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Video: rbb|24 | 02.05.2020 | Material: Brandenburg aktuell | Quelle: www.imago-images.de

Geplantes E-Auto-Werk in Grünheide

Das hat die Bürgerinitiative gegen die Tesla-Fabrik bisher bewirkt

Verantwortungsvoll und engagiert? Oder egoistische Fortschrittsverhinderer? Bürgerinitiativen polarisieren - auch in Grünheide, wo sich Anwohner gegen die geplante Tesla-Fabrik sträuben. Was kommt raus bei ihrem Protest? Von Philip Barnstorf

In Eberswalde verhindert eine Bürgerinitiative seit Jahrzehnten den Bau einer Ortsumgehungsstraße, in Mixdorf blockieren engagierte Anwohner den Windkraftausbau. Das sind nur zwei von vielen Beispielen für erfolgreiche Bürgerinitiativen. Doch deren Kritiker wollen nun die gesetzlichen Einspruchs- und Klagerechte bei Genehmigungsverfahren einschränken.

Steffen Schorcht ist Mitglied der Bürgerinitiative Grünheide gegen Gigafactory (BI) und sieht das anders: "Der aktuelle gesetzliche Zustand ist das Ergebnis langjähriger Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Interessengruppen", sagt Schorcht. "Es gibt gute Gründe für diese Gesetzgebung. Das sieht man auch daran, wie die Tesla-Ansiedlung abläuft."

Eilanträge gescheitert

In der Tat gab es schon viel Diskussion - vor allem um Waldrodung, Verkehr und den Wasserverbrauch der geplanten Fabrik für Elektro-Autos in Grünheide (Oder-Spree). Im Januar begannen Bürger gegen die Tesla-Pläne zu demonstrieren. Nach wenigen Wochen sagte die Bürgerinitiative jedoch weitere Demos ab, weil sie fürchtete, von Rechtspopulisten unterwandert zu werden.

Im Februar fing Tesla an, den Kiefernwald auf dem Grundstück nördlich des Güterverkehrszentrums Freienbrink zu roden. Prompt reichten die Grüne Liga, ein brandenburgischer Umweltschutzverein, und ein bayerischer Verein, der die Energiewende kritisch sieht, Eilanträge gegen die Baumfällarbeiten ein. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg stoppte die Rodung für einige Tage und lehnte die Eilanträge dann ab. Die Harvester fällten und zersägten dann innerhalb weniger Tage die restlichen Kiefern.

Reptilienschutzzaun um ein kleines Areal auf dem Tesla-Gelände - geschützte Tiere müssen umziehen | Quelle: rbb / Philip Barnstorf

Bürgeranhörung bald online?

Aber die Kritik am geplanten E-Autowerk riss nicht ab: Nachdem die Tesla-Genehmigungsunterlagen Anfang des Jahres einen Monat lang öffentlich ausgelegen hatten, gingen bis zum Fristende am 5. März mehr als 360 Einwendungen von Anwohnern und Verbänden zu den Industrie-Plänen ein.

Die BI hatte Bürger beim Schreiben der Einwendungen beraten. Die meisten Einsendungen dürften kritisch sein. Sie müssen öffentlich diskutiert werden, aber der Termin dafür wurde wegen der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben. Nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung könnten es aber schon im Mai Anhörungen auch online geben.

Weniger Wasserverbrauch dank Bürgerengagement?

In jedem Fall scheint die Kritik der BI Früchte zu tragen: Schon Ende Januar hatte Tesla mitgeteilt, eine Luft- statt einer Wasserkühlung verbauen zu wollen. Dadurch soll der Wasserverbrauch der Fabrik von maximal 372 auf 238 Kubikmeter pro Stunde sinken. Mitte April hat das kalifornische Unternehmen angekündigt, die Genehmigungsunterlagen entsprechend anzupassen. Der E-Auto-Hersteller äußert sich zwar - wie so oft - nicht zu den Gründen, es ist aber wahrscheinlich, dass auch die stetige Kritik vor Ort zu dieser Entscheidung beigetragen hat. Auch Raimund Schwarze, Umweltökonom an der Viadrina Universität in Frankfurt (Oder), sieht das so: "Ich werte das als einen Erfolg der Initiativen, da das Umweltbewusstsein geschärft zu haben, wo es nötig war." Er verweist auch darauf, dass Tesla laut Carbon Disclosure Project, einer NGO die die Nachhaltigkeit von Unternehmen bewertet, weniger nachhaltig produziert als etwa Ford oder Mercedes.

