rbb|24-Datenauswertung - Neukölln ist neuer Feinstaub-Hotspot Deutschlands

Fr 26.10.18 | 06:00 Uhr | Von Dominik Wurnig
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Eine Feinstaub Messstation steht an einer Strasse in Berlin Neukoelln, Silbersteinstrasse. (Quelle: imago/Trutschel)
Video: Abendschau | 26.10.2018 | Frank Drescher | Bild: imago/Trutschel

Die Silbersteinstraße in Neukölln hat deutschlandweit die höchste Belastung mit Feinstaub. Damit löst Berlin im Jahr 2018 wohl Stuttgart als Feinstaub-Hotspot ab. Das zeigt eine exklusive rbb-Auswertung der Messungen seit Jahresbeginn. Von Dominik Wurnig

Während sich in Berlin zuletzt alles auf Diesel, Stickoxide und Fahrverbote konzentrierte, kehrt still und heimlich ein altes Problem zurück: Feinstaub. Nach drei Jahren Pause droht Berlin 2018 wieder den Feinstaub-Grenzwert zu überschreiten.

An der Neuköllner Silbersteinstraße wurde seit Jahresanfang bereits an 32 Tagen eine Feinstaubkonzentration von mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen. Diese Menge Feinstaub in der Luft gilt als Tagesgrenzwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit. Pro Jahr darf der Grenzwert nicht öfter als 35 Mal überschritten werden. Zuletzt gab es in Berlin vor drei Jahren 36 Überschreitungstage an der Messstation Frankfurter Allee.

Berlin löst Stuttgart ab

Deutschlandweit galt bisher die Messstelle Am Neckartor in Stuttgart als größter Feinstaub-Moloch. Stuttgart liegt in einem Talkessel und verzeichnet sehr viele einpendelnde Autofahrer. Bei sogenannten Inversionswetterlagen im Winter, wenn obere Luftschichten wärmer sind als untere, gibt es kaum eine Durchmischung der Luft. Dann ruft die Stadt regelmäßig Feinstaubalarm aus. [stuttgart.de/feinstaubalarm]. Die Tickets für Bus und Bahn sind dann günstiger und wer über eine andere Art der Heizung verfügt, darf keinen Kamin beheizen.

Aber 2018 hat Berlin die Nase vorne. Die drei Messstellen mit den schlechtesten Feinstaub-Werten liegen alle in Berlin (siehe Grafik oberhalb). Aber auch Brandenburg taucht in der Statistik negativ auf: In der Neuendorfer Straße in Brandenburg an der Havel wurde 2018 bereits an 21 Tagen eine Feinstaubbelastung über 50 Mikrogramm gemessen, in Cottbus an elf Tagen.

Es kommt aufs Wetter an

Die Schuldigen der Feinstaubmisere sind schnell ausgemacht: das Wetter und die östlichen Nachbarländer. "Die ausgeprägten Hochdruckwetterlagen im Februar/März und Oktober 2018 haben dazu geführt, dass die Verdünnung der Berliner Emissionen weit schwächer ausfiel als in anderen Jahren", sagt Dorothee Winden, Sprecherin der Berliner Umweltsenatsverwaltung.

Dazu kämen häufig Ostwinde, mit denen vorbelastete kontinentale Luft nach Berlin einströme. "Feinstaub (PM10) kann über hunderte Kilometer getragen werden, sodass auswärtige Quellen zu der erhöhten Feinstaub-Konzentration in Berlin wesentlich beitragen." Im Klartext heißt das: Schlechte Luft aus Polen und Tschechien wird nach Berlin geweht.

"Bei Inversionswetterlagen ist der Luftaustausch stark eingeschränkt", sagt Ute Dauert, beim Umweltbundesamt verantwortlich für die Beurteilung der Luftqualität. "Das funktioniert dann wie unter einer Glocke, wo unten immer mehr Schadstoffe reinkommen, die nicht weggeweht werden können." Wenn es an grauen Berliner November Tagen ständig bewölkt ist, steht die Berliner Luft und reichert sich immer mehr mit Feinstaub aus dem Verkehr und Heizung an.

