Reportage | Initiative hilft Tieren
Für Igel ist der Herbst eine schwierige Zeit. Sie müssen sich dick und rund futtern und auf den Winterschlaf vorbereiten. Doch das schafft nicht jeder Igel. Unterernährten sowie verletzten Tieren hilft eine ehrenamtliche Initiative in Elstal. Von Claudia Baradoy
Langsam und mit viel Feingefühl flößt Alexandra Livet mit Hilfe einer Kanüle dem kleinen Kerl sein Mittag ein. Genüsslich schnurpst, schmatzt und schleckt der Igel die ihm zugedachte Portion vollständig auf: Pastete aus der Dose.
Eigentlich ist sein Futter für Katzen gedacht - doch es schmeckt auch Igeln. Damit päppeln die Igelretterinnen von Elstal diesen und andere Igel auf. Als das Tier bei Alexandra Livet abgegeben wurde, brachte es knapp 500 Gramm auf die Waage - zu wenig, um über den Winter zu kommen. "Igeln ist es nicht wurst, was sie fressen", sagt Alexandra Livet und lacht.
"Igel sind Feinschmecker. Wenn die einmal wirklich eine leckere Pastete bekommen haben und am nächsten Abend geben wir ihnen etwas anderes, dann drehen die den Teller einfach um und sagen so: Nö, wollen wir nicht! Aber wenn wir Würmer, zum Beispiel vom Schwarzkäfer Zophoba oder die leckeren Heimchen, also Grillen, kaufen, dann wollen die nichts anderes mehr."
Alexandra Livet hat einen igelfreundlichen Garten - mit schummrigen Ecken, Büschen, Laubhaufen und hohen Stauden, die auch im Spätherbst nicht abgeschnitten werden. Oft hatte sie Igel zu Besuch. "Und dann haben wir irgendwann zwei kleine Igel gefunden, die einfach zu wenig Speck auf den Rippen hatten. Sie hätten es nicht über den Winter geschafft. Und ich habe mir gesagt: Da läuft irgendwas schief! Der Igel findet nichts mehr, und wir müssen weiterhelfen. Mein Mann hat dann eine Igelbox gebaut und ich habe zugefüttert."
Jungigel müssen mindesten 700 Gramm, Altigel mindesten 1000 Gramm auf die Waage bringen, um genügend Reserven für den Winterschlaf zu haben. Doch es sind nicht nur hungernde Tiere, um die sich Livet kümmert. Die Lebensräume für Igel werden knapper, auch Autos und Menschen sind potenzielle Gefahren.
Um den Tieren zu helfen, hat Alexandra Livet 2020 die ehrenamtliche Initiative "Igelritter Elstal" gegründet. Inzwischen ist daraus ein Netzwerk von acht "Igelretterinnen" in und um Elstal geworden. Sie päppeln Igel auf und entlassen sie nach einer Auswilderungszeit wieder in die Freiheit. "In 2021 haben wir knapp 100 Igeln helfen können, die aus der Umgebung von Elstal, Wustermark, Dallgow und Falkensee kamen oder darüber hinaus auch Potsdam, Werder, Nauen, Ketzin und Klein Lehnin" - heißt es auf der Website der Igelritter.
Mitstreiterin Bettina Spitzer kennt keinen Schmerz. Beherzt greift sie sich die Stachelkugel, in deren Mitte eine winzige Schnauze hervorlugt: "Das ist Fauchi!" Fauchi faucht misstrauisch. Aber er meint es nicht so. Er fühlt sich nur ein bisschen gestört. "Fauchi ist ein typischen Mähroboteropfer. Er hatte eine große Wunde, die schon von Ungeziefer befallen war.
Dank Bettina Spitzer, die in einer Tierarztpraxis arbeitet, gehts Fauchi wieder gut. Viele der hier betreuten Igel sind Opfer von Mährobotern. Einem von ihnen sei die Nase abgeschnitten worden, erzählt Alexandra Livet: "Diese Roboter sind so konstruiert, dass sie über alles drüber gehen, was im Weg ist. Auch, wenn die Hersteller etwas anderes schreiben. Aber auch von den Rasentrimmern können die Tiere verletzt werden und überleben es oft nicht. "
Sie bittet Gartenbesitzer, den Rasen vor dem Mähen auf Igel und andere Tiere zu kontrollieren. Denn dann hätte sie auch weniger zu tun. Derzeit sind insgesamt 50 Igel in der Auffangstation untergebracht - und es herrscht Aufnahmestopp wegen Überbelegung.
Sendung: Antenne Brandenburg, 25.10.2022, 15:00 Uhr
Beitrag von Claudia Baradoy
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