Der rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 4. Tür: Geld in Bewegung - Berlins Dagobert lässt sich die Scheine liefern
Nobelpreise werden vergeben an Denker, die etwa die Logiken hinter Geldbewegungen erklären. Dagobert ließ die Scheine fahren, ließ sie fallen und beauftragte andere, sie zu verstecken. Er passte schön auf, dass seine Sprengsätze nur ein bisschen knallten. Ein närrischer Räuber - hochmobil.
24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.
Kriminalität ist eine üble Sache - Geld klauen sowieso. Beides ist klar zu verurteilen. Aber wenn dann jemand von jenen Geld verlangt, die viel haben, dann kommt man schon ins Grübeln, auf wessen Seite man steht. Und ehrlich: Nur, weil man da nun ein bisschen grübelt, ist man jetzt nicht gleich Marxist.
Wir gehen zurück: Anfang der 90er - die große Zeit von Dagobert. Viele Berliner waren damals verunsichert, wem sie da die Daumen drücken sollten. Mit Dagobert ist der Westberliner Dagobert gemeint, der von Zeitungen den Vornamen "Kaufhauserpresser" bekam. Kaufhauserpresser Dagobert war unbewaffnet und brauchte Geld. Darum schrieb er fordernde Erpressernachrichten an Kaufhäuser.
Auf der Suche nach einem Spezialgebiet
Dagobert, wie später rauskam, hatte nicht so viel Glück im Berufsleben. Auch von seinen künstlerischen Fähigkeiten konnte er nur ein sehr kleines Publikum überzeugen. Er war Schildermaler und arbeitete in einer Lackiererei. Er war noch auf der Suche nach seinem Spezialgebiet. Später kam raus, dass der Lack bei ihm Schäden hinterlassen hatte. Auch habe er Depressionen gehabt, hieß es. Seinen unfreiwilligen Geldgebern schrieb Dagobert von diesen Depressionen nichts. Er war ein unverwundbarer Rächer.
Ein Erpresser - aber nicht so richtig böse
Dagobert "narrte die Polizei", "Erpresser Dagobert führte die Polizei an der Nase herum", und Dagobert veranstaltete auch "ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei" - die Schlagzeilen und Formulierungen der Zeitungen von damals belegen: Auch sie sahen das Ganze als eine Art Spiel, ein Kräftemessen bei dem klar war, dass sie eher Dagobert triumphieren sahen als die Polizei.
Es begann 1992 in Hamburg. Der damalige Umsatzgigant Karstadt sollte einem Erpresser zu erkennen geben, dass er zahlungswillig sei und dass er damit unbedingt verhindern will, dass der Erpresser in den Kaufhäusern Bomben zündet. "Onkel Dagobert grüßt seine Neffen", setzte der Konzern folgsam in den Text einer Anzeige. Es war der Start einer Robin-Hood-Geschichte: der böse Apparat wurde von einem neuen Helden gedemütigt durch die überlegene Finesse der Übergabe.
Zwei Jahre - und viele Pannen
Dagoberts Spiel entwickelte eine ordentliche Dramatik und dauerte zwei Jahre. Zwei Jahre - das ist etwa die Zeitspanne, in der sich heutzutage erfolgreiche Podcasts etablieren oder in der Sequels ihre Markt- und damit Fortsetzungsfähigkeit beweisen müssen. Dagobert hatte schon damals erkannt: Wer an illegale Finanzen kommen will, muss das Geld in Bewegung setzen. Die Polizei sollte einfach den Anschluss verlieren.
Der Polizist verliert seinen Hut und Dagobert ist weg
Dagoberts Plan war es, die Schwäche der Erpressungsroutine zu beseitigen: Das Geld musste von den Erpressten in eine Art Labyrinth gegeben werden, und am Ende stand die Polizei vor einer Mauer und der Koffer war weg. Bei seinen ersten Versuchen ließ Dagobert die Scheine von der Polizei aus einem Zugfenster werfen. Dieses Prinzip "Geld in Bewegung" perfektionierte er immer mehr: Das Geld wurde in einem Zug in einer Vorrichtung abgelegt, die Dagobert dann in Bewegung setzte, es gab die Streusandkiste über einem Gullydeckel, den flüchtenden Dagobert auf dem Fahrrad, es gab entgleisende Minizüge und ausrutschende Polizisten: Dagobert war Egon Olsen, seine Pläne mächtig gewaltig, aber am Ende eben hatte er meist nicht die geforderte Summe, irgendwas ging schief und ganz am Schluss fuhr er dann doch ein.
Die Republik allerdings lachte. Schließlich war es bei jenen Diesmal-kriegen-wir-ihn-Versuchen immer so, dass den Polizisten beim Losrennen die Melone vom Kopf flog, sie stolperten und in der Pfütze landeten.
Vielleicht beim nächsten Mal
Dagoberts Geschichte endete mit der Verhaftung in einer Telefonzelle. Er wird enttarnt und sein reichlich deutscher Name bekannt: Arno Funke. War ja klar: Vorne zwei Silben, hinten zwei Silben - E-gon Ol-sen. Ziemlich viele wogen beim Zeitunglesen damals leicht den Kopf: 'Schade eigentlich!' Und zumindest für eine Weile dachten manche Berliner beim Vorbeifahren am KaDeWe, ob der Kaufhauschef vielleicht doch gerade wieder Post von Dagobert hat. Schließlich sah man dem KaDeWe ja auch an, dass da was zu holen ist - und wenn, dann natürlich durch... Arno. Vielleicht beim nächsten Mal.