Auch Axel Friedrich, der Luftschadstoffexperte und Berater der Organisation Deutsche Umwelthilfe, pflichtet bei: "Das war ein meteorologischer Zufall. Wir hatten 2018 wenig Wind und viele Inversionswetterlagen."

Ob in Berlin - allen voran an der Silbersteinstraße - der Feinstaubgrenzwert 2018 überschritten wird, hängt nun von der weiteren Wetterentwicklung bis Jahresende ab. "Hohe Feinstaubwerte im Herbst und Winter sind in Deutschland nicht untypisch", sagt Dauert.

Wie die obenstehende Grafik zeigt, gab es in den warmen Monaten Mai, Juni und Juli an den drei Messstellen in Berlin keinen einzigen Tag mit einer Feinstaubbelastung über dem Grenzwert. Nun, da es häufiger zu Inversionswetter kommt und gleichzeitig mehr geheizt wird, steigt die Belastung an.

Gegen den Trend

Die hohe Belastung mit Feinstaub in Berlin läuft klar gegen den Trend. In den vergangenen Jahren lagen in ganz Deutschland kontinuierlich immer weniger Messstellen über dem Grenzwert, wie die untenstehende Grafik des Umweltbundesamtes zeigt. Im Jahr 2017 eben nur eine einzige Messstelle: Stuttgart Neckartor.

Infografik Prozentualer Anteil der Messstationen über dem Feinstaub-Grenzwert von 2005 bis 2017 (Quelle: Umweltbundesamt)

Es dauert aber noch ein wenig, um abzusehen, ob 2018 ein besonders schlechtes Jahr sein wird, oder ob die Vorjahre besonders gut waren. "In den letzten Jahren hatten wir eher günstige Wetterlagen mit viel Wind und wenig Transporten von außen, zum Beispiel aus Osteuropa, sodass die Feinstaubbelastung geringer ausfiel", sagt Dauert vom Umweltbundesamt.

Auch die Senatsverwaltung beschreibt die Wetterbedingungen auf der eigenen Website für das vergangene Jahr als günstig: "Aufgrund günstiger meteorologischer Bedingungen wird dieser Grenzwert in 2017 an allen Messstationen eingehalten."

Keine Konsequenzen

Unmittelbare Konsequenzen hat das Überschreiten des Feinstaub-Grenzwertes nicht. Berlin muss dann - was das Land sowieso auf Grund des Stickoxid-Problems tut - seinen Luftreinhalteplan überarbeiten und die Europäische Kommission könnte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten.

Bis dahin hat die Pressesprecherin der Umweltsenatsverwaltung nur eine Empfehlung für Bewohner der Silbersteinstraße und anderer Hotspots: Wer nicht mit dem Ofen heizen muss, sollte der sauberen Luft zuliebe auf das Kaminfeuer verzichten.

Hintergrund

  • Wie entsteht Feinstaub?

  • Wie groß ist Feinstaub?

  • Was tut Berlin gegen die Feinstaub-Belastung?

  • Wo kann ich aktuell die Feinstaub-Belastung einsehen?

Sendung: radioBerlin 88,8, 08:30 Uhr

Beitrag von Dominik Wurnig

31 Kommentare

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  1. 30.

    Bei uns im westlichen Rheinland werden auch sehr hohe Feinstaubwerte gemessen. Diese werden durch die 3 Tagebaue Hambach, Garzweiler und Inden verursacht. Die Bodenerosion auf landwirtschaftlichen Flächen kommt noch dazu.
    Berlin ist von landwirtschaftlichen Flächen umgeben und südostlich liegen Braunkohlentagebaue.

  2. 29.

