Essensausgaben für Bedürftige - Tafeln befürchten dramatischen Anstieg der sozialen Not

So 26.04.20 | 13:36 Uhr
19.03.2020, Berlin: Freiwillige Helfer von «Laib und Seele», eine Aktion der Berliner Tafel, sortieren Essenspakete für Bedürftige in der Passionskirche. (Quelle: dpa/Sommer)
Bild: dpa/Sommer

Die Tafeln in Deutschland warnen vor einem dramatischen Anstieg der sozialen Not durch die Corona-Krise. Aufgrund von Jobverlusten und Kurzarbeit seien schon jetzt Tausende zusätzliche Menschen auf die Versorgung mit Lebensmitteln angewiesen, mit einer weiteren Zunahme sei zu rechnen, sagte der Verbandsvorsitzende Jochen Brühl dem Evangelischen Pressedienst (EPD). "Menschen, die ohnehin schon von Armut betroffen sind, erleben diese Krise noch viel drastischer", betonte er. "Corona in einer Fünf-Zimmer-Wohnung am Prenzlauer Berg ist schon schwierig, aber in Duisburg oder im Essener Norden auf 50 Quadratmetern alleinerziehend mit zwei Kindern - da wird noch einmal deutlich, welche Unterschiede es gibt."

Lieferdienst in Potsdam, Lebensmittel-Körbe in Berlin

Für die bundesweit mehr als 940 Tafeln mit insgesamt 1,6 Millionen Nutzern seien die Maßnahmen zur Kontaktreduzierung eine große Herausforderung, sagte Brühl. Denn hier kämen viele Menschen auf teils engem Raum zusammen, zudem gehörten rund 90 Prozent der insgesamt 60.000 ehrenamtlichen Helfer aufgrund ihres Alters oder von Vorerkrankungen zur Risikogruppe. Zwischenzeitlich seien deshalb etwa 450 Einrichtungen geschlossen gewesen. Durch eine Umstellung ihrer Arbeit konnten inzwischen aber mehr als Hundert Tafeln vor allem in größeren Städten wieder öffnen.

Die Tafeln von Kiel bis München organisierten der EPD-Umfrage zufolge ihren Betrieb um. In Potsdam stellte die Betreiber auf Lieferdienst um, andere Städte haben ähnliche Konzepte. In Frankfurt am Main oder München gibt es statt verschiedener Tafel-Läden eine zentrale Ausgabe mit festen Abholzeiten.

Die Tafeln in Berlin packen dagegen die Lebensmittel-Taschen oder -Körbe vor, um sie dann auszugeben oder auszuliefern. Ähnlich wie Berlin praktizieren solch ein System auch die Tafeln in Hamburg, Bremen, Osnabrück, Karlsruhe und Nürnberg. Überall arbeiten die Helferinnen und Helfer mit Mundschutz und Handschuhen, in geöffneten Ausgabestellen wird der Zugang begrenzt.

Große Herausforderungen auch nach Ende der Beschränkungen

Etliche Einrichtungen verzeichneten bereits eine Zunahme der Nachfrage nach Unterstützung. In Städten wie Berlin oder Dresden wird mit einem weiteren Anstieg des Bedarfs gerecht.

Brühl warnte ebenfalls, dass die Einrichtungen auch nach einem Ende der Kontaktbeschränkungen weiter vor großen Problemen stehen würden. Etliche ältere Helfer würden vermutlich nicht mehr zu ihrem Ehrenamt zurückkehren, und vielen Jüngeren, die nun eingesprungen seien, werde dann wohl die Zeit fehlen. Zudem sei mit einem Rückgang sowohl der Lebensmittelspenden von Supermärkten als auch der Geldspenden von Unternehmen zu rechnen. "Ohne finanzielle Unterstützung des Staates werden die Tafeln mittelfristig Schwierigkeiten bekommen, ihre Aufgaben zu bewältigen", sagte Brühl.

Sendung: Radioeins, 26.042020, 10.30 Uhr

Was Sie jetzt wissen müssen

Kommentar

Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.

Kommentar verfassen
*Pflichtfelder

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren