Wasserfreunde Spandau in der Champions League - Wie Hagen Stamm zum Kommentator seiner eigenen Mannschaft wurde

Di 07.02.23 | 07:51 Uhr | Von Marc Schwitzky
Hagen Stamm ist seit 1994 Präsident der Wasserfreunde Spandau 04. (Foto: IMAGO)
Video: rbb24 | 08.02.2023 | Dennis Wiese | Bild: www.imago-images.de

Um den Wasserfreunden Spandau 04 die Champions League zu ermöglichen, musste Vereinspräsident Hagen Stamm zum Spiele-Kommentator werden. Der gebürtige Spandauer will parteiisch und objektiv zugleich sein. Von Marc Schwitzky

Spieler, Bundestrainer, Vereinspräsident - Hagen Stamm hat während seiner Karriere im Wasserball beinahe alle möglichen Rollen ausgefüllt. Dass er mit 62 Jahren sogar noch zum Kommentator seiner eigenen Mannschaft, den Wasserfreunden Spandau 04, werden würde, hat aber wohl selbst Stamm nicht gedacht.

Und doch stellt er sich, wie schon immer, in den Dienst seines Vereins. "Ich bin gebürtiger Spandauer und habe das 'Uwe-Seeler-Syndrom', bin also nie gewechselt und habe das nie bereut", erklärt Stamm seinen geradlinigen Karriereweg. Mit Spandau wurde er zwischen 1979 und 1992 vierzehn Mal infolge Deutscher Meister, zwölfmal Deutscher Pokalsieger und viermal Sieger des Europapokals der Landesmeister.

Von dem alten Glanz der vor allem achtziger Jahre ist nicht viel geblieben. Spandau musste den Status als Ligaprimus nach Hannover abgeben, viele Spieler und Zuschauer sind gegangen – geblieben ist Hagen Stamm, der 1994 Präsident wurde. Und auch die Champions League. Diese sei laut Stamm überaus wichtig, "da sie unsere Eintrittskarte zum internationalen Wasserball ist. Wir sind mit diesen sieben Heim- und sieben Auswärtsspielen international auf absolutem Topniveau mit dabei. Wir können unseren Spielern die Möglichkeit bieten, im Konzert der Großen er Können zu zeigen."

Eben jenes Konzert drohte Spandau jedoch wegzubrechen.

Um Champions League zu spielen, braucht es Übertragung - und Kommentator

Die Auflagen für die Teilnahme an der Champions League besagen, dass die Teams eine Übertragung der Spiele samt Kommentar gewährleisten müssen. Über den Sender TV Berlin strahlt Spandau seine internationalen Partien aus - eigentlich mit Stamm als Co-Kommentator. Der Kommentator an seiner Seite fiel jedoch weg, weshalb die Wasserfreunde plötzlich vor einem größeren Problem standen.

Einmal mehr war Stamm dazu berufen, seinem Verein zu helfen und die Rolle des alleinigen Kommentators zu schlüpfen. "Ich war vor der Situation: Friss oder stirb", wie Stamm selbst es beschreibt, der die neue Position nur interimsweise ausfüllen will, bis jemand neues gefunden ist. Zwar sei er eine "Notlösung", jedoch eine mit "Insider-Informationen, die ein Reporter nicht hat, wodurch es für die Leute vielleicht es ganz nett ist".

Ich freue mich natürlich für meine Mannschaft und bin auch parteiisch, das Spiel an sich versuche ich aber objektiv zu beurteilen.

Hagen Stamm

Den Anspruch, vom Präsidenten mit Herz für seinen Verein zum neutralen Kommentator zu werden, hat Stamm an seine Auftritte nicht. "Um ehrlich zu sein, werde ich mich im Alter nicht mehr verbiegen. Ich freue mich natürlich für meine Mannschaft und bin auch parteiisch, das Spiel an sich versuche ich aber objektiv zu beurteilen. Er glaube ohnehin, dass der höchst neutrale, kühle Kommentar-Stil "altbacken" sei. "Wenn man Spandauer ist, muss man sich nicht verstecken. Emotionen sind ja toll, solange die gegnerischen Spieler nicht beleidigt werden und das Spiel noch objektiv bewertet wird." Zudem versuche Stamm, auch stets eher unerfahrene Zuschauer im Blick zu behalten und etwas kompliziertere Regeln verständlich zu erklären.

Zukünftig sieht sich Stamm zwar wieder als Co-Kommentator, jedoch sei momentan kein Nachfolger in Sicht, sodass "es wohl erstmal an mir kleben bleibt". Die Rückmeldung für seine Begleitung der Spiele sei bislang sehr positiv, vielleicht traue sich aber auch niemand, etwas Kritisches anzumerken, scherzt Stamm.

Stamm über den Zustand des Berliner Wasserballs

Zuletzt war Stamm beim Spiel der Wasserfreunde gegen AN Brescia, ein italienisches Spitzenteam, am Mikro. Spandau musste am 25. Janauar in der Champions League eine herbe Heimniederlage hinnehmen. Am 6. Spieltag der Hauptrunden-Gruppe B unterlag der deutsche Rekordmeister in der Schwimmhalle Schöneberg mit 10:16.

Ein Ergebnis, dass das Leistungsgefälle im europäischen Wasserball noch einmal verdeutlicht. Deutschland hat die besten Zeiten hinter sich. "Wir kämpfen hier mit sehr schmalen Waffen gegen Vereine, die den vier- bis fünffachen Jahresetat haben. Die haben Etats zwischen vier und fünf Millionen Euro, unserer liegt immer noch deutlich unter einer Million", so Stamm einordnend. Den Grund für das fehlende Niveau im deutschen Wasserball sieht er in den fehlenden Nachwuchstalenten, die sich für andere Sportarten entscheiden würden.

Botschafter für seinen Sport

"Es wird aufgrund des Abwerbens der Talente immer schwieriger. Wenn ich jemand sportlich affinen habe, sind sofort die Handballer, Basketballer und Volleyballer dran. Und am Ende sind alle Fußballer, jeder muss in seinem Leben ja mal Fußball gespielt haben. Es bleibt dann nur wenig für Wasserball übrig", erklärt Stamm. "Man muss aber auch an Schulen mehr tun. Wenn es nach mir ginge, wäre Wasserball eine feste Einrichtung an Universitäten und Schulen. In südlichen Ländern hängen in jedem Hafenbecken Wasserballtore, die Jugendlichen schießen im Ozean und Meer den ganzen Sommer aufs Tor. Wir haben auch Küsten und Bäder, für die man Wasserballtage einrichten könnte."

Bis es soweit ist, werden Menschen wie Stamm Werbung für den Sport machen müssen - als Präsident und als Kommentator.

Sendung: inforadio, 07.02.2023, 18 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

Nächster Artikel