Streit mit Bundesinnenministerin - Woidke pocht wegen Schleuser-Kriminalität auf Grenzkontrollen
Brandenburgs Ministerpräsident fordert an der Grenze zu Polen wieder stationäre Kontrollen, um besser gegen Schleuser vorgehen zu können. Die Bundesinnenministerin hat nun zumindest einen verstärkten Einsatz der Bundespolizei in die Wege geleitet.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke pocht trotz der Ablehnung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) auf stationäre Kontrollen der Bundespolizei an der brandenburgisch-polnischen Grenze. Er sieht den Bund in der Pflicht, einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit der Bundesregierung umzusetzen.
"Wir werden fordern, dass an der polnischen Grenze genau das gemacht wird, was an der bayerisch-österreichischen Grenze schon seit vielen Jahren gang und gebe ist", sagte Woidke am Mittwoch. "Wir wollen eine stärkere Bekämpfung vor allem der Schleuserkriminalität, die in den letzten Tagen und Wochen deutlich zugenommen hat." Die Landesregierung werde sich die Zahlen unerlaubter Einreisen sehr genau anschauen.
Woidke pocht auf Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz
"Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung genauso wie wir ein großes Interesse daran hat, Schleuserkriminalität, aber auch illegale Migration zu bekämpfen", so Woidke. Am 10. Mai habe die MPK gemeinsam mit der Bundesregierung beschlossen, dass der Bund lageabhängig entsprechend der Zahl der aufgegriffenen Menschen und der Entwicklung der Schleuser-Kriminalität zusätzliche Maßnahmen ergreife. Er gehe davon aus, dass dieser Beschluss weiter Bestand habe.
"Ich kann in Teilen die Argumentation der Bundesinnenministerin nicht nachvollziehen, weil auch ich andere Informationen vorliegen habe", sagte Woidke. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lehnt derzeit stationäre Kontrollen an der Grenze zu Polen und Tschechien ab. Das geht aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Antwort aus dem Bundesinnenministerium an die beiden CDU-Innenminister von Brandenburg und Sachsen hervor.
Darin heißt es, eine vorübergehende Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und zur Tschechischen Republik sei derzeit nicht Gegenstand der Überlegungen. Eine solche Maßnahme gehöre zu den allerletzten Reaktionsmöglichkeiten. An der deutsch-polnischen Grenze schwankten die Zahlen von Menschen, die illegal einreisten, sie lägen seit Ende Februar über denen an der Grenze zu Österreich, hieß es aus dem Bundesinnenministerium. An der deutsch-tschechischen Grenze seien die unerlaubten Einreisen seit einem Höchststand im September 2022 stark rückläufig.
Faeser lässt Schleierfahndung verstärken
Unterdessen lenkt die Bundesinnenministerin leicht ein. Aus ihrem Haus hieß es am Donnerstag, dass Faeser wegen der starken irregulären Migration über die deutsch-polnische und die deutsch-tschechische Grenze einen verstärkten Einsatz der Bundespolizei in die Wege geleitet hat: "Die Bundespolizei hat ihre Schleierfahndung weiter intensiviert." Die örtlichen Dienststellen würden durch mobile und flexible Einheiten unterstützt.
Beim Nein Faesers zu den stationären Grenzkontrollen bleibe es allerdings. Das geht aus einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Schreiben aus dem Bundesinnenministerium an die beiden CDU-Innenminister von Brandenburg und Sachsen hervor. Eine vorübergehende Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen setze eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit voraus, argumentiert das Bundesinnenministerium. Eine solche Maßnahme habe stets "ultima ratio Charakter".
Unmut bei Brandenburgs Innenminister ...
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) reagierte mit Unmut auf die Lage-Bewertung der Bundesinnenministerin. Tag für Tag greife die Bundespolizei Dutzende illegal eingereiste Personen an der Grenze zu Polen auf, sagte er am Dienstag. "Viele von ihnen werden gezielt vom russischen Regime über die Route Belarus und Polen geschleust, um unser Land zu destabilisieren." Er sei nicht bereit, das hinzunehmen.
... und bei Brandenburgs Grünen
Die Brandenburger Bündnisgrünen positionieren sich derweil deutlich gegen die Forderung nach stationären Kontrollen an einer EU-Binnengrenze. Das sei ein "Irrweg, der sowohl europäischem Recht als auch der Brandenburger Willkommenskultur widerspricht, und der Grenzpendler*innen massiv schadet", so die Landesvorsitzende Hanna Große Holtrup. Stattdessen müssten Integrationsbemühungen gestärkt und Eingewanderte schneller in Arbeit gebracht werden.
Polizei-Gewerkschaft fordert flexible Grenzkontrollen
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützt die Forderung aus Brandenburg nach verstärkten Grenzkontrollen. Der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, schlägt aber vor, auf flexible Kontrollen zu setzen. "Würden wir Grenzkontrollen stationär einrichten, würden sie innerhalb kürzester Zeit von professionellen Schleuserorganisationen umgangen und würden somit auch sinnlos und ineffektiv", sagte Roßkopf am Donnerstag im rbb24 Inforadio.
Deutschland kontrolliert seit Herbst 2015 in Bayern an der Grenze zu Österreich, nachdem sich Zehntausende Flüchtlinge und andere Migranten von Griechenland über die Balkan-Route auf den Weg nach Westeuropa gemacht hatten. Eigentlich aber gibt es im Schengen-Raum, dem 26 europäische Länder angehören, keine stationären Personenkontrollen an den Grenzen.
An der bayerisch-österreichischen Grenze erfolgen zudem schon seit vielen Monaten stationäre Grenzkontrollen. In Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern setzt die Bundespolizei bislang lediglich das Instrument der Schleierfahndung, also punktuelle Kontrollen im Grenzhinterland, ein. Zurückweisungen illegal Einreisender sind bislang dort nicht erlaubt.
Sendung: Antenne Brandenburg, 24.05.2023, 12:00 Uhr