " ewig " begleiten.

  6. 15.

    Nun, es war wohl auch ein Spiel, welches jederzeit auch hätte verloren gehen könnte, wenn die Bayern nicht solche Abschlußschwächen gehabt hätten.
    Es war ein Kampf zweier ebenbürtiger Mannschaften.
    Und @Jupp: lieber ein "foulträchtigen Spiel" - und da habe ich schon Spiele gesehen, in denen es gelbe, gelb-rote und rote Karten hagelte (Hertha, 17., zehn Gelbe und eine Rote zu fünf Gelbe für Union, 4.) - und sich im oberen Tabellendrittei festgesetzt, als schon im 5. Spiel den Abstiegsplatz betonieren.

  7. 14.

    interessanter letzter Satz in Ihrem Kommentar, ich glaube, den alten Fans fällt es schwer, das mit dem Versprechen noch zu glauben, noch schwerer ist es ihn zu verwirklichen, weites Feld ......... mal sehen, wie lange Nina Hagen durchhält ( :-) :-)

  8. 13.

    Doch, Union mit den meisten Fouls am Gegner

    https://www.bundesliga.com/de/bundesliga/statistiken/clubs/fouls

  9. 12.

    Eben, warum einige hier sich so vehement wehren weiß ich nicht. Aber manchen Fans ist selbst die geringste Art von Kritik zuwider. Union hat nicht die spielerischen Möglichkeiten und kompensiert es durch härteres Spiel unter Inkaufnahme von Fouls. Am Ende zählt das Ergebnis.

  10. 11.

    Seid als Nichtunioner bitte fair.
    Sie spielen halt kämpferisch und das körperliche gehört dazu .
    Würde mir wünschen das andere Mannschaften sich das abgucken.
    Ich erkenne das an und die Punkte sprechen für sich.

  11. 9.

    Fouls werden nicht nur nach Karten registriert, Matthias. Union sagt doch selbst, sie helfen sich durch Fouls. Kann man gut finden oder nicht. Es geht nur um die Art. Italiens Cattenacio ist erfolgreicher als niederländischer Angriffsfussball. Die englische Liga zB ist härter. Ist doch alles in Ordnung. Nur bestreiten wirkt albern

  12. 8.

    Hätte die Saison am 27. Spieltag der letzten Saison begonnen, und wir hätten den 12. Spieltag, würde Union fünf Punkte vor den Bayern liegen. Wahnsinn oder? Was ich damit sagen will ist, das ich mich langsam ernsthaft frage, wer uns schlagen will? Vielleicht der Videoassistent !!!!! Nein, im Ernst, ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus.
    EISERN

  13. 7.

    Fußball ist nunmal kein Halma.
    Und 87 Minuten bis zur ersten gelben Karte deutet auf regulären Körpereinsatz hin.

  14. 6.

    Um es mal mit den Worten der Zeit zu sagen: „ Auch ohne je ein Union-Spiel gesehen zu haben, ergibt sich ein Bild: Sie haben die schlechteste Passquote der Liga und am zweitwenigsten den Ball. Dafür führen sie in anderen Kategorien. Keine Mannschaft läuft mehr, gewinnt mehr Kopfballduelle, foult öfter.“

    Steht doch einfach zu eurem Rumpelfussball. Er ist doch erfolgreich

  15. 5.

    @ Jupp, Ihre Sonntagsaufgabe wird sein: Lesen Sie den Artikel nochmal und wann es nicht reicht, dann noch einmal.

  16. 4.

    Ehm, nein, tut es nicht:

    https://www.dfb.de/bundesliga/fairplay/

    Union spielt körperbetont, aber nicht unfair. Sie ziehen Fouls, wenn es nicht mehr anders geht, aber das kommt sehr selten vor.

    Es ist auch nicht so, als wäre Bayern unvorbereitet gewesen. Die haben auch gekämpft.

  17. 3.

    Wir spielen nicht "Faul",sondern "ecklig ",trotzdem Fair! Fußball ist kein Kontaktloser, sondern ein Kampf,technisch, taktischer Mannschaftssport! Natürlich werden Wir Spiele verlieren, aber die Mannschaft wird ihre Leistung zu 100% auf Platz gebracht haben. Das zählt! Eisern

  18. 2.

    Gute Überschrift, im Moment stimmt sie zu 100%. Jetzt kommen die Wochen der Wahrheit mit den Euroleaguespielen. Wer kennt diesen Verein mit dem sympathischen Namen Union ? Der ist aus Belgien und dort können sie Fußball spielen. Also Vorsicht. Mit dem Stadion im Rücken wird es hoffentlich reichen. Dann nach Köln und unseren guten " Baumi ". usw. usw. Mit dem gr0ßen Kader wird es hoffentlich weitergehen mit dem Song.

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