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Audio: Antenne Brandenburg | 29.11.2023 | Umfrage bei Stammtisch-Zuhörern | Quelle: imago images/R. Weisflog

Antenne-Stammtisch in Golzow

Solarboom auf dem Acker - was macht das mit dem ländlichen Raum

Brandenburg gehört schon jetzt zu den Ländern, wo viele Solarparks stehen. Bis 2030 soll sich die Fläche noch einmal fast vervierfachen. Zuviel für manchen Anwohner. Kommunen sehen einen Geldsegen. Beim Antenne-Stammtisch in Golzow wurde heiß diskutiert.

Wo man auch hinschaut, überall sprießen in Brandenburg nagelneue Solarparks wie Pilze aus dem Boden. Zwischen Elbe und Oder existieren mittlerweile Photovoltaik-Anlagen mit einer Nettoleistung von 5,72 Gigawatt. Das zeigen aktuelle Daten des Marktstammdatenregisters der Bundesnetzagentur [marktstammdatenregister.de]. Damit gehört die Mark im bundesweiten Vergleich zur den Top-5 der Bundesländer.

Doch damit nicht genug. Die Landesregierung favorisiert einen Zubau und will die derzeitige Leistung bis 2023 nahezu vervierfachen - auf dann 18 Gigawatt. Bis 2040 soll diese dann insgesamt auf 33 Gigawatt ansteigen. Und so verwundert es auch nicht, dass Kommunen aktuell zahlreiche Genehmigungsanträge für Freiflächen-Photovoltaikanlagen vorliegen. Dies bestätigten Ortsvorsteher und Bürgermeister am Dienstagabend auf dem Antenne Brandenburg-Stammtisch in Golzow (Märkisch-Oderland) zum Thema "Solarboom auf dem Acker - was macht das mit dem ländlichen Raum".

Datenauswertung

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Investoren stehen bei Kommunen Schlange

Mit solchen Parks lässt sich offenbar gutes Geld verdienen, berichtete beispielsweise auch Bio-Landwirt Carlo Horn aus Kagel (Oder-Spree). Seitdem der Solaratlas des Landes Brandenburg [energieportal-brandenburg.de] im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, stünden potenzielle Investoren für Solarparks Schlange in Kagel. Horn berichtete von insgesamt mindestens 37 Interessenten, die in dem kleinen Örtchen bei Grünheide ihre Aufwartung gemacht hätten. "Wir werden von Investoren überrannt, weil nicht nur unsere Fläche im Solaratlas ausgewiesen ist, was heißt, dass sie politisch gewollt ist", so Horn. Viele Dinge - wie Nähe zur Bebauung - seien damit vorplanerisch schon ausgeschlossen worden. "Bei uns ist zu dem der Netzverknüpfungspunkt - also da, wo der Strom eingespeist wird, auch noch direkt am Acker, was es für Investoren besonders interessant macht", so der Bio-Landwirt weiter.

Quelle: Georg-Stefan Russew/rbb

Kommunen sollten mit harten Bandagen zu ihrem Vorteil verhandeln

Außerdem gebe es zunehmend mehr Solarparks, auch weil die Betreiber für Nichteinspeisung von Strom bezahlt würden, kritisierte Horn. "Das können wir uns volkswirtschaftlich genauso wenig erlauben wie die Kannibalisierung, die eintritt, wenn mehr Solarparks gebaut werden, als dann Strom zu der jeweiligen Zeit auch wirklich gebraucht wird." Deswegen werden sowohl bei der Entstehung der Parks als auch beim Strom-Management sehr viel smartere Konzepte benötigt, unterstrich Horn.

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Der Bio-Landwirt sei kein Gegner der Photovoltaik. Sie müsse nur sehr gut durchdacht sein. Daher könnten noch so viele Investoren in Kagel erscheinen und die Vorzüge ihrer Anlagen preisen. "Wir lassen uns als Einwohner und Ureinwohner nicht auseinanderdividieren und auch nicht mit der goldenen Karotte kaufen, weil wir überzeugt sein müssen, dass es für uns Sinn macht", so Horn. Deshalb hätte Kagel sich Kriterien auferlegt, "damit ein entsprechender Park nicht zur Verschandelung führt, sondern sich dort so positiv integriert, dass er das Landschaftsbild aufwertet und darüber hinaus auch das Dorf durch diverse Transfermaßnahmen direkt etwas von diesem möglichen Solarpark hat."

Daher rät Horn anderen Kommunen, nicht zum erstbesten Investor 'Ja' zu sagen, sondern man müsste ganz genau verhandeln.

