Ausstellung "Songlines" - Humboldt-Forum zeigt eine der größten Sagen des indigenen Australiens

Do 16.06.22 | 19:24 Uhr | Von Lennart Garbes
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In der Ausstellung "Songlines" im Berliner Schloss - Humboldtforum sind Objekte, Installationen und Videoprojektionen zur großen Schöpfungserzählung Indigener Australier zu sehen. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Audio: Inforadio | 16.06.2022 | Lennart Garbes, Jakob Bauer | Bild: dpa/Jens Kalaene

Die Flucht der sieben Schwestern gilt als eine zentrale Entstehungsgeschichte Australiens. In der Ausstellung "Songlines" im Berliner Humboldt-Forum können Besucher diese mythische Verfolgungsjagd selbst erleben. Von Lennart Garbes

Gleich zu Beginn der "Songlines"-Ausstellung (ab Freitag im Berliner Humboldt-Forum) trifft man auf die "Virtual Elders". Auf fünf großen Leinwänden begrüßt dieser lebensgroße Ältestenrat verschiedener indigener Gemeinschaften Australiens die Besucherinnen und Besucher. Die Videoinstallation ist mehr als eine Spielerei. Gemäß der "Welcome to Country"-Tradition laden die Ältesten dazu ein, ihr Wissen über die sieben Schwestern mit den Besuchenden zu teilen.

"Die Geschichte ist eine epische Sage über ein Ahnenwesen, das eine menschliche Gestalt annimmt, um unrechtmäßig sieben Schwestern nachzustellen", erklärt die leitende indigene Kuratorin des australischen Nationalmuseums, Margo Ngawa Neale. "Um sie sich gefügig zu machen, verwandelt er sich in all die Dinge, die die Schwestern zum Überleben in der Wüste brauchen, in leckeres Essen, Wasser und Schatten."

Infos zur Ausstellung

Zeitfenstertickets für die Ausstellung kosten 12 Euro. Zum Start werden in den kommenden Tagen auch indigene Vertreter und Künstler der Ausstellung im Humboldt-Forum zu Gast sein.

Songlines - Um Gesänge geht es nur am Rande

Die Geschichte der sieben Schwestern, die auf der Flucht vor ihrem Verfolger Wati Nyiru drei Wüsten durchqueren und schließlich in den Himmel fliegen, sei einerseits eine der zentralen Ursprungsmythen Australiens, sagt Neale. Andererseits vermittele sie wichtige Werte über das Verhältnis der Geschlechter und darüber, wie man in einer lebensfeindlichen Umgebung überleben könne.

Gemeinsam mit gewählten Vertreterinnen und Vertretern der indigenen Gemeinschaften hat Neale die Ausstellung über einen Zeitraum von zehn Jahren entwickelt. Auch wenn es der Titel "Songlines" vermuten lässt, geht es dabei aber nur am Rande um Gesänge. Denn das Wort "Songlines" sei bereits eine westliche Übersetzung für das Konzept der sogenannten Dreamings, sagt Neale. "Die Dreamings sind die Geschichten jedes einzelnen Menschen der indigenen australischen Bevölkerung. Wer du bist, woher du kommst, was deine Aufgabe während deiner Lebensreise ist. Und alle indigenen australischen Gemeinschaften haben ihr eigenes Wort für die Dreamings."

Skulpturen, Gemälde, Videos

Die Dreamings oder Songlines sind Ursprungsmythen, die überall in Australien sichtbar sind, durch Geschichten, Gesang, Zeremonien und Kunst der indigenen Bevölkerung. Sie erzählen von der Erschaffung und Bewahrung des Landes und geben wichtige Hinweise für das Zusammenleben. Die Flucht der sieben Schwestern wird in der Ausstellung mit mehr als 300 Gemälden, Skulpturen und Keramiken zum Leben erweckt. Die Ausstellungsobjekte werden zu Stationen ihrer gefährlichen Verfolgungsjagd.

Aus Gras geflochtene, fast lebendig wirkenden Skulpturen zeigen die Runde der Schwestern, während ihr Verfolger Wati Nyiru im Hintergrund lauert. Meterhohe Gemälde wirken wie knallbunte, abstrakte Landkarten, auf denen mithilfe der Wandtexte Wasserstellen, Schutzhöhlen und gefährliche Orte deutlich werden. Dazwischen erzählen Vertreterinnen und Vertreter der indigenen Gruppen in Videos, gedreht an den Schauplätzen in der australischen Wüste, wie sich die Schwestern schlau und listenreich ihrem Verfolger immer wieder entziehen konnten. Und in einem sechs Meter hohen Kuppelraum kann man zu den Felsmalereien von Cave Hill reisen und beobachten, wie einige der abstrakten Gemälde zum Leben erwachen.

"Indigene haben die Ausstellung initiiert"

Die Flucht der sieben Schwestern wurde vom australischen Nationalmuseum inzwischen offiziell als eine der fünf zentralen Entstehungsgeschichten des australischen Kontinents anerkannt. Trotzdem drohte die Geschichte bis vor ein paar Jahren verloren zu gehen, da viele der Wissensträgerinnen und -träger der Songlines inzwischen verstorben sind.

Auch die Entstehungsgeschichte der Ausstellung ist deswegen eine besondere, erklärt Kuratorin Neale: "Die Ältesten aus den Wüstenregionen haben uns darum gebeten, ihnen dabei zu helfen ihre Songlines zu bewahren. Wir sollten sie begleiten, während sie ihre Songlines wieder zusammengesetzt haben. Indigene haben die Ausstellung initiiert, sie leiten sie und bestimmen die Bedingungen. Das ist eine sehr andere Herangehensweise als die traditionelle Museumspraxis."

Eine Herangehensweise, aus der nicht nur eine beeindruckende Ausstellung entstanden ist, sondern auch eine, die deutlich macht, wie eine gleichberechtigtere Form der Wissensvermittlung in westlichen Museen möglich werden kann.

Sendung: Inforadio, 16.06.2022, 18:55 Uhr

Beitrag von Lennart Garbes

2 Kommentare

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  1. 2.

    Wer schon mal in Australien war wird noch mehr diese Ausstellung zu schätzen wissen. Meine lange Autofahrt durch das Outback ließ mich an Orte verweilen, die einem die Augen ganz weit öffnen.

  2. 1.

    Zeitfenster-Ticket ?
    Ist dann nicht so wichtig sein.

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