Weihnachtskonversationen - Lebenshilfe und Beistand von den Müttern - nicht nur der eigenen!

So 24.12.23 | 08:15 Uhr | Von Wiebke Keuneke
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Archivbild: Eine Frau steht, unscharf zu sehen, im Vordergrund; ihre Tochter steht, mit Enkeltochter auf dem Arm, im Hintergrund, neben einem Weihnachtsbaum. (Quelle: dpa/Mikhrin)
Bild: dpa/Mikhrin

Weihnachten ist das Fest der Liebe und damit auch der Beziehungen. Doch jede Beziehung kommt mit ihrer ganz eigenen Besonderheit daher - die Beziehung zwischen Müttern und Töchtern erst recht. Von Wiebke Keuneke

"Wenn ich an Weihnachten nach Hause komme, mustert meine Mutter zuerst meine Figur: 'Du hast viel zu tun, oder?'", erzählt meine Freundin Julia (41) und ergänzt schnell, dass ihre Mutter das natürlich nur nett meine. Übersetzt heißt es: Du bist aber ganz schön dick geworden.

"Ach Du bist immer noch Vegetarierin, dann nimmst Du halt nur die Bratensoße…." Meine Freundin Anna rollt die Augen, als sie von ihrer Mutter erzählt. Anna isst ist kein Fleisch, seit sie 20 ist, mittlerweile ist sie Anfang 40 und hat zwei Kinder.

Wie wir alle. "Alle" sind in dem Fall meine "Muddi"-Freundinnen. Wir kennen uns seit mittlerweile sieben Jahren - unsere Kinder sind gemeinsam in die Kita gegangen.

Ihn verwöhnen..., die Kinder besser betreuen... - gute Ratschläge von guten Müttern

Unser Stammtisch ist lebenswichtig für uns. Fast wie in "Sex and the City", nur ohne die teuren Schuhe: MB steht bei uns nicht für Manolo Blahnik, sondern im Zweifel für: Mehr Bier!

Ohne unseren Stammtisch wären wir wahlweise unseren Männern, Kindern oder eigenen Müttern schon mal an die Gurgel gegangen. Das ist natürlich übertrieben, aber der Stammtisch als Korrektiv ist nicht zu unterschätzen.

"Vielleicht wäre es besser, Du würdest doch nur Teilzeit arbeiten, so eine Ganztagsschule ist doch nichts für Grundschüler!" Sarah (40) schüttelt resigniert den Kopf, als sie von ihrer Mutter erzählt: "Dabei hatte sie selber ihren eigenen Laden und hat immer gearbeitet. Hat sie das alles vergessen, seit sie Oma ist?" Sarah ist selbst voll berufstätig und hat zwei schulpflichtige Kinder.

"Vergiss nicht, Deinen Mann manchmal zu verwöhnen, Männer brauchen so etwas!" Olga (42) reißt fast die Decke vom Tisch, so gefrustet ist sie von ihrer Mutter, die sich aber selbst "Feministin der ersten Stunde" nennt.

Gute Ratschläge oder Stichelei?

Unser Stammtisch ist lebenswichtig für uns. Fast so reinigend wie mit Salbei zu räuchern. Unser Salbei räuchert allerdings nicht, sondern schwimmt eher in sehr viel Butter mit sehr vielen Ravioli.

Ohne unseren Stammtisch würden wir weiterhin denken, dass alle außer uns selbst das perfekte Verhältnis zu ihren Müttern haben. Dass alle außer uns selbst den wahren Grund hinter den Sticheleien und "guten Ratschlägen" sehen. Dass alle außer uns selbst es schaffen, ihre Mütter einfach nur zu lieben, zu schätzen, zu ehren - ohne jemals genervt zu sein.

Wir "Muddi-Freundinnen" haben alle weder ein total gutes, noch ein total schlechtes Verhältnis zu unseren Müttern. Wir haben häufig ein schlechtes Gewissen, fühlen uns von ihrem Verhalten oft getriggert und fragen uns, warum sich mit "Mama" immer alles so kompliziert anfühlt.

