Artenschutz für Kiebitze - Personenschutz für seltene Vögel

Fr 02.06.23 | 07:55 Uhr | Von Wolfgang Albus
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Ein Kiebitz (Vanellus vanellus) stolziert am 20.03.2018 in Mallnow Brandenburg über eine Wiese. (Quelle: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul)
Video: rbb|24 | 18.06.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell, Super.Markt | Bild: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Kiebitze in Brandenburg kämpfen ums Überleben, denn Waschbären, Füchse und Marderhunde plündern ihre Nester. Weil Kiebitze am Boden brüten, sind ihre Eier leichte Beute. Naturschützer reagieren mit einer Notmaßnahme. Von Wolfgang Albus

Das Westhavelland ist über die Grenzen Deutschlands als Vogelparadies bekannt, vor allem als Rastplatz der Kraniche während des Vogelzugs. Ranger Thomas Klinner von der Naturwacht Brandenburg ist fast täglich in dieser Landschaft unterwegs und bemerkt, dass sogenannte Bodenbrüter kaum noch anzutreffen sind. Nesträuber haben sich in den vergangenen Jahren rasant vermehrt.

Waschbär und Fuchs gefährlicher als Greifvögel

Der Fuchs breitet sich aus, seit die Tollwut zurückgedrängt wurde. Hinzugekommen ist der Waschbär. Das niedliche Tier stammt ursprünglich aus Nordamerika und ist um 1945 unter anderem aus Pelztierfarmen in Brandenburg entkommen. Nun stellt er für den Nachwuchs der Kiebitze eine tödliche Gefahr dar. Während Kiebitze ihr Nest sogar gegen Greifvögel verteidigen können, sind sie in diesem Fall machtlos.

Schutzzäune für den bodenbrütenden Kiebitz werden im Mai 2023 in Brandenburg aufgestellt. (Quelle: rbb)
| Bild: rbb

Elektrozaun gegen Räuber

Die Naturwacht unternimmt nun im Westhavelland einen fast verzweifelten Versuch, um die letzten Kiebitze zu schützen. Gemeinsam mit Vogelexperten wie Peter Haase hat sie einige beliebte Brutflächen der Kiebitze identifiziert. Es handelt sich um landwirtschaftliche Flächen, die nun mit Elektrozäunen geschützt werden. Eine Sisyphos-Arbeit. Wenn der Zaun erst einmal steht, muss täglich kontrolliert werden, ob er Strom führt. Und wenn das Gras unter dem Zaun zu hoch wächst, muss er für die notwendigen Mäharbeiten von Hand versetzt werden.

Thomas Klinner beschreibt plastisch, dass es sich beim Kiebitzschwund um ein neues Phänomen handelt. In den 1970er Jahren habe es sogar Menschen gegeben, die Kiebitzeier gesammelt und körbeweise mit nach Hause genommen hätten. Das habe den Bestand nicht gefährdet. "Es war in Ordnung, weil es einfach genug gab", sagt Klinner. "Wenn man heutzutage einen Korb Kiebitzeier mitnimmt, dann war es das. Dann gibt es keinen Kiebitz mehr hier bei uns im Havelland."

Der Elektrozaun scheint sich als Notmaßnahme zu bewähren. In der eingezäunten Fläche haben sich im Mai tatsächlich Kiebitze angesiedelt. Thomas Klinner untersucht vorsichtig die Nester und stellt fest, dass die Eier erfolgreich bebrütet wurden. Angesichts einer Fläche von gut 15 Hektar ist die Fläche kaum mehr als eine kleine Arche. Selbst eine zehnfache Größe könnte den Bestand kaum stabilisieren.

Jagd: aufwändig und nur unter Auflagen

Da es diese Probleme nicht nur in Brandenburg gibt, wünscht Klinner sich eine bessere Koordination und Erforschung möglicher Schutzmaßnahmen, wie er sagt. Eine Lösung würde direkt an der Ursache ansetzen: die Jagd. Füchse oder Waschbären abzuschießen, gilt aber als wenig populär. Die Jäger kommen dieser Aufgabe zwar nach, angesichts des fast vollständigen Verschwindens der Bodenbrüter reicht das aber offenbar nicht aus.

Thomas Klinner bringt daher eine weitere Variante ins Spiel: "Wir brauchen Berufsjäger, die sich wirklich nur damit beschäftigen, weil das von privaten Hobby-Jägern einfach zeitlich gar nicht leistbar ist."

Volles Gelege eine Kiebitzpaares: Schutzzäune sollen Lage der bedrohten Kiebitze in Brandenburg verbessern. (Quelle: rbb)
Bild: rbb

Die Jagd ist auch deshalb aufwändig, weil die scheuen Tiere oft nur mit Fallen erlegt werden können. Da kommt der Tierschutz ins Spiel: Fallen müssen Tiere entweder unversehrt lebend fangen oder das Tier sofort töten. Das setzt Erfahrung und die entsprechende Technik voraus.

