1,5 Jahre Verletzungspause - Lisickis leidenschaftlicher Weg zurück

Mo 21.11.22 | 10:05 Uhr | Von Flynn Jacobs
Tennisspielerin Sabine Lisicki beim Aufschlag (Quelle: IMAGO/tennisphoto.de)
Bild: IMAGO/tennisphoto.de

Sabine Lisicki hat eine lange Leidenszeit hinter sich. Nach Pfeifferschem Drüsenfieber und einem Kreuzbandriss feierte die Berlinerin im Mai ihr Comeback. Bei einem Besuch in der Heimat verriet sie: Sie will nochmal voll angreifen. Von Flynn Jacobs

Linz, November 2020. Unter Schmerzensschreien wird Sabine Lisicki vom Platz getragen. Diagnose: Kreuzbandriss. Auch Meniskus und Außenband müssen operiert werden. Obwohl sie gerade erst ihr Comeback nach einem Jahr Pause wegen Pfeifferschem Drüsenfiebers gefeiert hatte. Es folgt eine lange Leidenszeit. Die 33-Jährige muss das Laufen neu lernen und sich mächtig quälen für ihre Rückkehr auf den Tenniscourt.

Nun, nach anderthalb Jahren Zwangspause, hat sie es endlich wieder zurück, ihr strahlendes Lächeln. Bei einer "Get Together"-Veranstaltung für das WTA-Turnier in Berlin im kommenden Sommer ist Lisicki die Freude über das Ende ihrer langen Leidenszeit sichtlich anzumerken. Dort erzählt sie vom herausfordernden Weg zurück und ihren Träumen für die kommende Zeit.

Wimbledon-Siegerin Marion Bartoli und Finalistin Sabine Lisicki bei der Siegerehrung 2013 (Quelle: imago images/Shutterstock)
Der Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere: Sabine Lisicki bei der Siegerehrung nach dem verlorenen Finale in Wimbledon 2013 | Bild: imago images/Shutterstock

Neuer Stern am deutschen Damentennis-Himmel

Vor neun Jahren war Sabine Lisicki auf dem Hoch ihrer Karriere. Wimbledon-Finale. Beim größten Tennisturnier der Welt kämpfte sich die damals 23-Jährige überraschend in die letzte Runde. Das gelang ihr als erste Deutsche seit Steffi Graf. Selbst eine Serena Williams konnte das aufstrebende Tennistalent nicht stoppen. Das Finalspiel verlor sie damals unglücklich gegen die Französin Marion Bartoli. Doch Lisicki läutete mit ihrem Auftritt in London eine neue Ära im deutschen Damentennis ein. Die Zeit der sogenannten "goldenen Generation".

Lange hatte das deutsche Tennis auf Erfolge warten müssen. Steffi Graf und Boris Becker waren Weltstars. Tennis wurde hierzulande fast so populär wie König Fußball. In den Folgejahren konnte nur sehr schwer an diese glorreiche Zeit angeknüpft werden. Umso dankbarer waren die deutschen Tennis-Fans, dass mit Sabine Lisicki, Andrea Petkovic, Julia Görges und Angelique Kerber endlich wieder die Hoffnung auf Final-Teilnahmen bei den Grand-Slam-Turnieren aufkeimte. "Also ich muss erstmal sagen, dass ich es ja herrlich finde, dass wir die goldene Generation genannt werden. Dass wir jetzt zumindest ein wenig Lob bekommen für das, was wir alles erreicht haben. Weil das schon auch über sehr viele Jahre sehr gutes Tennis war, was gezeigt wurde", sagt Sabine Lisicki auf einem Sponsoren-Event für die Bett1-Open kommendes Jahr in Berlin.

Die phänomenale Finalteilnahme in Wimbledon sollte der größte Erfolg in der Karriere der heutigen Berlinerin bleiben. Zu oft wurde sie in der Folgezeit von Verletzungen immer wieder zurückgeworfen. Negativer Höhepunkt der Krankenakte war die schlimme Knieverletzung Ende 2020. 18 Monate kann Lisicki danach kein Tennis spielen. "Es war eine sehr sehr schwierige Zeit, da diese Knieverletzung wirklich alles von mir abverlangt hat. Man musste gehen lernen, nachdem man zwei Monate mit Krücken unterwegs war. Und die Muskulatur aufbauen, um überhaupt normal zu funktionieren", sagt sie.