Strafanzeige wegen angeblich unerlaubter Betankung

Die rund 30 Anwohner, die den Kern der Bürgerinitiative ausmachen, mobilisieren derweil weiter. Für sie ist auch der geplante geringere Wasserverbrauch noch zu hoch. Wegen der Corona-Krise tauschen sich Steffen Schorcht und seine Mitstreiter jetzt regelmäßig in Videokonferenzen aus und bereiten weitere Argumente vor. Eines davon scheint zu verfangen: Die Tesla-Baustelle liegt in einem Wasserschutzgebiet. Deshalb dürfen Autos nur mit speziellen Sicherheitsvorkehrungen betankt werden. "Tesla hat von Anfang an Betankungen ohne entsprechende Vorkehrungen vorgenommen", mahnt Schorcht. BI-Mitglieder haben die angeblich verbotenen Betankungen fotografiert und der Nabu Fürstenwalde, dessen Mitglieder auch in der BI aktiv sind, hat Mitte April Strafanzeige gegen Tesla und das Landesumweltamt (LfU) gestellt.

Landesumweltamt sieht keine Verstöße

Das LfU äußerte sich dazu gegenüber dem rbb am Freitag ausweichend: Das Amt prüfe generell die Einhaltung der Regeln. Die Untere Wasserbehörde habe Anfang April "den Betankungsplatz außerhalb des Wasserschutzgebietes" inspiziert und keine Verstöße festgestellt. Auch sei ein Lagercontainer – mutmaßlich für Sprit – "außerhalb des Wasserschutzgebietes" umgesetzt worden.

Aus Insiderkreisen rund um die Tesla-Baustelle hieß es da schon eindeutiger, niemand sei fehlerfrei. Inzwischen werde aber nur noch außerhalb der Baustelle getankt. Anscheinend hat die BI hier einen Treffer gelandet, den sie jetzt auskosten will: Für Samstag hat sie eine Demo an der Baustelle angemeldet, coronabedingt aber nur für 20 Menschen.

"Dialog zwischen Antragsteller und Behörden"

Äußert die BI also berechtigte Kritik oder gefährdet sie eine Industrie-Ansiedlung, die Brandenburg tausende Arbeitsplätze in einer zukunftsträchtigen Branche bescheren könnte? Beginnt mit dem Gezerre um Wasserverbrauch und Betankung gerade ein weiterer Genehmigungsmarathon, wie etwa bei Stromtrassen oder Elbvertiefung? Ulrich Battis, Verfahrensrechtler an der Berliner Humboldt-Universität, sieht diese Gefahr bisher nicht. "Bis jetzt läuft das Verfahren sehr gut." Garantien gebe es aber nicht, sagt Battis. Auch dass Tesla seine Unterlagen nochmal anpassen will, ist für ihn kein Anlass zur Sorge. "Solche komplexen Planungsvorhaben entstehen immer im Dialog zwischen Behörden und Antragsteller. Da müssen Dinge erläutert und angepasst werden."

"Das muss man aushalten"

In Deutschland werden große Industrie-Projekte entweder über ein Planfeststellungsverfahren oder – wie im Falle der Tesla-Fabrik – über das Bundesemissionsschutzgesetz genehmigt. Battis findet, dass diese Verfahren insgesamt gut funktionieren. "Das Projekt ist hochkomplex und wir sind ein dicht besiedeltes Land mit einer ausgeprägten Streitkultur. Das muss man aushalten."

Nur beim Klagerecht sieht Battis Raum für Reformen: Bisher kann man mit Klagen gegen schon erteilte Genehmigungen durch drei Instanzen gehen. Ein Gesetzentwurf will das jetzt auf eine Instanz beschränken, um lange Klageverfahren zu verhindern.

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Klagen könnten noch kommen

Soweit ist Tesla in Grünheide aber noch nicht. Erst einmal muss das Landesumweltministerium die Genehmigung erteilen - damit wird frühestens im Sommer gerechnet. Erst dann kann dagegen geklagt werden.

Es könnte also noch einiges an Streit auf das Grünheider Projekt zukommen. Und viel hängt jetzt davon ab, wie sorgfältig das Umweltministerium und die kalifornischen Autobauer bei den Genehmigungsunterlagen arbeiten.

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Beitrag von Philip Barnstorf

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