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Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 20.03.2024 | M. Lietz | Quelle: dpa

Interview | Strommast-Betreiber

"Wenn jemand mit Sachkunde einen Anschlag verübt, kann man das nicht verhindern"

Anfang März attackierten offenbar Linksextremisten die Stromversorgung von Tesla. Im Gespräch äußert sich erstmals Alexander Montebaur, CEO des betroffenen Energieversorgers e.dis, zu dem Brandanschlag und dessen Konsequenzen.

rbb24: Herr Montebaur, wie haben Sie von dem Anschlag auf den Strommast erfahren und was waren Ihre ersten Gedanken?

Alexander Montebaur: Gegen acht Uhr morgens hatte ich ein Routine-Telefonat mit Mitarbeitern. Und diese waren da schon in heller Aufregung, weil da der Brand an dem Mast schon zwei Stunden bekannt war. Da wurde mir schnell klar, was das für die Versorgung von Erkner, Grünheide und das Tesla-Werk sowie das Logistikzentrum dort bedeutet.

Was der Öffentlichkeit gar nicht so bekannt war, dass insgesamt 83.000 Menschen von dem Stromausfall betroffen waren. Es hat Stunden gedauert, bis wir über Schaltmaßnahmen die Stromversorgung wieder gewährleisten konnten.

Alexander Montebaur | Quelle: dpa

Warum hat das nicht auch für das Logistikzentrum und Tesla geklappt und über eine Woche gedauert?

Die Stadt Erkner ist an ein 110-Kilovolt-Umspannwerk angeschlossen. Diese ist im Zuge dieses Anschlags ausgefallen. Wir konnten innerhalb der Stadt Umschaltmöglichkeiten nutzen, sodass wir die Stadt im Wesentlichen wiederversorgen konnten.

Das gilt nicht für einzelne Großverbraucher. die nicht so angebunden sind, dass man für die großen Leistungen, die sie brauchen, dann noch einen zweiten Leitungsweg zur Reserve hat. Das war weder für das Tesla-Werk noch für das Logistikzentrum in dieser Form möglich.

Brauchen große Fabriken wie Tesla und das Logistikzentrum nicht ein Backup?

Die beiden betroffenen Umspannwerke in Erkner und das neue in Freienbrink, über letzteres wird Tesla versorgt, sind in eine 110-Kilovolt-Doppelfreileitung eingebunden. Sie sind somit über zwei Stromkreise - deswegen doppelt - mit Strom versorgt und für den gesamten Komplex reicht ein einzelner Stromkreis.

Solange nur ein einzelner Stromkreis betroffen ist, gibt es immer noch einen zweiten, der die gesamte Leistung übernehmen kann. Das Konzept ist somit redundant.

Die Doppelleitung, die beiden Stromkreise werden auf ein Mastgestänge geführt. Das ist ein gängiges Versorgungskonzept. Das heißt, nach den gültigen Normen ist ein Verbraucher, der über eine Doppelleitung angeschlossen ist, redundant angeschlossen. Wir sichern also im Allgemeinen den Doppelleitungsausfall nicht ab.

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Es wird spekuliert, dass die Täter Fach- beziehungsweise Insiderwissen hatten. Stimmt das?

Nach allem, was wir sehen, was in dem Bekennerschreiben stand, ist es ganz offensichtlich, dass die Menschen, die dort am Werk waren, genau wussten, was sie getan haben. Da hat nicht einer mal rumgezündelt. Das ist hier ganz offensichtlich ganz gezielt so ausgeführt worden.

Die Frage, woher man so etwas wissen kann, das ist im Grunde kein Insiderwissen. Die Frage lautet, wie die entsprechenden Versorgungsleitungen verlaufen. Das ist in einem Bauantragsverfahren für eine Fabrik festgehalten. Sowohl im Bauantrag als auch im anschließenden Genehmigungsbescheid ist das aufgeführt, wie der Stromanschluss erfolgt.

Und auch wenn wir selber Stromleitungen bauen, gehört die öffentliche Einsichtnahme zur Transparenz, dass das im Grunde jeder nachvollziehen kann. Wenn also jemand mit Fachkunde auf solche Unterlagen schaut, kann derjenige eine Idee bekommen, wo er am wirkungsvollsten zuschlagen kann.

Wie lange haben die Reparaturarbeiten gedauert und was hat das gekostet?

Rund eine Woche und die Kosten, die hier aufgelaufen sind, bewegen sich in der Größenordnung einer Million Euro. Wir sind mit der Reparatur aber noch nicht fertig, das heißt, dass wir das Ganze auch wieder so herstellen müssen, wie es mal war. Wir werden alles aber zusätzlich absichern und das kostet nochmal zusätzliches Geld.

Zudem haben wir den angegriffenen Mast durch Statiker prüfen lassen. Der 20 Meter hohe und 33 Tonnen schwere Mast ist durch den Brand stark beschädigt worden. Der Statiker hat genau ermittelt, welche Teile man auswechseln muss. Mit Auswechseln kann dann die Standsicherheit so wieder hergestellt werden, dass man ihn anschließend auch wieder benutzen kann.

Die Täter sind bislang unbekannt. Wer trägt jetzt die Kosten?

Um das mal zusagen, das wird nicht automatisch auf den Stromkunden umgelegt. Wir haben hier keine Vollkaskoversicherung, die da heißt, der Stromkunde bezahlt alles, sondern wir sind ein Netzbetreiber. Wir haben von der Bundesnetzagentur ein jährliches Budget zugesprochen, mit dem wir auskommen müssen. Da sind auch gewisse Störungseinsätze mit einkalkuliert, aber solche außergewöhnliche. Risiken sind dann am Ende des Tages unser unternehmerisches Risiko.

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Warum war der Mast nicht extra gesichert?

In aller Regel haben wir unsere Strommasten nicht eingezäunt. Wir bauen unsere Anlagen so auf, dass sie für das normale Störungsgeschehen, wie vielleicht ein Bauer mit einem Traktor gegen einen Mast fährt, gut abgesichert sind. Wir haben unsere Anlagen grundsätzlich nicht so ausgelegt, dass sie gegen Terrorakte aller Art in irgendeiner Form sicher wären. Wenn tatsächlich jemand mit Sachkunde einen gezielten Anschlag verübt, mit welcher Absicht auch immer, dann ist es so, dass man, wie man ja ganz offensichtlich sieht, das auch nicht verhindern kann.

Welche Sicherheitsmaßnahmen werden Sie jetzt ergreifen?

Wir werden uns das mit den Sicherheitsbehörden anschauen. Ganz offensichtlich haben wir es hier mit einer besonderen Gefährdungslage zu tun, die offenbar auch noch in die Zukunft reicht. Und in dem Fall werden wir Maßnahmen zum Schutz unserer Objekte ergreifen müssen, die über das hinausgehen, was wir flächendeckend machen können.

Um mal eine Zahl zu nennen: Wir betreiben in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern rund 80.000 Kilometer Leitungen. Das geht zweimal um den Erdball. Da liegt auf der Hand, dass wir das nicht großflächig machen können. Aber an den Punkten, wo wir konkrete auch mit den Behörden abgestimmte Gefährdungslagen haben, müssen wir dann gemeinsam schauen, was man hier optimalerweise tun kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Michael Lietz.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20.03.2024, 15:40 Uhr

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