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Audio: rbb24-Inforadio | 20.12.2023 | Carl Winterhagen | Quelle: dpa/Alexander Ryumin

Interview | Automatisiertes Fahren

"Der Faktor Mensch ist im Straßenverkehr ein großes Risiko"

Der Trend geht zum automatisierten Fahren. Bis diese Technik auch im Stadtverkehr einsetzbar ist, wird es aber noch etwas dauern, denn sie muss noch viel lernen, sagt Forscher Bernd Schäufele. Zum Beispiel den Umgang mit Zweite-Reihe-Parkern.

rbb|24: Herr Schäufele, gerade der Stadtbereich gilt eher als schwieriges Terrain für automatisierte Technik. Warum ist das so?

Bernd Schäufele: Das hat zum Beispiel mit Zweite-Reihe-Parkern zutun, die man dann extra umfahren muss. Aber auch mit Verkehrsteilnehmern, die vielleicht erst sehr spät erkennbar sind. Dadurch ist der Stadtbereich technisch der Schwierigste.

Automatisiertes Fahren ist aber auch ein sehr vielschichtiges Thema. Es gibt ja bereits Autobahn-Assistenten, die automatisiert fahren können. Auch auf der Landstraße sind wir da nicht mehr so weit entfernt, aber im Stadtverkehr ist das Geschehen so komplex, dass es da noch ein bisschen dauern wird.

Bernd Schäufele

Was ist denn der nächste Durchbruch, den Sie sich dahingehend erhoffen?

Der nächste Durchbruch ist sicher, dass automatisiert fahrende Busse, so wie es sie ja in Berlin schon gab - in Tegel zum Beispiel - nicht mehr mit Sicherheitsfahrern unterwegs sein müssen.

An sich ist der Sicherheitsfahrer ja weniger wegen der wirklichen Sicherheit an Bord, da es Beinahe-Kollisionen so gut wie nicht gibt. Allerdings kommt es immer wieder vor, dass ein Fahrzeug nicht weiterfahren kann, weil zum Beispiel der Fahrweg blockiert ist. Dann braucht es einen Menschen an Bord, der zum Beispiel mit einem Joystick das Hinderniss umfahren kann.

Wann ist es denn so weit mit dem autonomen Fahren im städtischen Verkehr?

Da wird es mehrere Schritte geben. Der erste wird sicher sein, dass es aus der Ferne eine Möglichkeit gibt, das Fahrzeug über teleoperiertes Fahren aus solchen Situationen wieder rauszubekommen. Das ist auch ein Forschungsthema, an dem wir mitarbeiten. Und da wird es demnächst auch auf dem Urban Tech Republic Geländer auf dem Flughafen Tegel einen Testbetrieb geben.

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Was braucht es konkret, damit wir vorankommen – mehr Modellprojekte, mehr Forschungsgeld, bessere Ideen?

Es bedarf auf jeden Fall noch mehr Forschung. Ob diese nun industriegetrieben ist oder auf öffentlichen Projekten basiert, spielt da nicht die ganz große Rolle.

Es ist nun einmal so, dass für das automatisierte Fahren in der Stadt wesentlich mehr Entscheidungen getroffen werden müssen. So ein Autobahnassistent zum Beispiel guckt nur, ob das Fahrzeug auf der Spur bleibt und nicht auf den Vordermann auffährt. Demgegenüber muss man in der Stadt verschiedene Fragen klären, etwa 'wie starte ich ein Überholmanöver?' oder wie 'schere ich ein?', 'wechsle ich die Spur?'. Dafür braucht es aus technischer Sicht längerfristige Planungen. Natürlich kann künstliche Intelligenz hierbei helfen. Dafür werden aber unglaublich viele Trainingsdaten benötigt, denn künstliche Intelligenz basiert immer darauf, dass man dem System bekannte Modelle vorlegt.

Blicken Sie wegen Ihrer Forschung eigentlich anders auf den Straßenverkehr?