Golzower Bürgermeister will mit Energiepark Zukunftsantworten geben

Der Golzower Bürgermeister Frank Schütz (CDU), in dessen Kommune ebenfalls ein Energiepark entstehen soll, ist von der Photovoltaik überzeugt. In seiner Kommune gebe es ein Rohrleitungsnetz, dass für eine zentrale Fernwärmeversorgung genutzt werden kann. Schütz schwebe ein ähnliches Projekt wie im uckermärkischen Nechlin vor. In dem 125-Seelen-Örtchen wird Windstrom, der nicht ins Stromnetz eingespeist werden kann, zum Heizen verwandt.

Die Anlage funktioniert denkbar einfach: Kann der Windstrom nicht abgeführt werden, springen in der Dorfanlage die Durchlauferhitzer an und erwärmen das Wasser im Wärmespeicher auf 93 Grad. Das läuft alles automatisch: Sobald der Übertragungsnetzbetreiber ein Abschaltsignal gibt, schaltet sich ein vom Energieunternehmen "Enertrag" entwickeltes Steuersystem automatisch ein. Für das Erhitzen benötigen die Heizstäbe nur wenige Stunden. Das einmal erwärmte Wasser reicht dann mehr als zwei Wochen aus. Über ein Nahwärmenetz werden circa 50 Grundstücke versorgt.

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"Ich sehe in dem Energiepark, den wir hier in Golzow planen, eine Antwort für unsere Zukunftsfragen in dem Sinne, wie wir in Zukunft heizen. Wir können lange diskutieren, aber wir werden die Frage bekommen, wie die eigene Wärmepumpe, wie wir die alternativen Heizkörper betreiben", unterstrich Schütz. Hierfür könnte es ähnlich wie in Nechlin mit Windstrom dann in Golzow mit Solarstrom eine geeignete Lösung geben.

Schütz sei bei der neuerlichen Diskussion auf Landesebene über die unterirdische Verpressung von Kohlendioxid (CCS) angespornt, "dass wir CO2 einsparen müssen, weil ich nicht wieder die Diskussion haben möchte, CCS in den Untergrund zu pumpen." Er sehe in der Golzower Variante, "die wir hier planen, eine Perspektive, wo wir als Golzower uns zukunftssicher aufstellen können", so Schütz weiter.

Einige Golzower positionieren sich offen gegen den Park

Für die Golzower Rita Kosa und Peter Tiedke sind die Pläne ihres Bürgermeisters nicht nachzuvollziehen. Auf dem Stammtisch erklärte Tiedke, dass "es geht nicht um den Strom geht, sondern um Geld und Gewinne. Und deswegen bin ich dagegen, dass unsere Natur dafür geopfert wird. Dies ist ein bisschen wie gewerblicher Organhandel. Eine Niere kann man ja noch opfern. Aber wir haben nur eine Natur." Auch Kosa regierte ungehalten: "Es spricht die ganze Zeit niemand über den hochwertigen Ackerboden, den wir hier versiegeln wollen. Und das ist ein Verbrechen an der Landschaft", so die Anwohnerin. Man spreche allerorts nur über Investoren und Geld für Strom, den niemand brauche. Das berge einiges, um sozialen Unfrieden zu stiften.

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Für Kosa seien es mittlerweile genug Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen. "Was ist mit den vielen Dächern?" Dabei schaut sie insbesondere in Richtung Berlin. Mittlerweile machen diese Anlagen einen Anteil von mehr als 64 Prozent aus. Auf Dächern seien es in Brandenburg nur rund 36 Prozent. "Hier sollte sich was tun und nicht auf wertvollem Acker.

Wendorff fordert Schutz für landwirtschaftliche Böden

Auch für Landesbauernpräsident Hendrik Wendorff ist die Nutzung von wertvollem Ackerland für Solarparks nicht optimal. Dort müsse die Politik eingreifen, forderte er am Rande des Antenne-Stammtischs. "Für uns als Verband ist wichtig, dass wir Ackerboden einem gewissen Schutz zuführen", unterstrich Wendorff. Natürlich bedeute dies nicht, überhaupt keine Nutzung mehr zuzulassen. "Aber spezielle Böden, die uns sehr wertvoll sind, die eine kulturhistorische Entwicklung hinter sich haben, die eine hohe Bodenfruchtbarkeit haben, sollten geschützt werden", forderte Wendorff. "Wir haben im Naturschutzrecht ein Schutz der Natur. Wir haben im Umweltrecht ein Schutz der Umwelt. Aber das landwirtschaftliche Nutzung in bestimmten Bereichen geschützt ist, fehlt uns."

Sendung: Antenne Brandenburg, 29.11.2023, 21:05 Uhr

Beitrag von Georg-Stefan Russew

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