Zu schlechte Luft - Feinstaub-Grenzwert in Berlin überschritten

Mo 26.11.18 | 11:43 Uhr
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Zahlreiche Autos passieren die Kreuzung an der Silbersteinstraße und Hermannstraße. (Quelle: dpa/Kay Nietfeld)
Audio: rbb | 26.11.2018 | Anke Michel | Bild: dpa

Die Feinstaub-Belastung in der Neuköllner Silbersteinstraße übertrifft den gesetzlichen Jahresgrenzwert. Am Samstag lag die Tagesbelastung zum 36. Mal in diesem Jahr über 50 Mikrogramm. Nun muss Berlin beim neuen Luftreinhalteplan reagieren.

Berlin kann auch Feinstaub: Die Neuköllner Silbersteinstraße hat am Wochenende als erste Messstelle deutschlandweit den Feinstaub-Jahresgrenzwert im Jahr 2018 überschritten. An mehr als 35 Tagen lag die durchschnittliche Tagesbelastung über 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft.

Diese Menge Feinstaub in der Luft gilt als Tagesgrenzwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit. Pro Jahr darf der Grenzwert nicht öfter als 35 Mal überschritten werden. Zuletzt war die Feinstaub-Belastung in Berlin im Jahr 2015 in der Frankfurter Allee über dem Grenzwert.

Neben der Silbersteinstraße ist die Belastung aber auch an der Frankfurter Allee in Berlin-Friedrichshain sowie in der Neuköllner Karl-Marx-Straße bedenklich hoch. Die Messstellen belegen deutschlandweit die ersten drei Plätze mit der höchsten Belastung 2018. Unter den zehn am stärksten belasteten Orten liegt auch die Neuendorfer Straße in Brandenburg an der Havel mit bisher 22 Tagen über 50 Mikrogramm. Das zeigen vorläufige Zahlen der landeseigenen Messstellen, die das Umweltbundesamt [externer Link] veröffentlicht hat.  

Schuld ist der Ostwind und das trockene Wetter

Die Schuldigen der Feinstaubmisere sind schnell ausgemacht: das Wetter und die östlichen Nachbarländer. "Bei Inversionswetterlagen ist der Luftaustausch stark eingeschränkt", sagte Ute Dauert, beim Umweltbundesamt verantwortlich für die Beurteilung der Luftqualität, bereits im Oktober zu rbb|24. "Das funktioniert dann wie unter einer Glocke, wo unten immer mehr Schadstoffe reinkommen, die nicht weggeweht werden können." Wenn es an grauen Berliner November Tagen ständig bewölkt ist, steht die Berliner Luft und reichert sich immer mehr mit Feinstaub aus dem Verkehr und Heizung an.

Auch Axel Friedrich, der Luftschadstoffexperte und Berater der Organisation Deutsche Umwelthilfe, pflichtet bei: "Das war ein meteorologischer Zufall. Wir hatten 2018 wenig Wind und viele Inversionswetterlagen." Besonders aus den östlichen Nachbarländern Tschechien und Polen weht schmutzige Luft in die Region.

Dass die Feinstaub-Belastung stark vom Wetter abhängt, zeigt auch der Blick auf die Verteilung der Tage mit hoher Belastung über 50 Mikrogramm (siehe Grafik oben). Neben einer Belastungsperiode im Februar und März, waren die Werte vor allem im Oktober und November zu hoch. Wenn es im Winter kalt ist, erhöht das Heizen mit Kohle und Holz die Belastung enorm.  

Infografik Prozentualer Anteil der Messstationen über dem Feinstaub-Grenzwert von 2005 bis 2017 (Quelle: Umweltbundesamt)
| Bild: Umweltbundesamt

Gegen den Trend

Die hohe Belastung mit Feinstaub in Berlin läuft klar gegen den Trend. In den vergangenen Jahren lagen in ganz Deutschland kontinuierlich immer weniger Messstellen über dem Grenzwert, wie die obenstehende Grafik des Umweltbundesamtes zeigt. Die Hauptgründe dieses Erfolges liegen in der Einführung von städtischen Umweltzonen sowie die fast flächendeckende Ausstattung von Diesel-Fahrzeugen mit Partikelfiltern. Im Jahr 2017 lag nur eine einzige Messstelle über dem Grenzwert: Stuttgart Neckartor.

