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Video: rbb24 Abendschau | 02.08.2023 | Studiogespräch Staatssekretär C. Hochgrebe (SPD) | Quelle: dpa/B. Pedersen

Interview | Sprengplatz Grunewald

"So einen Brand wird es nie wieder geben"

Lautes Knallen erschütterte den Grunewald vor einem Jahr. Auf dem Sprengplatz der Polizei brach ein Feuer aus. Die Löscharbeiten dauerten mehrere Tage. Seitdem wurde viel für die Sicherheit getan, sagt die Leiterin der Kriminaltechnik des Berliner LKA.

rbb: Susanne Bauer, fangen wir mal vor einem Jahr an. Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie hörten, dass der Sprengplatz brennt?

Susanne Bauer: Ich kann mich sehr gut an diesen Anruf erinnern. Meine erste Frage war: Ist jemand zu Schaden gekommen? Ist jemand verletzt worden? Ist jemand getötet worden? Als man mir sagte: "Nein", da konnte ich richtig emotional runterfahren. Das habe ich auch richtig noch so in Erinnerung. Ich habe mich dann zu meinem Mann umgedreht und gesagt, ich zieh mich jetzt mal an und dann geht's mal los.

Ein Jahr nach Großbrand

Spranger sieht keine Alternative zu Sprengplatz Grunewald

Vor knapp einem Jahr brannte es auf dem Sprengplatz im Berliner Grunewald. Anschließend gab es eine kritische Debatte um den Standort. Dennoch wird der Platz bleiben, wie die Innensenatorin bekräftigte. Dafür wurden Maßnahmen getroffen.

Sie waren sehr früh am Ort des Geschehens. Haben Sie sich das so vorgestellt?

Als Polizistin bin ich ja schon seit vielen Jahren im Dienst und weiß deshalb: So wie man sich das selber vorstellt, ist es nie. Ich habe vorher gedacht, der Wald brennt lichterloh, aber es war ja so nicht. Es war ein Bodenbrand, der an mehreren Stellen aufgeflackert war, und diese Information musste ich mir erst mal zusammensammeln: Das wollte die Behördenleitung wissen, das wollte die Innensenatorin wissen, das wollte die Regierende Bürgermeisterin wissen. Ich habe, glaube ich, drei Wochen durchgängig 15 Stunden gearbeitet, das ist ordentlich, jetzt sind wir ja ein Jahr weiter, und es ist deutlich besser als im letzten Jahr.

Susanne Bauer vom Berliner LKA steht vor diversen Kampfmitteln. | Quelle: rbb

Ein Teil der auf dem Sprengplatz gelagerten Explosivstoffe ist beim Brand explodiert, ein Teil flog in den Wald. Der ist bis heute weiträumig gesperrt. Haben sie einen Überblick, wie viele Tonnen Munition da im Wald gelandet sind?

Der Wald ist auch kampfmittelbelastet vom Zweiten Weltkrieg, der ist noch nie geräumt worden. Da liegt schon eine ganze Menge. Und der Brand hat dazu geführt, dass sich vor allen Dingen ein Container umgesetzt hat [Anm. der Redaktion: Umsetzen bedeutet bei den Kampfmittelräumern explodieren]. In dem Container befanden sich 4.000 Zwei-Zentimeter-Granaten, die sich auf dem Sprengplatz und eben auch in den Waldgebieten verteilt haben. Wir können nicht genau sagen, was sich komplett umgesetzt hat, also was gar nicht mehr da ist. Deswegen haben wir dazu keine Zahlen.

Zur Person

Susanne Bauer

Was macht diese Granaten so gefährlich?

Die Zwei-Zentimeter-Granaten sind zu zwei Drittel mit normalem Sprengstoff gefüllt. Das ist relativ unproblematisch. Ein Drittel war aber gefüllt mit weißem Phosphor. Weißer Phosphor entzündet sich, wenn er mit Sauerstoff in Berührung kommt, Das heißt, wenn es jetzt irre heiß werden würde, dann dehnen sich diese Hülsen aus und dann kommt Sauerstoff ran – und dann kann der Phosphor sich entzünden und damit dann natürlich auch den Wald.

