Lotto in Berlin und Brandenburg - Gewinnen ist Silber, Schweigen ist Gold
Der 120-Millionen-Eurojackpot geht nach Berlin. Ein Gewinnerberater rät dem Gewinner dazu, erstmal keinem davon zu erzählen. Es sind aber nicht nur die Gewinner, die von Lotto profitieren, sondern auch der Staat. Von Simon Wenzel und Anna Bordel
Gemeldet hat sich noch niemand, um den Gewinn abzuholen. Möglicherweise weiß die Person noch nicht mal, dass sie gewonnen hat. Es geht dabei um eine gigantische Summe: 120 Millionen Euro hält Lotto Berlin für einen Menschen aus der Hauptstadt bereit, der mit der richtigen Zahlenkombination am vergangenen Dienstag den Eurojackpot geknackt hat.
Lutz Trabalski berät in Berlin Menschen, die beim Lottospielen hohe Gewinne erzielen. Er halte die Vorstellung für faszinierend, dass der oder die neue Multimillionär:in durch Berlin läuft, seinen Lottoschein noch nicht hat auslesen lassen und deshalb noch nichts von der neuen Welt ahnt, die sich nun auftuen wird. Ist es überhaupt eine neue Welt? Wer spielt eigentlich noch regelmäßig Lotto und was passiert mit dem ganzen Geld, das die Menschen für die Scheine ausgeben?
Lotto spielen die Älteren
"Das Klientel, das Lotto spielt, stirbt langsam weg", sagt Trabalski. Es seien vor allem die 40- bis 70-Jährigen. "Für die jüngere Generation ist Lotto nicht spannend genug, verglichen mit unkontrolliertem Zocken im Internet." Ein, zwei Mal die Woche zur Lottobude gehen und dann tagelang auf das Ergebnis warten, das sei vielen nicht schnell genug.
Auch wenn das euopaweite Lottospiel Eurojackpot, das in 18 Ländern gespielt wird, mit höheren Gewinnen lockt. Während das klassische Lotto einen Gewinndeckel von 45 Millionen Euro hat, startet Eurojackpot bereits bei 10 Millionen und kann - wie am Dienstag geschehen - ziemlich in die Höhe schnellen, wenn mehrere Ziehungen ohne Gewinner ausgegangen sind.
"In Deutschland gibt es ein Neidproblem"
Dass der oder die neue Multimillionär:in von Dienstagabend sich noch nicht gemeldet hat, hält Trabalski nicht für verwunderlich. Um den Gewinn abzuholen seien schließlich drei Jahre Zeit. Bevor man sich das Geld holt, gibt es für Gewinner:innen von großen Summen die Möglichkeit, sich von ihm beraten zu lassen. 12 bis 15 Menschen berate er etwa im Jahr, eine Untergrenze für die Gewinnsumme gibt es dabei nicht.
Was Trabalski den Gewinner fragen würde, wenn er zu ihm ins Büro kommt, um sich beraten zu lassen, wüsste er schon: "Meine erste Frage ist immer, wem sie schon alles von dem Gewinn erzählt haben". Die Antwort grusele ihn oft. "In Deutschland gibt es ein Neidproblem. Das Umfeld leitet aus dem Lottogewinn Ansprüche ab", so Trabalski. Er rät den Gewinner:innen daher, zunächst das Ereignis für sich zu behalten. Am besten sollten sie nicht mal den eigenen Kindern davon erzählen, die sich in der Schule damit brüsten könnten. Es sei sehr wichtig, sich zunächst in Ruhe zu überlegen, was man mit dem Geld machen wolle, so Trabalski.
