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Audio: Inforadio | 14.08.2021 | Sebastian Schöbel | Quelle: imago images/Olaf Wagner

Finanznot in der Pandemie

Wie Aktien dem Berliner Zoo helfen sollen

Ein Deal zur Rettung des finanziell klammen Berliner Zoos steckt im Abgeordnetenhaus fest. Denn der Kniff, den sich die Finanzverwaltung ausgedacht hat, stößt auf Skepsis. Nun gibt es eine neue, radikalere Idee: Aktien. Von Sebastian Schöbel

Wenn das Zoogeschäft ein Sport wäre, würde der Berliner Zoo in der Champions League spielen – und zwar um den Titel. Schließlich sei der Berliner Zoo "mit großem Abstand der meistbesuchte Zoo in Europa", sagte Direktor Alexander Knieriem unter der Woche dem rbb-Sender 88.8. "2019 hatten wir sogar mehr Besucher als der Zoo in San Diego“, so Knieriem, und das sei schließlich "einer der meistbesuchten Zoos der Welt".

Doch Corona hat die Bilanz dieser Berliner Institution ordentlich verhagelt. 2020 brachen 43 Prozent der Einnahmen weg, der Umsatzverlust betrug rund 12,7 Millionen Euro. Die Pandemie ist derweil noch lange nicht vorbei, auch das erste Halbjahr 2021 sei "eine Katastrophe" gewesen, so Knieriem. "Damit fehlen dem Zoo Berlin in 2020 und 2021 rund 24 Millionen Euro", prognostiziert nun die Senatsverwaltung für Finanzen in einer Vorlage für das Abgeordnetenhaus. Vor allem für Investitionen, wie dem Neubau des Primatenhauses, sei das ein gigantisches Problem, sagt der Zoodirektor.

Zoo will alten Zahlungsvertrag auflösen - für 16,5 Millionen Euro

Um schnell an Geld zu kommen, hat der Zoo dem Senat nun ein Angebot gemacht: Ein uralter Vertrag aus den 50er Jahren, der dem Zoo jährlich rund 380.000 Euro vom Land Berlin garantiert, sollte aufgekündigt werden, gegen die Einmalzahlung von 16,5 Millionen Euro. Die Senatsverwaltung für Finanzen sah eine Chance: Der alte Vertrag hat nämlich kein Ablaufdatum, würde also ewig gültig bleiben. Um die 16,5 Millionen Euro schnell zur Hand zu haben, wollte der Senat die Corona-Rücklagen nutzen.

Doch ausgerechnet in den eigenen Koalitionsreihen traf die SPD-geführte Finanzverwaltung auf Widerstand. "Im Interesse der Steuerzahler wollen wir verifizieren, ob das in Rede stehende Corona-bedingte Defizit in Höhe von 16,5 Millionen Euro wirklich ausschließlich auf die Pandemie zurückzuführen ist", sagt der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Daniel Wesener. Die finanziellen Probleme des Zoos hätten möglicherweise auch mit sehr teuren Projekten wie dem neuen Affenhaus zu tun. Dafür seien die Corona-Rücklagen aber nicht gedacht, so Wesener. Zudem müsse der Zoo erklären, wie er künftig ohne die jährliche Zahlung von fast 400.000 Euro wirtschaften will. Die Sorge: Um jetzt schnell an Geld zu kommen, könnte der Zoo eine Einnahmequelle opfern, die er langfristig braucht.

Mit Aktien gegen das Defizit

Der rechtspolitische Sprecher der Linken, Sebastian Schlüsselburg, bezeichnet den Deal als "ungünstig" für Berlin. Denn dieser würde sich finanziell erst in 43 Jahren rechnen. Zudem würde Berlin laut aktueller Zoo-Satzung auf zwei Sitze im Aufsichtsrat verzichten, weil die an regelmäßige Zuschüsse gebunden seien. "Das kann ja nicht im Sinne des Landes Berlin sein", so Schlüsselburg.