Nun löst die Silbersteinstraße die Messstelle Am Neckartor in Stuttgart als größten Feinstaub-Moloch ab. Stuttgart liegt in einem Talkessel und verzeichnet sehr viele einpendelnde Autofahrer. Bei sogenannten Inversionswetterlagen im Winter, wenn obere Luftschichten wärmer sind als untere, gibt es kaum eine Durchmischung der Luft. Dann ruft die Stadt regelmäßig Feinstaubalarm aus [externer Link]. Die Tickets für Bus und Bahn sind dann günstiger und wer über eine andere Art der Heizung verfügt, darf keinen Kamin beheizen.

Keine Konsequenzen

Unmittelbare Konsequenzen hat das Überschreiten des Feinstaub-Grenzwertes nicht. Berlin muss nun - was das Land sowieso auf Grund des Stickoxid-Problems tut - seinen Luftreinhalteplan überarbeiten und die Europäische Kommission könnte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten.

Hintergrund

  • Wie entsteht Feinstaub?

  • Wie groß ist Feinstaub?

  • Was tut Berlin gegen die Feinstaub-Belastung?

  • Wo kann ich aktuell die Feinstaub-Belastung einsehen?

Sendung: rbb24, 26.11.2018, 13 Uhr

22 Kommentare

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  1. 22.

    Fühle mich ganz und gar nicht angesprochen. Meine 5000km Arbeitsweg jedes Jahr lege ich fast ausschließlich mit dem Fahrrad zurück. Mein Kommentar bezog sich eher auf folgendes: "Das war ein meteorologischer Zufall. Wir hatten 2018 wenig Wind und viele Inversionswetterlagen." Besonders aus den östlichen Nachbarländern Tschechien und Polen weht schmutzige Luft in die Region."
    Dagegen hilft dann wohl auch kein neuer Luftreinhalteplan.

  2. 21.

    ...damit der Berliner weitermachen kann wie bisher? Oh man. Schuld sind immer die Anderen und die eigene Komfortzone darf um keinen Millimeter verlassen werden. Was soll's. Unsere Kinder und Enkel werden sich bei uns bedanken. Bis dahin miefen wir weiter in unseren Töff-Töffs vor uns hin und stehen meckernd im Stau...

  3. 20.

    na denn mal ab nach Polen und die Kraftwerke zumachen. Freuen die sich bestimmt riesig drübber.

  4. 18.

    Polen ist Schuld, Russland sowieso und das Wetter erst recht.

  5. 17.

    Das ist ja DIE Silbersteinstraße, wo seit Jahren 30 gilt? Platz Nummer 1. Wo ist dann die Logik beim Einführen der neuen Tempo-30-Straßen?

  6. 16.

    Bitte jetzt nicht beim Kommentieren die Belastung durch Feinstaub und die durch Stickoxid zusammenschmeissen. Das sind zwei unterschiedliche Sachen, Das Stickoxydproblem ist dauerhaft, die Feinstaubsache temporär und stark vom Wetter abhängig.

  7. 15.

    Ob Feinstaub oder nicht , als ich heute Nachmittag um 15:30 Uhr U Rathaus Neukölln ausfestiegen bin , hab ich kaum Luft bekommen. Habe überlegt ob ich mein Asthma Spray benutze. Ultra schlechte Luft gibt es am Rathaus Neukölln jeden Winter. Interessiert sas jemanden ? Wahrscheinlich nicht.

  8. 14.

    Es geht nicht nur um Tempo 30. Wir müssen umdenken. Das Auto so oft stehen lassen wie möglich. Es ist nicht zu fassen, was manische Autofahrer alles ignorieren und verweigern, um sich bloß nicht den Realitäten stellen zu müssen. Ey Leute, die Stadt erstickt. Es stinkt zum Himmel und der Höllenlärm macht uns alle kaputt. Was muss denn bloß noch passieren, bis alle unter dem Stein vorkrabbeln und kapieren, dass es so nicht weitergehen kann?

  9. 13.

    Zitat aus der Berliner Zeitung vom 11.10.2017:

    "Erst wenn dieser Vergleichstest eine Verbesserung der Luftqualität ergebe, werde Tempo 30 auf den genannten Strecken eingeführt, versicherte die Senatorin. Sie geht davon aus, dass die Luft besser wird, dies hätten die Temporeduzierungen auf der SILBERSTEINSTRASSE in Neukölln, der Schildhornstraße in Steglitz und der Beusselstraße in Moabit gezeigt."

    Nunmehr zeigt sich aber offensichtlich das Gegenteil!

    Natürlich wird die Senatorin nun die offensichtlich völlig nutzlose Beschränkung auf Tempo 30 zurücknehmen, oder?

  10. 12.

