Verwaltungsgericht Cottbus - Wußwerk gehört doch nicht zum Siedlungsgebiet der Sorben und Wenden

Do 13.07.23 | 20:33 Uhr
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Die Dorfmaedchen tragen traditionelle sorbische (wendische) Festtagstrachten (Foto: dpa/Franke)
Video: rbb24 | 13.07.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Bild: dpa-Zentralbild

Die Gemeinde Alt Zauche-Wußwerk wurde 2016 zum Siedlungsgebiet der Sorben und Wenden erklärt - gegen ihren Willen. Jetzt hat sie als erste von mehreren Gemeinden geklagt - und teilweise Recht bekommen.

Der Gemeindeteil Wußwerk gehört nicht zum sorbisch/wendischen Siedlungsgebiet, der dazugehörige Gemeindeteil Alt Zauche dagegen schon. Das hat das Verwaltungsgericht Cottbus am Donnerstag entschieden. Demnach gelte der entsprechende Bescheid, der die komplette Gemeinde Alt Zauche-Wußwerk zum Siedlungsgebiet erklärt hatte, für Wußwerk nicht.

Zur Begründung hieß es: Das Sorben/Wenden-Gesetz bestimme als angestammtes Siedlungsgebiet diejenigen Gemeinden, in denen eine kontinuierliche sprachliche oder kulturelle Tradition bis zur Gegenwart nachweisbar sei. "Diese Voraussetzung sei nur für den Gemeindeteil Alt Zauche belegt, für den Gemeindeteil Wußwerk fehle es hingegen an einer hinreichenden Tatsachengrundlage", sagte ein Gerichtssprecher.

Alt Zauche-Wußwerk ist die erste von zehn Gemeinden in der Lausitz, die gegen das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg klagen. Zu ihnen gehören beispielweise auch Döbern, Neuhausen (beide Spree-Neiße) und Großräschen (Oberspreewald-Lausitz). Die Gemeinde kritisierte vor allem, dass ihre Selbstverwaltungshoheit verletzt werden würde und das Ministerium nicht ausreichend durch Tatsachen untersetzt hätte, warum die Gemeinde in das Siedlungsgebiet aufgenommen werden sollte.

Besondere Rechte - und Pflichten

Die Gemeinde Alt Zauche-Wußwerk wurde 2016 gegen ihren Willen in das angestammte Siedlungsgebiet der Sorben und Wenden aufgenommen. Da sie gleich darauf dagegen geklagt hatte, war die Zugehörigkeit jedoch noch nicht rechtskräftig. Die Gemeinde zweifelt an der Kontinuität der sorbischen Sprache in ihren Ortsteilen und will selbst entscheiden, ob und wann sie zum Siedlungsgebiet gehören will.

Zu diesem gehören Orte, in denen wendische Sprache oder Kultur nachgewiesen werden können, zum Beispiel Bräuche wie die Fastnacht. Bisher gehören gut 40 Städte, Gemeinden und Gemeindeteile in Südbrandenburg zum Siedlungsgebiet.

Unterschiedliche Meinungen zur Klage

Eine, die sich gegen die Klage der Gemeinde ausspricht, ist Sabine Lehmann. Seit 2003 wohnt sie in Wußwerk, spricht die wendische Sprache und pflegt die Traditionen im Ort. "Mir ist es sehr wichtig, dass wir zum sorbischen Siedlungsgebiet gehören", sagt sie dem rbb vor Prozessbeginn.

Es sei aus ihrer Sicht auch nur logisch. Auch die Dörfer rund um Alt-Zauche-Wußwerk würden zum Siedlungsgebiet gehören. "Wir sind mittendrin, wir sind hier im Spreewald, das ist das niedersorbische Siedlungsgebiet", so Sabine Lehmann. "Ausgerechnet Alt-Zauche und Wußwerk sind dann ein weißer Fleck? Das entspricht nicht der Realität."

Aus ihrer Sicht erfülle die Gemeinde auch die Bedingungen, um zum Siedlungsgebiet zu gehören. Es würden nach wie vor viele Bräuche gepflegt werden. Manchen sei möglicherweise gar nicht bewusst, dass es sorbische Bräuche seien, weil sie derart Bestandteil des dörflichen Lebens seien, sagt Lehmann.

