Explosives Erbe - Bombenentschärfung in Oranienburg stellt Experten vor Herausforderung

Di 26.04.22 | 06:07 Uhr | Von Karsten Zummack
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Um angrenzende Gebäude zu schützen, wurde am 15.03.2022 eine Splitterschutzwand am Fundort der Bombe in der Lehnitzstraße in Oranienburg errichtet. Hier zu sehen am 21.04.2022 (Quelle: Stadt Oranienburg)
Bild: Stadt Oranienburg

In der Innenstadt von Oranienburg soll ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg unschädlich gemacht werden. Es ist bereits die 213. Bombenentschärfung - doch diese ist ganz besonders knifflig. Von Karsten Zummack

Mit explosiven Funden und den damit verbundenen Maßnahmen haben die Oranienburger mittlerweile ausreichend Erfahrungen. Nach einer längeren Corona-Pause wird nun wieder ein Sperrkreis gezogen, machen sich Experten an den kniffligen und durchaus gefährlichen Job: Es ist bereits die 213. Bombenentschärfung in Brandenburgs fünftgrößter Stadt.

Bombe wahrscheinlich schwer zu entschärfen

Anfang März wurde in der Lehnitzstraße 63 ein metallischer Gegenstand in der Erde gefunden. "Wir gehen davon aus, dass es eine teildetonierte Bombe ist", erklärt Stadtsprecherin Eike-Kristin Fehlauer. Das stellt den Kampfmittelbeseitigungsdienst vor eine besondere Herausforderung: Denn es ist unklar, ob noch Sprengstoff sowie ein intakter Zünder vorhanden sind.

Am Dienstag sollen die Bombenteile zunächst freigelegt werden. Dafür müssen die Fachleute vermutlich fünf bis sechs Meter tief graben. Erst dann entscheidet sich, ob eine Entschärfung überhaupt möglich ist. Nach ersten Erkenntnissen könnte dies schwierig werden. Deshalb wird für den Mittwoch vorsorglich eine Sprengung in Erwägung gezogen.

Sperrkreis für die Bombenentschärfung in der Oranienburger Lehnitzstraße am 27.04.2022. (Quelle: Stadt Oranienburg/Kerstin Klaus)
Sperrkreis für die Bombenentschärfung in der Lehnitzstr.Bild: Stadt Oranienburg/Kerstin Klaus

Sperrkreis und Grundwasserabsenkung

"Die Vorbereitungen laufen seit Wochen auf Hochtouren", bestätigt Stadtsprecherin Fehlauer. So muss das Grundwasser abgesenkt werden, damit es nicht kontaminiert wird. Außerdem wurden Container als Splitterschutz aufgestellt.

Am Mittwoch (27. April) gilt ab 8 Uhr ein Sperrkreis mit einem Radius von 300 Metern rund um den Fundort. In diesem Bereich leben 370 Menschen, sie müssen ihre Wohnungen verlassen. Dass die Aktion zeitgleich mit der großen Berufs- und Bildungsmesse YouLab stattfindet, sorgte bereits im Vorfeld für Gesprächsstoff. Doch eine Absage ist nicht geplant.

Im Bahnverkehr gibt es voraussichtlich keine Einschränkungen, der S-Bahnhof Oranienburg ist weit genug entfernt. Die Buslinien 804, 805 und 821 werden umgeleitet.

Sollte bei der Bombenneutralisierung alles glatt und reibungslos laufen, könnte der Sperrbereich voraussichtlich am frühen Nachmittag wieder aufgehoben werden.

Eine von zwei Versickerungsflächen, wo das abgepumpte Grundwasser wieder in die Erde geleitet wird. (Quelle: Stadt Oranienburg)
Versickerungsfläche, wo das abgepumte Grundwasser wieder in die Erde geleitet wirdBild: Stadt Oranienburg

Bundesweit Blindgänger-Hochburg

Oranienburg hält im ganzen Bundesgebiet den traurigen Rekord an Blindgängern. Unweit des Fundorts in der Lehnitzstraße war im Zweiten Weltkrieg ein Standort der "Auer-Werke". Das Unternehmen soll an der Forschung zur Atombombe beteiligt gewesen sein. Ohnehin war in Oranienburg damals die Rüstungsindustrie konzentriert. Damit galt die Stadt auch immer wieder als Ziel der alliierten Luftangriffe und wurde im Zweiten Weltkrieg 13 Mal bombardiert.

Insgesamt sollen etwa 20.000 Bomben auf Oranienburg gefallen sein. Ein Teil von ihnen dürfte noch immer unter der Erde schlummern. Das Land Brandenburg hat seit 1991 bereits 400 Millionen Euro in die Beseitigung von Kampfmitteln investiert, die Hälfte der Summe floss nach Oranienburg.

Um angrenzende Gebäude zu schützen, wurde am 15.03.2022 eine Splitterschutzwand am Fundort der Bombe in der Lehnitzstraße in Oranienburg errichtet. (Quelle: Stadt Oranienburg)
Splitterschutzwand am Fundort der BombeBild: Stadt Oranienburg

Nach der Bombenentschärfung ist vor der Bombenentschärfung

2019 startete Olaf Scholz, damals noch als Bundesfinanzminister, die "Modellregion Kampfmittelsuche Oranienburg". Schließlich gibt es laut Kampfmittelbeseitigungsdienst bundesweit keine andere Region, in der so viele Bomben mit chemisch wirkenden Langzeitzündern abgeworfen wurden. Der Status als Modellregion sichert der Stadt eine Kostenübernahme durch den Bund und zusätzliches Personal. Ende 2022 läuft das Programm aus. Und natürlich setzen sie in Oranienburg auf eine Fortsetzung.

Immerhin gehen Experten davon aus, dass die Stadt noch einige Jahrzehnte unter der Bombenlast leiden muss. Nachdem die Munitionssuche in Corona-Zeiten weitgehend pausierte, wird nun wieder verstärkt nach Überbleibseln des Zweiten Weltkriegs gefahndet. Nach der möglichen Bombensprengung in der Lehnitzstraße stehen beim Kampfmittelbeseitigungsdienst Brandenburg bereits die nächsten Maßnahmen auf der Agenda.

An der Schleuse Friedenthal wurden zwei weitere Blindgänger entdeckt. Auch sie dürften eine knifflige Aufgabe für den Sprengmeister werden. Denn die Bomben liegen in der Havel beziehungsweise der Uferböschung. Auch dort sind die Vorbereitungen bereits angelaufen. "Die Splitterschutzwände in Form von Containern sind gestellt. Dadurch konnte der Sperrbereich wie geplant so verkleinert werden, dass derzeit keine Anwohnerinnen und Anwohner evakuiert werden müssen", sagt Stadtsprecherin Fehlauer. Der Zeitplan für die Bombenentschärfung an der Schleuse steht aber noch nicht fest.

Sendung: Antenne Brandenburg, 26.04.2022, 14:00 Uhr

Beitrag von Karsten Zummack

1 Kommentar

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  1. 1.

    Sehr knifflig. Firmen und Leute, die soetwas können, verdienen eine namentliche Berichterstattung. (Tu Gutes und rede darüber)

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