Noch einmal umarmen

Unser Stammtisch ist lebenswichtig für uns. Fast so bereichernd wie das Zusammenkommen der Familie unterm Baum und dem dazugehörigen innerlichen Schmunzeln bis Wüten.

Doch manchmal ist die Abwesenheit von Menschen schlimmer als ihre Anwesenheit. Julias, Sarahs und Olgas Mutter sind in diesem Jahr gestorben. Alle sehr plötzlich.

Die Trauer meiner Freundinnen zerreißt mir das Herz. Was sie dafür geben würden, noch einmal ihre Mütter umarmen zu können, noch einmal mit "Mama" zu reden, noch einmal mit ihr zu diskutieren, ja, auch noch einmal mit ihr zu streiten. All das Ungeklärte klären.

Eine riesengroße Lücke

Der Tod ihrer Mütter hinterlässt eine riesengroße Lücke. Zurzeit stopfen sie diese mit Vorwürfen an sich selbst. Und jetzt an Weihnachten fühlt sich diese Lücke noch unerträglicher an. Und ich kann nichts tun. Außer an diesem Weihnachtsfest besonders dankbar zu sein, dass ich meine Mutter noch habe - und wir uns aneinander abarbeiten können.

Julias, Sarahs und Olgas Mutter sind drei gestorbene Menschen - von Millionen gestorbener Menschen in diesem Jahr. Sie alle hinterlassen Menschen, die trauern. Auch - und gerade an Weihnachten. Unsere Mütter waren lebenswichtig für uns. Noch mehr als der Stammtisch, an dem wir uns über sie beschweren konnten ...

Beitrag von Wiebke Keuneke

14 Kommentare

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  1. 14.

    Ich kann Ihre Situation gut nachfühlen, da ich selbst fast 15 Jahre ohne Kontakt zu meiner Mutter war und auch einmal meine ausgestreckte Hand ignoriert wurde.
    Ein paar Jahre danach hat jedoch meine Mutter angesichts ihres fortgeschrittenen Alters einen Neustart bei Null vorgeschlagen. Das ist uns gelungen und wir haben jetzt ein sehr entspanntes und herzliches Verhältnis auf neuer Basis. Eine "Aufarbeitung" hätte vermutlich nur zum Aufreißen alter Wunden geführt . Ich wünsche Ihnen dasselbe!

  2. 13.

    Ein schöner Artikel, aber ich finde es schade dass solche Gespräche nie ohne „andere Leute wären froh an deiner Stelle zu sein!“ enden können. Man muss nicht dankbar sein, sich noch mit seiner Mutter streiten zu können. Manchmal muss ein Kontakt auch abgebrochen werden.

  3. 12.

    Jemanden die Hand ausstrecken braucht keine lange Email, mit der so manches schon zerredet wird, evtl. Vorwürfe, Forderungen und Verletzungen bei der Empfängerin ankommen, die als solche gar nicht gedacht waren. Ein kurzes 'Du fehlst mir, ich brauche Dich und evtl. eine aktuelle Telefonnummer sagen mehr als 1.000 Worte und kann nicht zu Missverständnissen führen. Ihr Wunsch ist damit klar ausgedrückt.

  4. 11.

    Vielleicht hätte es gereicht, wenn sie ihrer Mutter nur gesagt hätten, dass sie sie vermissen und dass sie traurig darüber sind, dass sie sich so weit voneinander entfernt haben. Versöhnung braucht keine großen Worte und erst recht keine langen Erklärungen. Wer Schuld hatte, ist irgendwann unwichtig.
    Ich hatte heute einen wunderschönen Nachmittag mit meiner dementen Mutter. Sie weiß, dass sie mich kennt, aber nicht, wer ich bin. Sie bewunderte meine Locken und freute sich über mein schönes Kleid. Früher war ich in ihren Augen immer nur die mit den wirren Haaren und den hässlichen Klamotten. Soll ich ihr jetzt vorwerfen, dass sie früher nie so freundlich war wie jetzt? Nein, ich freue mich lieber, mit ihr Weihnachtslieder singen zu können.

  5. 10.

    Dankeschön für die netten Worte.

    Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein schönes Weihnachtsfest.

  6. 9.

    Halleluja, es ist wieder ein journalistischer Artikel, der oft nur an Weihnachten geschrieben wird. „Leben und Tod ihrer Mütter“. Was soll ein tiefenpsychologisches Interview-Gemenge bezwecken? Ist für jeden Leser die Faktenlage der Beweggründe der Mütter und deren Kinder nachvollziehbar? Wichtig ist den Menschen zu zuhören, ohne Belehrung. Was ist dabei manches gefühlt kompliziert? Respekt den Müttern gegenüber während ihrer Lebenszeit aufzubringen, über ihre Lebenserfahrungen nachzudenken, verhindert Gewissensbisse nach ihrem Ableben. Der Journalismus hat sich angewöhnt, eher negative News zu bringen, die nach wenigen Stunden wieder im Hintergrund bleiben. Da beginnt der Teufelskreis der Verdrängung mancher Hilfe für Menschen. Frohe Weihnacht!

  7. 8.

    Leider geht das Leben anders als die Sprüche im Poesiealbum.
    Sie haben den ersten Schritt gemacht, um eine Versöhnung zu erreichen.
    Es kommt nicht darauf an, ob man die Meinung des Anderen respektiert, man muss akzeptieren, dass er eine andere Meinung hat. Das haben Sie erfolgreich erledigt und mehr können Sie nicht.
    Schuldzuweisungen werden nicht helfen und Sie sollten auch nicht auf's Umfallen warten. Dass gute Freunde im Leben oft wichtiger sind als Verwandte, ist nicht nur in Ihrem Leben so. Wir selbst können nur darauf achten, dass wir niemals in diese Schuhe steigen. Alles Gute!

  8. 7.

    Wann und Wo trifft sich der Stammtisch? Ich möchte dabei sein :-)

  9. 6.

    An Weihnachten sollte den Menschen Hoffnung gemacht werden, dass das Leben ohne den Verstorbenen weiter gehen muss und wird. Jeder trauert auf seine Weise, aber die Hoffnung das es einem mal wieder besser gehen wird, die muss da sein. Die Herz zugehenden Geschichten gerade an Weihnachten zieht nur manche Menschen noch tiefer runter die Trauer empfinden. Der Artikel ist meiner Ansicht zu lang und konzentriert sich nur auf die Mütter. Man sollte jedes Einzelschicksal bedauern, ob Mütter, Väter oder Single die am Weihnachten alleine sind. Ich wünsche nicht nur den Müttern, ich wünsche allen Menschen ein gutes und besinnliches Weihnachtsfest. Kopf hoch bei denen, wenn ihr Fest nicht so abläuft wie ersehnt!

  10. 5.

    Seltsame Mütter hatten die.
    Meine war nie so, nicht mal im Ansatz.
    Leider sehr früh verstorben. Von (erstmal Fehl-)Diagnose bis Tod 3 Monate.

  11. 4.

    Ich habe meiner Mutter vor wenigen Tagen in einer Mail die Hand ausgestreckt. Einen ernsthaften Neustart versucht.
    Lange Mail geschrieben... alles mögliche beleuchtet und darauf verwiesen, dass eine offene Kommunikation wahnsinnig wichtig ist. Auch aus therapeutischer Sicht.

    Sie hat wiederum auf die ausgestreckte Hand gespuckt (natürlich alles im übertragenen Sinne).

    Somit ist klar, dass das unsere letzte Kommunikation war, bevor einer von uns beiden umfällt.

    Menschen können so borniert sein....

  12. 3.

    Es ist das 3. Weihnachten ohne meine Eltern. Sie fehlen immernoch, auch die Nörgrlei meiner Mutter.

  13. 2.

    Ach könnte das meine Tochter lesen,ich schwöre ich stichle nie wieder !

  14. 1.

    Auch ich habe von unserer Mutter Abschied nehmen müssen.
    An bestimmten Tagen fehlt sie als Mutter/Oma und Uroma.
    Wir werden heute Abend an Sie besonders denken und hoffen dass sie in Erinnerung bleibt

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