Er bringt nun eine weitere Finanzierungsoption ins Gespräch – und auch die hat viel mit der langen Geschichte des 1844 gegründeten Unternehmens zu tun: "Wenn eine Aktiengesellschaft frisches Geld braucht, emittiert sie neue Aktien, die dann gekauft werden, wodurch frisches Geld eingenommen wird."

Linke will Zoo in öffentliche Hand überführen

Denn eine AG ist der Berliner Zoo bereits heute: 4.000 Zoo-Aktien gibt es, die meisten befinden sich im Besitz von Einzelpersonen. Gehandelt wird damit eher selten, meistens sind es Liebhaberstücke, die als Dekoration hinter Glas an der Wand hängen. Wertlos sind sich freilich nicht, denn der Zoo ist ein profitables Unternehmen. Der Kurs der Zoo-Aktie liegt derweil bei rund 8.500 Euro.

Schlüsselburg schlägt vor, dass der Zoo nun neue Aktien ausgibt, im Wert von 16,5 Millionen Euro. Das Land Berlin würde die Wertpapiere kaufen, "und wir würden mit den Stimmrechten dieser Aktien Zoo und Tierpark zu einem landeseigenen Unternehmen machen", sagt Schlüsselburg. Das gebe dem Land auch mehr Einfluss bei strittigen Themen, etwa dem Umgang mit ermäßigten Tickets.

Der Tierpark war schon einmal in öffentlicher Hand, zu DDR-Zeiten. Und zumindest emotional gehöre der Zoo auch schon längst den Berlinerinnen und Berlinern, sagt Schlüsselburg. "Das rechtssicher zu machen, wäre nur ein konsequenter Schritt."

CDU will Zoo über Nachtragshaushalt helfen

Bei der Opposition ist die Gefühlslage allerdings etwas anders. "Die Finanzlage des Zoos wird keinen Deut besser, wenn er dem Land Berlin gehört." Zumal der Zoo vor der Pandemie als Unternehmen sehr gut funktioniert habe – so gut, dass der Tierpark mitfinanziert werden konnte, etwa bei zusätzlichen Investitionen unterstützt vom Land Berlin. Vielmehr müsse sich der Senat fragen lassen, warum der Zoo nicht von den Corona-Hilfen profitieren konnte, so Goiny. Tatsächlich bekam der Zoo bisher nur rund 1,7 Millionen Euro aus der November- und Dezemberhilfe. "Weitere Hilfsprogramme konnten aufgrund der Unternehmensgröße im Jahr 2020 nicht in Anspruch genommen werden", so die Finanzverwaltung.

Dass Corona-Rücklagen nicht für den Zoo verwendet werden sollen, leuchtet Goiny nicht ein: Schließlich fehle dem Zoo ja nur durch die Pandemie das Geld für Investitionen. Dass die Koalition im Abgeordnetenhaus dem Senat bei der Verwendung der Rücklagen reingrätscht, bezeichnet Goiny als "gefährliches Kräftemessen auf dem Rücken unseres Zoos". Zudem habe es andere Optionen gegeben. "Es stellt sich doch die Frage, warum der Senat das nicht mit dem neuen Haushaltsentwurf geregelt hat."

CDU und Grüne offen für Aktien-Geschäft

Das Problem nun mit weiteren Wertpapieren zu lösen, sei allerdings durchaus "eine Idee, über die man mal nachdenken könnte", sagt Goiny - vorausgesetzt die Idee sei aktienrechtlich möglich. Grünen-Politiker Wesener stimmt zu, gibt aber zu bedenken, dass dadurch wohl kaum günstigere Ticketpreise in Zoo und Tierpark garantiert werden könnten.

Der Berliner Zoo wollte sich auf Nachfrage des rbb bisher nicht zu dem Vorschlag äußern. Mutmaßungen, dass der Zoo vor der Pleite stehe, weist das Unternehmen vehement zurück. Doch im rbb klang Direktor Knieriem mit seiner Bitte an die Berlinerinnen und Berliner durchaus flehentlich: "Belohnen Sie uns mit häufigen Besuchen."

Sendung: Inforadio, 14.08.2021, 10:10 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

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