Einer dieser Bräuche, der Fastnachtstanz, könne allerdings seit einiger Zeit nicht mehr stattfinden, weil die Räumlichkeiten fehlten, sagt der Amtsdirektor von Lieberose/Oberspreewald, Bernd Boschan (parteilos), der für die klagende Gemeinde Alt-Zauche-Wußwerk zuständig ist. "Wenn wir keine Gaststätte, keinen Veranstaltungsraum haben [und] wenn die Gemeinde finanziell so schwach ist, um den Traditionsverein keine Zuschüsse zur Brauchtumspflege zahlen zu können, sind das die Rahmenbedingungen."

In den Orten, die zum Siedlungsgebiet gehören, haben die Bürger besondere Rechte. Dazu zählen Sorbischunterricht und Kulturförderung. Mit der Aufnahme gäbe es also für die Gemeinde Lieberose einige Hürden, sagt Bernd Boschan. Neben der Pflege des Brauchtums müssten auch die Gemeinde die Zweisprachigkeit sichtbar machen. Das würde zum Beispiel bedeuten, "dass zweisprachige Wahlunterlagen zu erstellen sind, die Sicherstellung von Dolmetschermöglichkeiten", so der Amtsdirektor, "obwohl ich in meiner gesamten Dienstzeit nie erlebt habe, dass hier sorbische-wendische Ansprachen stattgefunden haben."

Zur Zweisprachigkeit gehört auch, dass beispielsweise Ortsschilder erneuert werden müssen. Alle Kosten, die durch die Bestimmungen entstehen, übernimmt das Land Brandenburg.

Inzwischen größere Hürden

Will die sorbische Seite, vertreten durch das Land Brandenburg, dass eine Gemeinde zum Siedlungsgebiet gehört, dann muss sie dem Gericht seit kurzem auch deutlich mehr historische Nachweise vorlegen. Doch das sei aufwendig und bei insgesamt über 80 Ortsteilen in der Niederlausitz kaum zu schaffen, sagt der sorbische Dachverband Domowina.

Die Sorben sind in der Lausitz im Süden von Brandenburg und in Ostsachsen beheimatet. Es gibt keine Zahlen, wie viele es genau sind. Nach Schätzungen leben in Brandenburg rund 20.000 Sorben, in Sachsen etwa 40.000.

Korrektur: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass Alt Zauche-Wußwerk seit 2016 zum Siedlungsgebiet gehöre. Dies ist nicht der Fall. Durch die eingereichte Klage war der Bescheid noch nicht rechtskräftig. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Mit Informationen von Gregor Kliem.

Sendung: Antenne Brandenburg, 13.07.2023, 17:30 Uhr

16 Kommentare

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  1. 15.

    100%-prozentig genau lässt sich das "sorbisch/wendische" Siedlungsgebiet nicht abgrenzen, darin liegt die Schwierigkeit. Genauso wenig wie man in der Lausitz eine klare Grenze zwischen der sorbischen und der deutschen Bevölkerung ziehen kann. Einerseits gibt es kaum noch "echte" Sorben, außer einigen Hochbetagten, die das Sorbische noch als Muttersprache gelernt haben. Andererseits wird fast jeder, der seine familiären Wurzeln, mit Urgroßeltern, Ururgroßeltern usw., in der Lausitz hat, mit Sicherheit auch auf Sorben in seinem Stammbaum treffen. Noch Mitte des 19. Jh. war die Mehrzahl der Dörfer in der Lausitz gänzlich oder wenigstens teilweise sorbischsprachig. Und sorbische Familiennamen wie Noack, Koal, Buder usw. sind in der Lausitz ähnlich häufig wie Müller, Meier oder Schulze, obwohl die meisten ihrer Träger sich (heute) als Deutsche identifizieren.

  2. 14.

    Die Wenden sind ein Oberbegriff für verschiedene westslawische Stämme. Die haben bis nach dem heutigen Niedersachsen gesiedelt. Auch die Pommeranen (siehe Mecklenburg-Vorpommern) gehören zu dem Kulturkreis.

  3. 13.

    Sie haben so was von keine Ahnung von Geschichte!
    https://www.spreewald-info.de/region/geschichte/sorben-und-wenden.php
    http://symmank.de/sorbenzeittafel.htm
    Übrigens die Hugenotten waren weder ein ostpreußischer -, als überhaupt ein Stamm. Das war eine reformatorische Kirchenbewegung die aus Frankreich vertrieben wurde.
    Vielleicht mal lieber nicht zu vorgeschrittener Stunde, nach dem ein oder anderen Gläschen, Soziale Medien nutzen. Da rutscht es sich leicht auf der Maus aus...