    Klar möchte auch der Grossstädter eine reine Luft haben, nur machen Umweltverschmutzung an Stadtgrenzen kein halt und gerade deshalb wäre es wichtig, das Weltweit gleiche Grenzwerte gelten. Das bekommt der Senat, die Bundesregierung, die EU und schon gar nicht Welt nicht hin !!

  3. 28.

    Unsinn! Alles Ausreden. Auch Städter haben das Recht auf Lebensqualität. Der Mensch steht im Vordergrund. Nicht das Auto. Typisch für Deutschland. Völliger Quatsch Ihr Kommentar.

  4. 27.

    Die Problemlösung ist ganz einfach!
    Parkverbot am Fahrbahnrand. Dafür dann Radwege / Fahrradstreifen/ Busspuren
    Fertig ist die Laube.
    Wer in der Innenstadt wohnt braucht kein Auto !
    Der Ansatz hier in der Problemlösung / Fahrverbote usw. ist völlig daneben.
    Die , die von weit herkommen, sollen mit der Bahn/ Bus und Fahrrad fahren.
    Diejenigen , die schon in der Innenstadt wohnen, fahren mit dem Auto ?!
    Liegt es vielleicht doch an der Klientelpolitik ?

  5. 26.

    Im Vergleich zu NOx birgt die Belastung durch Feinstaub tatsächlich gesundheitliche Gefahren. Dazu vermisse ich Informationen in dem Artikel.
    Die Mehrheit der Feinstaubbelastung wird von außerhalb Berlins hereingetragen. Hier können Berliner nichts tun, außer auf günstiges Wetter hoffen. Gemäß Abbildung 5.6 des bisher gültigen Luftreinhalteplans sind Heizungen und Kleingewerbe zusammen für 1,3% des Feinstaubes verantwortlich. Da finde ich die Empfehlung der Pressesprecherin echt süß.

  6. 25.

    Wenn man nicht konsequent die Pendler aus Brandenburg und den Randbezirken zum nutzen des ÖPNV zwingt wird sich nichts an der Luftqualität ändern. Und Moralapostel zu spielen und saubere Luft zu fordern ohne die Folgen zu realisieren lebt realitätsfern.Wer in der Stadt lebt muss auch mit schlechter Luft leben,dass ist überall auf der Welt so,dann ziehe halt aufs Land dann kannst du Öko ausleben!!!

  7. 24.

    Ich kapier es nicht. Egal wie klar argumentiert wird, es kommt dann von manchen Kommentatoren hier der Ellerbeker Rundschlag, dass jegliche Form der Kritik an dem wahnsinnigen und krankmachenden Verkehr in dieser Stadt von "Autohassern" oder "Super-Ökos" käme. So ein Unsinn. Lärm macht krank. Abgase machen krank. Stress macht krank. Es gäbe für fast alle Möglichkeiten, z.b. das Auto öfter stehen zu lassen, um diese Faktoren zu minimieren. Wer zu bequem und ignorant ist das zu tun, soll wenigstens ehrlich sein und das zugeben, anstatt nur dumpf auszuteilen, um von sich abzulenken. In vielen Ländern geht man diese Probleme, inkl. Fahrverboten usw. inzwischen sehr konsequent an. Frankreich, Dänemark und Belgien z.b. Und jetzt wird man auch hier umdenken müssen. Den Kopf in den Sand zu stecken ändert nichts an den Fakten. Sonst könnte man ja auch behaupten, dass alle, die nicht einsehen wollen wie sehr uns der Strassenverkehr kaputt macht und unser aller Lebensqualität einschränkt, MENSCHENHASSER seien.

  8. 23.

    Ganz ehrlich ednew, stimmt. Glauben Sie mir, Sie möchten nicht in der Silbersteinstraße wohnen.

  9. 22.

    Das stimmt auch nicht! Trichterförmig und ohne Grün? Die Nansenstrasse hat mit dem Reuterplatz sogar einen kleinen Park gegenüber der Meßstation und es ist relativ wehig Verkehr, da sie in eine Sackgasse führt. Und trotzdem eine Straße mit einer der höchsten Feinstaubbelastungen Deutschlands!!