Staat macht Milliarden durch Lottoeinnahmen
Aber es sind nicht nur die mit der richtigen Zahlenkombination, die vom Lottospielen profitieren, das tut auch der Staat. Stolze 7,9 Milliarden Euro wurden 2021 im gesamten Bundesgebiet laut "Lotto Deutschland" für Lottoscheine gezahlt. Wie viele Personen im Schnitt daran teilnehmen ist schwer zu sagen, weil nicht jeder mit dem gleichen Einsatz spielt. Was aber bekannt ist, ist die Aufteilung dieses eingezahlten Geldes. Immerhin die Hälfte der Einnahmen fließt laut "Lotto Deutschland" in den Topf für die später ausgezahlten Gewinne.
Etwas mehr als ein Zehntel der Einnahmen bleiben dort, wo beim Verkauf und der Ziehung Kosten entstehen, bei den Kiosken und in den Lotto-Verwaltungen also. Der Rest soll der Allgemeinheit zufließen: Rund 17 Prozent in Form von Steuern an den Staat, weitere etwa 22 Prozent in Form von einer Abgabe an die Länder.
Breitensport, Bildung, Jugend und Kultur profitieren mit
Der Prozentsatz für diese Abgabe kann sich "Lotto Deutschand" zufolge je nach Bundesland minimal unterscheiden, denn Lotto ist Ländersache. Berlin und Brandenburg haben also jeweils ihre eigenen Einnahmen aus dem Lotto-Geschäft. Diese werden anschließend in den Ministerien oder Senatsbehörden verteilt. Der Breitensport, Kultur-, Bildungs- und Jugendprojekte bekommen den regionalen Lotto-Büros zufolge die meisten Gelder.
In Brandenburg beispielsweise wurden mit Lotto im vergangenen Jahr rund 213,3 Millionen Euro eingenommen, von denen etwa 80 Millionen Euro als Steuern und Abgaben ans Land gingen. Alleine 20 Millionen Euro davon flossen nach Angaben von "Lotto Brandenburg" in die Breitensportförderung. In Berlin wurden sogar Lottoscheine im Gesamtwert von etwa 300 Millionen Euro gekauft – macht etwa 110 Millionen Euro für das Land. Hier profitierte nach Angaben der "Lottostiftung Berlin" die Senatsverwaltung für Bildung mit 21 Millionen Euro am stärksten.
Lotto als mögliche "Einstiegsdroge"
Trotzdem sollte man nicht bedenkenlos zur nächsten Lotto-Bude rennen. Denn auch staatlich organisiertes Glücksspiel ist Glücksspiel. "Lotto bietet eher kleine Risiken, sich um Hab und Gut zu bringen, ist aber vor allem als Einstiegsdroge gefährlich. Macht eventuell Lust auf andere Glücksspiele, die höhere Einsätze erfordern", sagt der Psychologe Karsten Noack, ein Experte für Spielsucht. Für Menschen, die regelmäßig spielen, sei Lotto häufig so etwas wie "die letzte Hoffnung in einem nicht erfüllten Leben", so Noack.
Glücklicher machen würde das Geld Menschen, die keinen Plan für ihr Leben haben, seiner Erfahrung nach eher nicht. Sie würden ein schickeres Auto fahren, hätten ein neues Handy, hörten auf zu arbeiten, aber zufriedener würden sie langfristig dadurch nicht, sagt Noack. Viele seiner Patienten würden nach einigen Sitzungen zu dem Schluss kommen, dass sie das Geld eigentlich nicht bräuchten, um die Dinge im Leben zu verändern, die sie wirklich verändern wollten. Zufriedene Menschen, die sicher im Leben stehen, für die könnte der Lottogewinn allerdings eine Bereicherung sein, sagt Noack weiter.
An einen solchen Menschen erinnert sich Lutz Trabalski von Lotto Berlin. Ein Rollstuhlfahrer hätte einmal seinen Gewinn bei ihm abgeholt und von seinem Traum erzählt, den er sich nun endlich erfüllen könne: eine Amazonasreise. Was der oder die Unbekannte mit den 120 Millionen Euro anstellen wird, werden wir - sollte der Gewinner sich an den Geheimhaltungsrat halten - wohl nie erfahren.
Sendung: rbb 88,8, 10.11.2022, 9:14 Uhr