Auf dem Sprengplatz selbst haben meine Mitarbeiter das Räumen durchgeführt, außerhalb machen das professionelle Kampfmittelräumer, die von der Senatsverwaltung für Umwelt beauftragt wurden. Die sind schon mit über 50 Prozent in diesem gesperrten Bereich durch und haben natürlich genau an der Stelle angefangen, wo der Auswurf von diesen Zwei-Zentimeter-Granaten war, sodass wir davon ausgehen, dass wir zumindest diese gefährlichen Teile aufgesammelt haben.

Was muss passieren, damit sich so ein Brand nicht wiederholen kann?

So einen Brand, wie wir ihn vor einem Jahr hatten, den wird es nie wieder geben. Wir waren sehr fleißig in diesem Jahr. Es ist weiterhin ein gefährlicher Ort, einen Brand wird man vielleicht auch nie ganz verhindern können, aber was haben wir getan? Wir kennen zwar nicht die Ursache, aber wissen, wo es zuerst gebrannt hat. Das war im Bereich der Pyrotechnik, in der Ablage. Diese Ablage gibt es nicht mehr, sie ist abgebrannt, aber die wird auch nicht mehr aufgebaut. Wir lagern jetzt auf dem Sprengplatz Pyrotechnik nur noch in einem dafür vorgesehenen Bunker. Das heißt, da drin kann es brennen, aber das Feuer wird niemals außerhalb dieses Bunkers gelangen.

Das zweite ist, wir haben im Winter jede Woche Notsprengungen durchgeführt. Der Grund dafür war, dass wir praktisch alles, was auf dem Sprengplatz gelegen hat, gesprengt haben. Das heißt, wir haben jetzt nichts mehr oder fast nichts mehr, was auf dem Sprengplatz liegt. Auf dem Sprengplatz selbst kann nichts mehr brennen.

Susanne Bauer zeigt eine Zwei-Zentimeter-Granate | Quelle: rbb

Die Frage ist auch, ob der Sprengplatz im Grunewald richtig angesiedelt ist.

Das wurde ja direkt am ersten Tag wie irre in den Medien diskutiert. Zwei große Gründe gibt es dafür. Zum einen: Die Kampfmittel vom Zweiten Weltkrieg sind noch nicht aufgeräumt. So ungefähr ein Drittel haben wir bisher aus dem Boden rausgeholt, das heißt, zwei Drittel liegen noch. Wir haben pro Tag so zwei bis drei Einsätze, die die Feuerwerker fahren, um ein Kampfmittel abzuholen. Im Jahr sind es rund 40 Tonnen, die wir entschärfen und dann auch vernichten. Wir brauchen irgendwo einen sicheren Ort, wo wir diese Kampfmittel ablegen können. Denn sie sind weiterhin gefährlich und müssen auch vernichtet werden.

Und das Zweite ist: Wir haben circa 700 Straftaten im Jahr, bei denen Beweismittel mit explosiven Stoffen beschlagnahmt werden. Auch die müssen wir irgendwo ablegen. Ein Sprengplatz muss an einem sicheren Ort installiert werden, das heißt, wir brauchen einen Zwei-Kilometer-Radius um den Sprengplatz herum, wo niemand wohnt. In einer Großstadt gibt es nicht so viele Plätze und das haben wir eben genau im Grunewald.

Entschärfungsareal mit wenigen Alternativen

Warum im Berliner Grunewald Munition gesprengt wird

Einst der Not geschuldet - heute kaum zu ersetzen: Der Sprengplatz Grunewald wurde 1950 geschaffen, um unweit der Stadt aber fernab von Besiedlung Bomben sprengen und entschärfen zu können. Die Suche nach Alternativen läuft seit Jahren erfolglos.

Muss das wirklich in Berlin sein? Es wurde diskutiert, ob Brandenburg auch die Berliner Kampfmittel aufnehmen kann.

Also erst mal hat Brandenburg selber genug, die brauchen nicht noch mehr. Und das zweite ist, dass es Kampfmittel gibt, die wir jetzt auch in Teilen noch nach Brandenburg bringen. Aber es gibt Kampfmittel, die man nur so kurz wie möglich transportieren sollte, und deswegen ist ein langer Weg, vor allem durch bevölkerungsreiche Gebiete, einfach wahnsinnig gefährlich. Die kürzeste Strecke muss gewählt werden und da kommt nichts anderes in Frage.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Kerstin Breinig.

Sendung: rbb24, 02.08.2023, 13:00 Uhr

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