Interview | Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning - "Es wäre etwas ganz Besonderes, einen europäischen Titel nach Berlin zu holen"

Fr 26.05.23 | 18:48 Uhr
bob-hanning-fuechse-berlin
Audio: rbb24 Inforadio | 27.05.2023 | Jens-Christian Gußmann | Bild: IMAGO / Zink

Am Samstag (15:30 Uhr) treffen die Füchse Berlin im Final Four der European League auf Montpellier. Im Interview spricht Geschäftsführer Bob Hanning über den Saisonverlauf, Titelchancen und die deutsche Handball-Nationalmannschaft.

rbb|24: Herr Hanning, lange lief die Saison für die Füchse richtig gut und das Team war auf Titelkurs. In den letzten Wochen haben sich die Dinge aber in eine andere Richtung entwickelt. Im Pokal sind die Füchse gescheitert, die Titelchance in der Bundesliga haben sie verpasst und nun ist auch der internationale Wettbewerb für die kommende Spielzeit in Gefahr. Wie bewerten Sie den Saisonverlauf?

Bob Hanning: Wenn man uns vor der Saison gesagt hätte, dass wir in der Handball-Bundesliga Tabellendritter werden und im Final Four des Europapokals stehen, dann hätte das jeder sofort unterschrieben. Von daher sind wir mehr als im Soll – es ist aber auch Teil der Wahrheit, dass wir schon geguckt haben, ob wir oben nochmal angreifen können. Das war ja wirklich möglich. Da kann man also sagen, dass wir die Chance, um die Meisterschaft zu spielen oder in die Champions League zu kommen, mit den Niederlagen in Stuttgart und gegen den Bergischen HC sehr leichtfertig aus den Händen gegeben haben. Aber dennoch ist es eine tolle Saison mit dem dritten Platz in der Bundesliga – und jetzt drücken wir natürlich alle die Daumen, dass wir den Europapokal nach Berlin holen.

Woher kamen die plötzlichen Probleme? Was sind derzeit die Schwachstellen?

Das ist ganz schwer zu sagen. Ich glaube, wir waren im Abwehrspiel nicht kompakt genug. Vorne hatte dann jeder eine Idee, wodurch wir zum Teil ein Stückchen führungslos waren und nicht das auf die Platte gebracht haben, was jeder einzelne auf die Platte bringen kann.

Wie ist derzeit die Stimmung im Team?

Die Spieler haben die Situation ja selbst zu verantworten. Seitens der Vereinsführung hat ihnen keiner die Chance genommen, den Traum von der Champions League oder Meisterschaft zu leben. Wir waren eben nicht in den letzten drei Prozent, die du brauchst, um das ganz Große zu erreichen. Trotzdem ist es uns gelungen, dieses Jahr wieder näher an die Spitzenklubs heranzurücken. Und von daher ist die Stimmung jetzt ausschließlich auf den Europapokal gerichtet. Ganz viele Spieler und Mannschaften haben ja in ihrem Leben überhaupt gar nicht erst die Chance, den Europapokal zu gewinnen.

Wie bitter war die Verletzung von Paul Drux in der entscheidenden Phase der Saison?

Das war natürlich ein ganz bitteres Wochenende für uns, mit den Verletzungen von Paul Drux und Max Beneke im Rahmen der Nationalmannschaftswoche. Paul ist unser Kapitän und der, der den besonderen Moment ausmachen kann. Von daher tat das weh. Sich aber dahinter zu verstecken, ist mir zu billig. Bei anderen Vereinen sind auch wichtige Spieler verletzt. Das zählt nicht als Argument.

Das ist wirklich ein Hammerspiel, das da auf uns zukommt.

Bob Hanning über das anstehende Halbfinal-Duell gegen Montpellier

Am Wochenende haben die Füchse die Möglichkeit, trotz der schwierigen Situation einen großen Erfolg zu feiern. Wie stehen die Chancen der Füchse für das Final Four der European League?

Bei so einem Final-Four-Turnier hat jedes Team alle Möglichkeiten. Man hat schon ganz oft gesehen, dass nicht die Topfavoriten gewonnen haben, sondern dass Außenseiter sich auch ihre Hoffnungen machen können. Unser Halbfinalgegner Montpellier ist derzeit – mit Paris Saint-Germain – Tabellenführer der französischen Liga. Das ist wirklich ein Hammerspiel, das da auf uns zukommt. Es ist aber schon so, dass wir durchaus dazu in der Lage sind, Montpellier zu schlagen. Das haben wir über die Jahre oft gezeigt und muss auch unser Anspruch für das Spiel am Wochenende sein.

Gerade vor dem Hintergrund, dass die Chancen auf Meisterschaft und Pokal vergeben wurden: Wie wichtig wäre der Gewinn eines europäischen Titels?

