Suche nach Interims-Intendant
Wer soll den rbb aus der Krise führen? Rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Senders fordern in einer Resolution mehr Mitsprache bei der Suche nach neuem Spitzenpersonal. Zugleich müsse die Aufarbeitung der Missstände vorangetrieben werden.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rbb fordern, bei der Aufklärung aller im Raum stehenden Vorwürfe sowie bei der Neuaufstellung der Geschäftsleitung die Beschäftigten jetzt konsequent einzubinden. Das ist der Inhalt einer Resolution, die auf einer "Belegschaftsversammlung von unten" mit rund 500 Teilnehmern am Dienstagabend verfasst wurde.
Die Versammlung war von der Vertretung der freien Mitarbeiter im rbb, dem Personalrat, dem Redaktionsausschuss, der Frauenvertretung und der Schwerbehindertenvertretung organisiert worden. Der rbb hat rund 3.500 Mitarbeiter, darunter rund 1.500 freie Mitarbeiter.
Der Rundfunkrat müsse unverzüglich eine vertrauenswürdige Interims-Geschäftsleitung einsetzen, heißt es weiter. In diesen transparenten Findungsprozess müsse die Belegschaft, also feste und freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, einbezogen werden. "Hinterzimmer-Kungeleien und alte Seilschaften können wir uns nicht erlauben", heißt es in der Resolution wörtlich. Dies gelte auch für die Ausschreibung bei der regulären Besetzung der nächsten Geschäftsleitung.
Die Bewerberinnen und Bewerber müssten vor ihrer Wahl ihre Qualifikation nicht nur vor der Belegschaft präsentieren, sondern auch vor den Augen der rbb-Nutzerinnen und -Nutzer in Berlin und Brandenburg bestehen, so die Forderung.
Darüberhinaus ist die Belegschaftsversammlung zu dem Schluss gekommen, dass sich die unverhältnismäßig starke Stellung der Intendantin oder des Intendanten bei zugleich schwacher ehrenamtlicher Kontrolle überlebt habe. Allein der Austausch des Spitzenpersonals werde nicht reichen. Es brauche jetzt wirksame Compliance-Regeln und einen zeitgemäßen rbb-Staatsvertrag. Die Mitspracherechte der Beschäftigten bei der Besetzung von Führungspositionen bis hin zur Intendanz müssten gesetzlich verankert werden. Nur so könnten die Führungskräfte auch das Vertrauen der Belegschaft gewinnen. "Statt durch Boni versüßte Gefolgschaft müssen transparentes Handeln, Kritikfähigkeit und Zivilcourage die entscheidenden Karrierefaktoren sein", heißt es in der Resolution.
Auch die Aufsichtsgremien müssten gestärkt und auch hier Beschäftigte und ihre internen Kenntnisse systematisch eingebunden werden. Insbesondere die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (inzwischen knapp die Hälfte der Belegschaft und der allergrößte Teil der Journalistinnen und Journalisten) müssten zukünftig durch den Personalrat vertreten und auch in die Aufsichtsgremien eingebunden werden, geregelt durch den Staatsvertrag.
In der Resolution kündigen die rbb-Beschäftigten ferner an, eine Aufklärungs- und Zukunftskommission zu bilden. Dafür würden in den nächsten Tagen Personen aus der Belegschaft und von außen benannt. Sie sollen unabhängig und im Auftrag aller rbb-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter die Missstände aufklären und an die Belegschaft berichten. Außerdem soll sie Empfehlungen geben, wie das Vertrauen zwischen Belegschaft und Führungskräften gestärkt werden kann und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um vergleichbare Vorgänge in Zukunft zu verhindern.
Der rbb müsse sich intern neu aufstellen, mit flachen Hierarchien und einem offenen Ohr für die Wünsche des rbb-Publikums. Ein gutes und vertrauenswürdiges Programm sei eine Daueraufgabe, die nicht an eine Geschäftsleitung delegiert werden könne.
Die Resolution schließt mit den Worten: "Die Glaubwürdigkeit des rbb werden wir nur wieder herstellen können, wenn unsere Arbeit überzeugend ist und wenn wir von unserer Arbeit überzeugt sind."
30 Mitglieder
entsandte Vertreter:innen diverser gesellschaftlicher Gruppen und Verbände
Acht Posten werden durch Politik besetzt (Wahl durch Fraktionen in Landtag und Abgeordnetenhaus, Kandidat:innen müssen keine Parlamentarier:innen sein)
Sitzungen sind öffentlich, mit Ausnahmen (Entscheidungen zu einzelnen Personen)
Amtsdauer: 4 Jahre
monatliche Aufwandsentschädigung: 400 Euro (Vorsitzende: 700, Stellvertreter 500 Euro)
Sitzungsgeld: 75 Euro
Überwacht Einhaltung des Staatsvertrages, darf aber einzelne Angebote vor der Ausstrahung weder kontrollieren noch beeinflussen
Prüft Angebote auf Einhaltung des Drei-Stufen-Tests nach dem Medienstaatsvertrag
Erlässt Richtlinien für neue Angebote des rbb
Wählt die Mitglieder des Verwaltungsrates und kann sie auch abberufen
Entscheidet in der Regel mit einfacher Mehrheit, bei Personalentscheidungen mit Zwei-Drittel-Mehrheit
Segnet Finanzordnung ab und muss bei Geschäften des rbb ab 250.000 Euro zustimmen
Wählt Intendant:in und Direktor:innen (auf Vorschlag Intendanz) - und kann sie auch abberufen
Intendant:in kann Sondersitzung beantragen und muss zu Sitzungen eingeladen werden
Personalrat des rbb darf zwei Vertreter:innen zu Sitzungen schicken
Acht Mitglieder, darunter Vertreter:in des Personalrates
Wird vom Rundfunkrat gewählt
Sitzungen sind nichtöffentlich
Amtszeit: 4 Jahre
Kontrolliert Geschäfte der Intendanz und der rbb-Tochterunternehmen
Schließt Dienstvertrag mit Intendant oder Intendantin ab
Vertritt den rbb juristisch gegenüber Intendanz bei Rechtsstreit
Prüft Wirtschaftsplan, Jahresabschluss und Geschäftsbericht
Erlässt Finanzordnung
Wickelt Grundstücksgeschäfte ab
Schließt Tarifverträge ab
prüfen die Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie die Rechnungslegung des rbb
leiten Erkenntnisse an Landesregierungen beider Länder weiter
können ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen mit der Prüfung zu Lasten des Rundfunks Berlin-Brandenburg beauftragen
Müssen vom rbb über wirtschaftliche und finanzielle Lage informiert werden, inkluisve Geschäften der Tochter- und Beteiligungsgesellschaften
Müssen alle vier Jahre über Veränderungen und Entwicklungsperspektiven des rbb informiert werden
Wer Kritik am Programm des rbb üben will, kann das in Form einer Programmbeschwerde tun. Damit rügt man die Verletzung von Programmgrundsätzen des rbb [mehr hier].
Über Programmbeschwerden entscheidet der Intendant oder die Intendantin innerhalb eines Monats schriftlich. Ist der Beschwerdeführer oder die Beschwerdeführerin mit der Antwort nicht einverstanden, kann er oder sie sich an den Rundfunkrat wenden. Der entscheidet schließlich endgültig, ob die Beschwerde begründet ist.
Sendung: Inforadio, 24.08.2022, 7:00 Uhr
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