  10. 21.

    Der Zweck ist zu sagen, dass es eine grössere Toleranzschwelle gibt was Luft- und Umweltverschmutzung angeht dort wo sozial benachteiligte und/oder "Ausländer" wohnen. Von daher sind Diesel- und Fahrverbote out, weil Arme gesundheitlich profitieren würden, aber reiche Aktienbesitzer und hochbezahlte Manger Gewinneinbussen in Kauf nehmen müssten. Andere Wohngegenden kann sich diese Schicht auch gar nicht leisten. Die Autofahrer kommen aber zumindest in Berlin meist von ausserhalb des Ringes und vor allem aber aus den Randbezirken und dem Umland. Trotz S-Bahn, trotz Regio. Einfach weil es bequem ist.

  11. 20.

    Schmutzigste Strasse.. Deutschlands.. dort ist doch seit 2007 .. TEMPO 30.. wie kann man nur soooo blöd sein eine Messstation an einer Ampel aufzustellen... bei Rot stinkt es doch an jeder Kreuzung.. Messstation auf Parkplätze stellen...schon haben wir nur noch saubere Städte... !!!!!!!!

  12. 18.

    Genau an der Meßstation in der Silbersteinstr. wird seit einem Jahr ein Haus gebaut.Wenn man dort sein Auto abstellt,sieht es nach einer halben Stunde aus wie gezuckert.Was schreiben die Autohasser als nächstes? Wahrscheinlich,das man naß werden könnte,wenn man in den Wannsee springt. Im Übrigen ist die Meßstation Mariendorfer Damm weiter stadtauswärts
    verlagert worden. Die Tempo 30 Zone ist aber am alten Standort verblieben.Senatsgewollt oder schlicht schlafende Verwaltung?

  13. 17.

    Wenn es der Diesel nicht ist, ist es der Feinstaub und wenn der wegfällt sind es bestimmt die Menschen die atmen.

  14. 16.

    Weiß zwar nicht, was Sie mit Ihren Kommentar bezwecken oder sagen wollen. Fakt ist doch,genau diese Wohnstraße, die Silbersteinstraße in Neukölln, kommt einfach nicht aus den negativ Schlagzeilen heraus. Ob jetzt darüber berichtet wird oder vor 5 o.10 o.15 Jahren. Es ist wie es ist so geblieben.

  15. 15.

    Hoffentlich beherzigen die Anwohner der Karl-Marx-Str. den Rat der Pressesprecherin der Umweltsenatsverwaltung und verzichten auf ihr Kaminfeuer. Sie können sich ja stattdessen im Pool entspannen ...

  16. 14.

    Die Thematik gab es schon mehrmals. Jeder der solche Meinung äußerte wie Sie, wurde platt gemacht. Viele behaupteteten zudem verstörenderweise und völlig irrational, dass die Luft noch nie so sauber war wie jetzt. Die Berufung auf Carsharing, Park-and-Ride, Fahrgemeinschaften und öffentliche Verkehrsmittel werden von den Meisten aggressiv niedergemacht oder ignoriert. Ich hoffe, dass es Ihnen da besser ergeht. Ich bin völlig Ihrer Meinung und schäme mich jetzt schon fremd für unsere Enkel und Urenkel, obwohl ich selber, trotz berufstätigkeit und Kindern, seit über 20 Jahren bewußt auf ein Auto verzichte. Wenigstens kann ich meinen winzigen Anteil an Verantwortungsbewußtsein vorweisen, wenn sie die berechtigte Frage an unsere Generation stellen: "WARUM???"...

  17. 13.

    Aber da wo die Menschen arm und/oder "Ausländer" sind kümmert es ja keinen. Insbesondere nicht die Privatpresse. Nothing to see here.

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