Vorwurf der Putin-Nähe - Wegner und Chialo kritisieren geplante Netrebko-Auftritte in Berlin

Di 12.09.23 | 19:30 Uhr
Anna Netrebko steht im Juli 2022 im Innenhof des Fürstenschlosses St. Emmeram während der Schlossfestspiele auf der Bühne. (Bild: dpa-news/Armin Weigel)
Bild: dpa-news/Armin Weigel

Ab Freitag soll Anna Netrebko auf die Bühne der Berliner Staatsoper zurückkehren. Bei Spitzenpolitikern kommt das nicht gut an. Sie bemängeln, Netrebko habe sich nicht ausreichend vom russischen Präsidenten distanziert. Sie selbst sieht das anders.

  • Staatsoper hat Netrebko für "Macbeth" engagiert
  • Erster Auftritt ist am Freitag geplant
  • Kritik kommt aus der Spitze der Berliner CDU
  • Netrebko wird fehlende Distanz zu Putin vorgeworfen

Wenige Tage vor dem geplanten Auftritt der österreichisch-russischen Opernsängerin Anna Netrebko in der Staatsoper Unter den Linden kommt verstärkt Kritik gegen dieses Vorhaben auf. Die 51-Jährige ist an diesem Freitag in Giuseppe Verdis "Macbeth" in der Rolle der Lady Macbeth besetzt.

Die russisch-österreichische Doppelstaatsbürgerin Netrebko lebt seit Jahren in Österreich. Nach Kriegsbeginn war sie wegen ihrer angeblichen Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Kritik geraten. Mehrere Opernhäuser sagten Auftritte von ihr ab.

Wegner: "Sehe diesen Auftritt sehr kritisch"

Berlin Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner sieht Netrebkos bevorstehenden Auftritt nach eigenen Worten "sehr kritisch". Der CDU-Politiker verwies am Dienstag auf den "aufopferungsvollen Freiheitskampf" des ukrainischen Volkes gegen den russischen Angriffskrieg. "In diesem Krieg verteidigt die Ukraine nicht nur ihre Freiheit und Demokratie, sondern auch unsere. Deshalb bedauere ich, dass eine internationale erfolgreiche Sängerin wie Anna Netrebko sich bis heute nicht klar und unmissverständlich von dem russischen Angriffskrieg und Putin distanziert hat", sagte Wegner der Deutschen Presse-Agentur.

"Doch die Freiheit von Kunst und Kultur ist in unserem Land ein hohes Gut", führte Wegner weiter aus. "Das gilt auch für alle Einrichtungen in Berlin und ihre Entscheidungen über ihr künstlerisches Programm." Das sei ganz anders als Russland, wo die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit schon lange mit Füßen getreten werde. "Gleichwohl will ich auch aus meiner persönlichen Meinung keinen Hehl machen: Ich sehe diesen Auftritt in unserer Stadt sehr kritisch."

Kultursenator will fernbleiben

Kultursenator Joe Chialo kündigte an, die Auftritte der umstrittenen Sängerin boykottieren zu wollen. "Ich habe mich entschieden, keine der Aufführungen zu besuchen", so der CDU-Politiker am Dienstag. Am Freitag werde er aber gemeinsam mit dem ukrainischen Botschafter Oleksii Makeiev die Fotoausstellung "Russian War Crimes" ansehen. Chialo betonte aber auch: "Die Kunst ist frei, und unsere Einrichtungen haben das Recht, in der Gestaltung ihrer Programme eigene Entscheidungen zu treffen."

Gegen den Auftritt haben zahlreiche Organisationen und Unterzeichnende - unter anderem aus Wissenschaft und Kultur - in einem offenen Brief Protest angekündigt. Geplant sei eine Demonstration vor der Staatsoper, sollten die Auftritte Netrebkos nicht abgesagt werden, hieß es in dem am Montag veröffentlichten Schreiben an den Regierenden Bürgermeister Wegner, Kultursenator Chialo und Opernintendant Matthias Schulz unter dem Titel "Keine Bühne für Anna Netrebko!".

Netrebko: "Ich bin natürlich gegen diese schreckliche Gewalt"

Die Sopranistin betont, sie habe den russischen Präsidenten nur "ein paar Mal" persönlich getroffen. Gleichzeitig kritisierte sie kürzlich, von ihr sei verlangt worden, Russlands Regierung öffentlich zu verurteilen. Das könne sie aber nicht machen. "Niemand in Russland kann das. Putin ist immer noch der Präsident Russlands", so Netrebko. "Ich finde es nicht richtig, was dort jetzt gerade passiert, aber ich bleibe eine Russin."

Sie sagte aber auch: "Ich bin natürlich gegen diese schreckliche Gewalt", so Netrebko. "Ich kenne viele Schicksale, Menschen, die bombardiert wurden, Menschen, die flüchten mussten, alles. Darüber sprechen wir viel miteinander, denn es bewegt mich zutiefst. Aber ich kann nichts an dieser Situation ändern."

Von der Staatsoper hieß es derweil, es sei wichtig, differenziert zwischen vor und nach dem Kriegsausbruch zu unterscheiden. Netrebko habe sowohl durch ihr Statement als auch durch ihr Handeln seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine eine klare Position eingenommen und sich distanziert, das gelte es anzuerkennen. "Ohne eine deutliche Positionierung der Künstlerin war und wäre eine weitere Zusammenarbeit für die Staatsoper Unter den Linden nicht tragbar."

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