    Nicht so schlimm. Statt sich mit der Auto-Lobby anzulegen, erhöht die Bundesregierung die Grenzwerte und verhindert in Brüssel eine weitere Verschärfung dieser.

  11. 11.

    Das Beste daran: Die Meßwerte würden sich kaum ändern. Und die Steuereinnahmen werden natürlich ausschließlich auf die Stadtrandgebiete verteilt.

  12. 10.

    Hallo, ich bin der Autor des Beitrags. Ich kann die Frage leider im Detail nicht beantworten. Ein technischer Defekt der Anlage ist mir nicht bekannt.
    Wenn Sie sich die Messdaten in der Frankfurter Allee im April anschauen, sehen Sie, dass dreimal der Wert knapp unter 50 Mikrogramm lag: einmal bei 49 und zweimal bei 47. Ich vermute hier liegt die Erklärung: Der Wert war zwar hoch aber eben knapp unter dem für den Grenzwert relevanten Bereich. Man sollte auch im Hinterkopf behalten: Grenzwerte sind immer arbiträr und politisch gesetzt. Bei 51 Mikrogramm ist genauso nicht alles schlecht, wie bei 49 Mikrogramm alles gut ist.

    Hier die Daten zur Messstelle: https://luftdaten.berlin.de/station/mc174?period=24h×pan=custom&start%5Bdate%5D=1.4.2018&end%5Bdate%5D=30.04.2018

  13. 9.

    „Wir hatten 2018 wenig Wind und viele Inversionswetterlagen." Besonders aus den östlichen Nachbarländern Tschechien und Polen weht schmutzige Luft in die Region.“ —> Irgendwie sehr widersprüchlich! Trotz wenig Wind, weht aus den östlichen Nachbarländern (verdreckte) Luft in die Region???

  14. 8.

    Im Freien beträgt der Feinstaub-Grenzwert in Deutschland 40 bzw. 50 Mikrogramm/m³, am Arbeitsplatz 950 und in der Schweiz 6000 Mikrogramm/m³ (kein Kommafehler). Es mag jeder selbst entscheiden, was er davon halten möchte. Wären 50 Mikrogramm/m³ in irgendeiner Weise schädlich, wären Raucher regelmäßig nach wenigen Monaten tot. Eine Zigarette produziert so viel Feinstaub, wie ein 1,5 Stunden laufender Dieselmotor.

  15. 7.

    Silbersteinstrasse und Umgebung SOFORT für den Autoverkehr sperren
    und Grünflächen mit Fahrradwegen anlegen----

  16. 6.

    Es gibt leider keine ausreichende Datenbasis für die eindeutige Zuordnung von Kausal-Zusammenhängen. Kein Schein weiß wieviel Verkehr in welchem Mix und mit welcher Motorbelastung da durch gefahren ist, geschweige denn wieviel Feinstaub schon vorher da war und nur wieder aufgewirbelt wurde.

    Vielleicht lässt Stuttgart jetzt auch einfach täglich eine Straßenreinigung durchfahren, deren Wasser viel vorhandenen Staub bindet. Wie viel haben die Waldbrände beigetragen? Das konnte man ja schon riechen. In San Francisco lag der AQI auf über 200 vor einer Woche, das hatte aber mit Straßenverkehr nichts zu tun.
    Siehe auch: https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2018/08/waldbraende-in-brandenburg-seit-1975.html

    Ich finde es wirklich schwer, auf der vorhandenen Datenbasis die echten Ursachen zu kennen und darauf zu reagieren.

  17. 5.

    @rbb: Gibt es einen Grund warum die Messtation Frankfurter Alle im April, anders als die beiden anderen Messtationen, keine Überschreitung gemessen hat? Lokal bessere Luft oder technischer Defekt der Anlage?

  18. 4.

    Doch. Ich würde AUSNAHMSLOS alle Fahrzeuge aus der Stadt verbannen. Dann haben die Leute Vorort endlich ihre Ruhe.
    Zum Einkaufen geht's dann halt an den Stadtrand. Was macht man aber nicht alles für frische Luft. ;)

  19. 3.

    Wollen Sie alles zu Fuß erledigen oder noch besser mit einer Pferdekutsche.?

  20. 2.

    Ööhm, die östlichen Nachbarländer mit ihren Emissionen sind die Verursacher - und Deutschland muss mit einem Vertragsverletzungsverfahren rechnen? Was soll denn bitte ein geänderter Luftreinhalteplan an dieser Lage ändern?

  21. 1.

    Oh, wunderbar! Die Nachbarn und das Wetter sind Schuld. Dann müssen wir am Verkehr in Berlin ja nichts ändern. Ausgezeichnet.

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