Es wäre etwas ganz Besonderes für uns, einen europäischen Titel nach Berlin zu holen! Das würde die Saison versöhnlich ausklingen lassen, die zwar, wie gesagt, gut war, aber auch noch besser hätte laufen können. Wenn wir jetzt den Europapokal nach Berlin holen sollten, könnten wir trotz allem von einer tollen Saison sprechen.

Das Erreichen der Champions League ist zumindest noch nicht völlig ausgeschlossen, auch wenn die Füchse es nicht mehr in der eigenen Hand haben. Glauben Sie noch daran?

Nein, da glaube ich überhaupt nicht mehr dran. Kiel und Magdeburg sind dafür viel zu stabil – während wir nicht bewiesen haben, ähnliches in der Crunchtime schaffen zu können. Magdeburg hat sicherlich noch den ein oder anderen verletzten Spieler mehr als wir und dazu noch das Final Four der Champions League vor Augen. Das kostet natürlich Kraft. Ich bin mir aber sicher, dass sie nicht so blöd sind, sich das noch nehmen zu lassen.

Wie geht es nach der Saison weiter? Wird sich die Zusammenstellung der Mannschaft noch einmal etwas verändern?

Der Kader für die nächste Saison steht. Im letzten Jahr haben wir tolle Verpflichtungen vollzogen, mit Mathias Gidsel einen der weltbesten Handballer geholt. Außerdem auch noch Max Darj und Viktor Kireev. Es wird keinerlei Veränderungen geben, außer auf den Außenpositionen. Und dieser Kader wird hoffentlich in der nächsten Saison dazu in der Lage sein, nochmal eine Schippe draufzulegen.

Und wie sieht es auf der Trainerposition aus?

Unser Trainer hat einen Vertrag wie alle Spieler auch, warum sollten wir also an ihm zweifeln.

Sie sind also zufrieden mit der Arbeit von Jaron Siewert?

Wir sind zufrieden mit den Platzierungen, die wir unter ihm erreicht haben. Wie gesagt: Wenn uns vor der Saison jemand gesagt hätte, dass wir den dritten Platz in der Bundesliga erreichen und den Europapokal holen können, hätten wir das alle mit Kusshand unterschrieben.

Schauen wir abschließend noch auf den Deutschen Handballbund (DHB). Vor kurzem haben Sie Bundestrainer Alfred Gislason für seine Nominierungsentscheidungen kritisiert. Dieser hat daraufhin die Tür für Spieler wie Fabian Wiede oder Hendrik Pekeler wieder geöffnet. War das Ihr Verdienst?

Ich habe dem DHB und Alfred Gislason nicht vorzuschreiben, wer welche Spieler einzusetzen hat. Das habe ich nicht getan und das würde ich auch nicht tun. Das, was ich kritisiert habe – und das habe ich auch in persönlichen Gesprächen getan – ist der Nationalmannschaftstourismus. Man sollte sich als Spieler nicht aussuchen dürfen, mal zur Nationalmannschaft zu stoßen und mal nicht. Außerdem habe ich kritisiert, dass die Situationen mit Fabian Wiede und Hendrik Pekeler viel früher im Vorfeld hätten geklärt werden sollen. Wenn man auf die Spieler bauen will und sie bereit dazu sind, hätten sie längst wieder Länderspiele absolvieren müssen, zum Beispiel im EHF-Cup. Diese Kritikpunkte werden angesprochen und hoffentlich auch gelöst.

Derzeit sucht der DHB auch nach einem neuen Teammanager. Sie haben Füchse-Sportvorstand Stefan Kretzschmar ins Spiel gebracht. Würde dieser in Berlin dann nicht sehr fehlen?

Er würde auf jeden Fall fehlen. Genauso wie Dagur Sigurdsson (trainierte die Füchse von 2009 bis 2015, Anm. d. Red.) gefehlt hat. Am Ende des Tages profilieren sich Sportarten aber eben auch über Nationalmannschaften. Und ich glaube einfach, dass es gut ist, dass sich auf dieser Position etwas tut, um ein noch effektiveres Bindeglied zwischen Vereinen und Nationalmannschaft zu haben. Das muss gar nicht Stefan Kretzschmar sein. Er ist eine von vielen Optionen. Dank seiner Vita bringt er vieles für diese Position mit, es gibt aber auch noch andere, die das können.

Blicken wir zu guter Letzt noch auf die Heim-Europameisterschaft im kommenden Jahr voraus. Wie schätzen Sie die Chancen der deutschen Nationalmannschaft ein?

Ich glaube, dass wir gute Möglichkeiten haben. Ich bin da nicht so pessimistisch wie der ein oder andere. Wir haben mit unserer Gruppe eine gute Auslosung erwischt. Es gibt viele Gegner, die wir in der eigenen Halle schlagen können und auch schlagen müssen. Bei der Weltmeisterschaft haben wir schon gezeigt, dass wir das können. Und dann muss man sich Schritt für Schritt ans Halbfinale heranarbeiten – das muss immer der Anspruch einer deutschen Mannschaft sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 27.05.2023, 18 Uhr

Nächster Artikel