Heimatturnier als Ansporn für Comeback

Dass sie nach ihrer Verletzung wieder auf dem Tennisplatz stehen kann und in der Weltrangliste Schritt für Schritt zurück nach oben klettert, hätten ihr viele nicht zugetraut. "Wenn man dann abgeschrieben wird von allem Möglichen tut es umso besser, wenn man wieder auf dem Platz steht und einfach das tun kann und darf, was man am meisten mag", sagt Berlins Sportlerin des Jahres 2011 und 2013. Häufig war gar von einem drohenden Karriereende zu lesen. Zu schlimm schien die Verletzung des Knies und zu schwierig ein Weg zurück. An einen vorzeitigen Rückzug vom Profisport hat sie allerdings nie gedacht. "Das geht doch nicht, wenn es ein neues Turnier auf Rasen in Berlin gibt", sagt die gebürtige Westfälin und heutige Wahlberlinerin lachend.

Gemeint sind damit die Bett1-Open, das WTA-Turnier in Lisickis Heimat Berlin. Seit zwei Jahren wird dieses auf der Anlage ihres ersten Vereins, dem LTTC Rot-Weiß, als Vorbereitungsturnier auf Wimbledon ausgetragen. Jahrelang war Berlin als Standort für Tennis vergessen. Vergangenes Jahr wurde dann die Rückkehr des WTA-Turniers in Berlin bekanntgegeben. Dafür wurde die Anlage des LTTC modernisiert. Ein Turnier vor heimischem Publikum. Auf ihrem Lieblingsbelag Rasen. In dem Club, bei dem ihre große Karriere begann. Kein Wunder, dass diese Bedingungen einer der Gründe waren, fest an ihr Comeback zu glauben. "Hier hat meine Reise auf der Profitour angefangen als ich 14, 15 war. Da habe ich mein allererstes Profi-Match hier im Club gespielt beim WTA-Turnier. Dann gabs das Turnier lange lange Zeit nicht und jetzt gibt es das wieder. Das war auf jeden Fall auch ein Anreiz", sagt sie mit leuchtenden Augen.

Ziel Nummer eins ist die Gesundheit

"Bum-Bum-Bine", wie sie von einigen in der Tennisszene genannt wird, hat sich ihren Spitznamen durch ihren Aufschlag erarbeitet, der zu den stärksten im Damentennis gehört. Bis heute hält Lisicki den Rekord für den härtesten je gemessenen Aufschlag auf der Tour. Mit satten 210,8 km/h schlug sie den Ball 2014 ihrer Gegnerin Ana Ivanovic um die Ohren. Neben ihrem harten Aufschlag verfügt sie auch über eine präzise Vor- und eine wuchtige Doppel-Rückhand. Die 33-Jährige ist voller Selbstvertrauen und glaubt fest daran, dass sie ihre Stärken nach wie vor unter Beweis stellen und zu alter Form zurückfinden kann. "Ganz unten nochmal anzufangen ist brutal schwierig. Ich glaube, das zeigt aber auch, was für eine Leidenschaft und was für ein Feuer noch in mir steckt. Ich traue es mir definitiv zu."

Turniersiege sind allerdings nicht das Hauptziel der 33-Jährigen. Viel wichtiger sei ihr, dass sie körperlich fit und von weiterem Verletzungspech verschont bleibt. "Natürlich setzt man sich viele Ziele. Als Profisportler kannst du nicht einfach nur wahllos daher trainieren und spielen. Aber ich glaube, das Allerwichtigste für mich ist, gesund zu bleiben", sagt Lisicki.

Träumen darf natürlich trotzdem erlaubt sein. Vier WTA-Turniersiege kann sie in ihrer Vita vorzeigen. Noch einmal eine Trophäe in den Himmel zu stemmen, wäre ein riesiger Erfolg für die Berlinerin. Und sie hat dabei auch ein spezielles Turnier im Kopf. "Es wäre mein größter Wunsch, in Berlin vor heimischem Publikum in meinem Heimatverein zu gewinnen." Zu gönnen wäre ihr der Titel allemal. Und bei dieser Leidenschaft zum Tennis und solchen Comeback-Qualitäten scheint der Traum auch gar nicht so unwahrscheinlich.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.11.22, 10:15 Uhr

Beitrag von Flynn Jacobs

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