Ja. Mir fallen Verkehrssituationen auf, wo ich mir denke: Okay, hier hätte ein automatisiertes Fahrzeug definitiv Probleme gehabt. Klassisches Beispiel ist ein Zweite-Reihe-Parker an einer durchgezogenen Linie oder Sperrfläche. Da würde ein automatisiertes Fahrzeug einfach sagen: 'Ich darf nicht über diese Linie fahren'. Viele Leute, die selbst unterwegs sind, missachten halt diese Regel.

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Was sind denn aus Ihrer Sicht mögliche Einsatzgebiete für das automatisierte Fahren im ÖPNV?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Einerseits sind da die erwähnten Shuttlebusse, andererseits bietet der Schienenverkehr viel Potenzial. Dort ist auch die Komplexität ein bisschen geringer. Zum Teil gibt es das ja bereits automatisierten Fahren im ÖPNV, zum Beispiel in Nürnberg [wiwo.de] (dort gibt es eine U-Bahn, die fahrerlos unterwegs sein kann, Anmerkung der Redaktion).

Könnten automatisierte Fahrzeuge auf Schienen also bald flächendeckend möglich sein?

Der U-Bahn-Betrieb unterscheidet sich sehr vom normalen Bahnbetrieb auf freier Fläche. Es gibt einfach wesentlich mehr Weichenverbindungen und Abzweigungen und die Geschwindigkeiten ist natürlich höher. Ein Zug hat einen Bremsweg von mehreren hundert Metern. Wenn ein automatisierter Zug in der Lage sein soll, ein Hindernis zu erkennen, ist es mit der aktuell verfügbaren Sensorik sehr schwierig, das innerhalb des Bremswegs zu schaffen.

Die Komplexität mit den Weichenverbindungen führt dann auch dazu, dass die Lokalisierung sehr genau sein muss - GPS ist auf ein paar Meter ungenau. In unseren Beispiel könnte das bedeuten, dass ein Zug im Gegengleis verortet sein könnte. In einer kontrollierten Umgebung wie bei einer U-Bahn kann das besser funktionieren, da dann nur eine Linie auf einer Strecke fährt. Im freien Bahnbetrieb ist das noch deutlich schwieriger.

In Berlin gibt es keine fahrerlosen U-Bahnen. Welche Voraussetzungen müssten dafür geschaffen werden?

Dazu gehört einerseits, dass die richtigen Fahrzeuge vorhanden sein müssen. Die ganze Flotte auszutauschen wäre ein großer Kostenpunkt. Zudem braucht es eine andere Signaltechnik.

Und: Es gibt ja weltweit fast keinen Mischbetrieb zwischen automatisierten U-Bahnen und U-Bahnen mit Fahrern. Die Bahnsteige werden also in der Regel umgebaut. Das heißt, es gibt dann zum Beispiel Glastüren, durch die man nur durchgeht, um aufs Gleis zu kommen oder in den Zug einzusteigen. Auch dafür wäre eine große finanzielle Investition nötig.

Vor gefühlt zehn Jahren kam das Thema automatisiertes Fahren auf und man dachte, dass es jetzt nicht mehr lange dauert, bis man mit hinterm Kopf verschränkten Händen hinter dem Steuer sitzt. Hat sich die Entwicklung verlangsamt oder haben wir uns das zu einfach vorgestellt?

Es war schon ein großes Hypethema. Allerdings wurden einige Dinge durchaus umgesetzt. Es gibt ja tatsächlich Autobahn-Assistenten. Beim Stadtverkehr hat man vielleicht eine etwas zu schnelle Weiterentwicklung erwartet. Heute wissen wir: Wir müssen noch ein paar Jahre warten. Ich hoffe, dass das Thema weiter vorankommt. Das Ziel ist klar: Es soll weniger Unfälle gebe, denn der Faktor Mensch ist im Straßenverkehr eben ein großes Risiko.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Carl Winterhagen für rbb24 Inforadio.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.12.2023, 06:09 Uhr

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