  4. 12.

    Kann ja nichts dafür das Sie Zusammenhänge nicht erkennen können.
    Kleiner Trost, Sie sind nicht allein.

  5. 11.

    >"Die Menschheit sollte es sich eingestehen, wir haben es versaut."
    Thema verfehlt: 6 - setzen!
    Es geht hier um die Siedlungsgebiete der Sorben als Gesellschaft. Das Thema Klima, Wasser, Umwelt können Sie in diesem Artikel
    https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/07/berlin-blockade-tiergarten-letzte-generation-grosser-stern.html
    ausdiskutieren.

  6. 10.

    Nett anzuschauen....na ja zumindest bis das Wasserproblem durchschlägt. Dann gibt's nur noch Wald und auch den nicht mehr lange.
    Die Menschheit sollte es sich eingestehen, wir haben es versaut.

  7. 9.

    Na das passiert doch schon. Der ganze Spreewald ist ein einziges Museumsdorf. Ich weiß nur immer nicht so recht, ob die Leute in Trachten dort "nur" Schausteller sind oder eben richtige Spreewälder, die auch wirklich täglich so nach diesen Gebräuchen leben. Nett anzuschauen ist es auf jenden Fall.

  8. 8.

    Ich denke sollten das Profi mäßig betreiben und damit werben wie das Museumsdorf Düppel in Berlin Dahlem.
    Das lockt mehr Touristen als irgendjemand zu was zwingen was er nicht sein will.

  9. 7.

    >"auch in diesen Gemeinden haben gerade die Jüngeren oftmals gar kein Interesse mehr"
    Ach wenns danach geht, hat die Jugend dem vernehmen nach heutzutage eigentlich zu gar nichts mehr richtig Lust.
    Meine Erfahrung ist aber, dass viele dann im Familienalter so ab 40 ihre eigentliche Heimat entdecken. Und dann wäre keine Tradition mehr da.

  10. 6.

    Ach das mit den Wenden verstreut sich über ganz Ostdeutschland. Im Norden Brandenburgs und Mecklenburg Vorpommern gibts auch viele Wendisch... Ortsnamen.

  11. 5.

    Vor allem aber, auch in diesen Gemeinden haben gerade die Jüngeren oftmals gar kein Interesse mehr an diesen Dingen, trotzdem wird es ihnen weiterhin aufgezwungen.

  12. 4.

    Ich verstehe nicht! (Sorry falls Bullshit!)

    Alle wurden nach dem Deutschen Krieg zu Deutschen, mein Ostpreußischer Hugenottenstamm, genau wie die Nachfahren von Römern, Römischen Sklaven, und sogar die Verlierer…

    Bedeutet die Meldung im Umkehrschluss, das die Sorben seit 1400 Jahren nicht integriert wurden, und sich die ganze Zeit nur mit Ihresgleichen Vermählten?

    Kann man eine Blutlinie ohne "genetische Erfrischung" überhaupt so lange rein halten ohne zugrunde zu gehen?
    Und wie passt das zu: Teutschland, Teutonia, Teutonicum Regnum?

    Mich würde es bezüglich der eigenen Abstammung nur interessieren, ob mir nicht eigentlich ein paar Ländereien in Frankreich zustehen :) Gibt es einen Entschädigungsfond?

  13. 3.

    Halb Ostbrandenburg ist Siedlungsgebiet der Wenden. Woher kommt sonst „Wendisch Rietz“ oder „Wendisch Wusterhausen“ besser bekannt, weil zwischen 33 und 45 umbenannt, als Königs Wusterhausen?
    Ärgerlich ist freilich, wenn man den Leuten demzufolge irgendwelche weltfremden Regeln überzeugen will.
    Tut das Not?

  14. 2.

    Es geht um eine Retourkutsche und die Ausübung von Macht.

  15. 1.

    Die Zahl 20.000 wird seit Anfang der 90er immer gleich geschätzt, ohne die Abwanderung, Geburtenrückgang, Verstorbene etc. mitzuschätzen. Ich glaube dieser Zahl schon lange nicht mehr. Mit der "Annexion" von Gemeinden macht man sich auch keine Freunde.

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