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Kunden räumen Supermarktregale leer, andere stehen kopfschüttelnd davor und Spargelbauern bangen um Erntehelfer aus Osteuropa: Die Folgen der Coronakrise bekommen zusehends auch Verbraucher und die Landwirtschaft zu spüren. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) sandte am Dienstag aber gemeinsam mit der Branche das deutliche Signal: "Die Lebensmittelversorgung ist gesichert." So gehören die Supermärkte in Berlin und Brandeburg auch zu den wenigen Geschäften, die ab Mittwoch weiter geöffnet bleiben - während das restliche öffentliche Leben und weite Teile der Wirtschaft zum Stillstand kommen werden.
Um praktische Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen, dringt die Wirtschaft aber auch auf flexible Krisenlösungen für Anlieferungen und dringend benötigte Saisonkräfte.
Hamsterkäufe "unanständig" und "unsolidarisch"
Supermärkte in vielen Städten haben derzeit deutliche Umsatzsprünge, weil viele Kunden bei Nudeln oder Toilettenpapier massenhaft zuschlagen. Kunden seien teils mit kleinen Lastern gekommen, um eigentlich nicht erforderliche Mengen zu kaufen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth. Klöckner verwies auch auf Falschmeldungen im Internet, mit denen manche Panik hervorriefen. "Das ist nicht witzig, das ist unanständig."
Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, kritisierte, Hamsterkäufe seien jetzt auch "unsolidarisch", da sie Verunsicherung vergrößerten und in manchen Fällen tatsächlich zu zeitweisen Engpässen in der Verfügbarkeit führen könnten.
Handelsverbandschef Genth betonte, das System der Logistikketten und Zentrallager funktioniere weiterhin. Nötig seien aber einige flexiblere Regelungen - etwa damit Lkw-Lieferungen auch an Sonntagen und abends möglich sind. Er appellierte an die Kunden, den Haupteinkauf nicht nur freitags und samstags zu machen, sondern beispielsweise dienstags oder mittwochs. Das erleichtere auch, Regale aufzufüllen. Sonntagsöffnungen, die die Politik nun möglich machen will, seien dagegen vorerst nicht nötig, so Genth. Auch für Zutrittsbeschränkungen in Läden gebe es keinen Anlass. Klöckner schlug Sonderspuren an Grenzübergängen vor, damit Warenlieferungen und Tiertransporte nicht stundenlang in Staus feststecken.
Erstmal keine Preissprünge
Ob Lebensmittel wegen der Corona-Krise teurer wird, erwarten weder Ministerin noch Bauern noch Handel. "Da genügend da ist, sehe ich nicht, dass die Preise deshalb steigen", sagte Klöckner. Bauernpräsident Joachim Rukwied erläuterte, dass etwa Weizen- und Rapspreise derzeit sogar eher niedrig seien.
Christian von Boetticher von der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie (BVE) verwies darauf, dass es zwischen Industrie und Handel in der Regel Jahresverträge gebe. "Erst mal passiert im Preisbereich gar nichts." Nur, wenn bestimmte Zutaten längerfristig überall auf den Weltmärkten knapp würden, könne sich das ändern.
"Wir laufen auf eine bedrohliche Situation zu"
In der Landwirtschaft gibt es wegen der Coronakrise allerdings auch andere Sorgen. Denn kurz vor der Spargelsaison droht vielen Betrieben ein Engpass bei Erntehelfern. Derzeit gelingt es oft nicht, sie aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern herzubekommen. Für Spargel, aber auch für Erdbeeren würden dringend Kräfte gebraucht, sagte Rukwied. Insgesamt kommen jedes Jahr vor allem zwischen April und Oktober rund 286.000 Helfer aus dem Ausland nach Deutschland. Aber nun gibt es an mehreren EU-Grenzen rigide Kontrollen. Klöckner spricht nach eigenen Angaben gerade über Lösungsmöglichkeiten - von "Passierscheinen" bis dazu, Saisonkräfte möglicherweise per Flugzeug zu holen.
Vor allem Spargelbauern schlagen schon Alarm: "Wir laufen auf eine bedrohliche Situation zu", sagte der Vizepräsident des Landvolks in Niedersachsen, Ulrich Löhr. Teile der Ernte müssten womöglich auf den Feldern bleiben. Auch der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer befürchtet Engpässe bei der Ernte, für die mehr als 180.000 Saisonarbeitskräfte benötigt werden. Viele Polen blieben aus Angst vor einer Infektion in diesem Jahr zu Hause.