Vogelschützer Peter Haase verweist darauf, dass zu DDR-Zeiten die Jagd auf Beutegreifer erfolgreicher gewesen sei. Nicht nur die Bejagung des Waschbären müsse verstärkt werden, auch der Fuchs sei ein immer größeres Problem. Dabei hält er auch Abschuss-Prämien für einen erfolgversprechenden Weg.

Der Nabu hat noch einen Rat für alle, die in der Natur unterwegs sind. Um den bedrohten Bodenbrütern während der Brutzeit (ab März) möglichst viel Ruhe zu gönnen, sollten Spaziergänger und Hobbysportler Wege nicht verlassen und Hunde an einer Leine geführt werden.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 01.06.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Wolfgang Albus

9 Kommentare

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  1. 9.

    Probleme die man selbst ausgelöst hat wer hat den in den 1990 und folgenden Jahren in Nacht und Nebelaktionen verschiedene Arten aus Aufzucht und Nachzucht Stationen zum Kommerziellen Gebrauch befreit( waren dies nicht die Mitglieder von Nabu; BUND und andere Gruppierungen) Tiere die sich Stark vermehrt haben unkontrolliert ohne Fressfeinde und jetzt sehen wir dieses erneut, die Auswirkungen. Wölfe und Bären Nachaufzuchten die sich als Problematisch herausgestellt haben. ( Schießbefehl)

  2. 8.

    Wie kommen Sie darauf, dass in Naturschutzgebieten die Jagd verboten ist. Da verwechseln Sie wohl etwas! In bestimmten Wildnisgebieten ist die Jagd untersagt. Mit der natürlichen Regelung der Wildbestände ist es auch nicht so doll.

  3. 7.

    "notwendiges" kurzhalten von Wild findet in Naturschutzgebieten 100% nicht statt, weil dort Jagdverbot herrscht. Verteidiger der Jagd könnten (der ihr eigenen Logik zufolge) darauf hinweisen, daß in Naturschutzgebieten die Wildpopulation überhand nimmt <> stimmt aber gar nicht, weil dort die Natur das "kurzhalten" von Wildpopulation selber regelt - besser als Menschen es können. Also: Der Laie staunt, der Fachmann wundert sich - und gut ist!

  4. 6.

    Das "Hinz und Kunz" kein professionelles Rattengift in die Hände bekommt und keine Schlagfallen mehr aufstellen darf ist völlig in Ordnung. Diese Änderung erfolgte ja nicht zum "Schutze der Ratten", eher zur Vermeidung von "Kollateralschäden" und obwohl ich absolut kein Fan von freilaufenden Stubentigern bin, die übrigens auch Vögel, gerade Jungvögel, jagen und lediglich den Spieltrieb befriedigen, ist es nicht hinnehmbar, wenn deren Pfoten durch unsachgemäß aufgestellte Fallen zertrümmert werden. Ab und an fand man auch Vögel und weiteres Kleingetier in diesen Dingern. Ebenso ein Problem waren unsachgemäß ausgelegte Giftköder für Haustiere oder Giftweizen für Vögel. Für die Rattenbekämpfung gibt es professionelle Firmen - ok, die kosten nunmal was.

  5. 5.

    Ein sehr gutes Beispiel was passiert, wenn man nichts macht. Und genau dafür ellenlang, bei geschmierten Brötchen, zusammensitzt.
    Beispiel: Wenn man die klassische Winterarbeit des Schilffschneidens nicht mehr machen darf weil es Geld kostet, gibt es keine Singvögel mehr. Aber immer mehr invasive Arten von Raubtieren, die den zugewachsenen See mögen. Von wegen, die Natur wird das schon machen. Das ist ein Spruch für „Faulis“. Sagen die Anwohner am Dobbrikower See. Und erklärt warum bestimmte Politiker nichts von Grün verstehen, sich aber so anziehen.

  6. 4.

    Hier wird wieder deutlich, dass der Mensch als "Herr" über Leben (und Tod) sich oben an stellt:
    > Spaziergänger sollten den brütenden Tieren viel Ruhe "gönnen"

  7. 3.

    Neben Waschbär und Marderhund dürften auch die überhand nehmenden Schwarzwildbestände sowie die kaum noch bekämpften Wanderratten ein Problem für Kiebitze und andere Bodenbrüter darstellen. Beim Schwarzwild würde eine konsequente Bejagung, bei den Ratten die Freigabe derzeit verbotener, wirkungsvoller Bekämpfungsmittel helfen.

  8. 2.

    Während meiner Kindheit in den Sechzigern bin ich gern durch Wald und Flur auf der Insel Sylt gegangen. Kiebitze gab es zu hauf, denn Wald gab es zu dieser nur wenig und der gehört dort auch nicht hin. Heute gibt es dort jede Menge Krähen Raben oder was auch immer in dieser Richtung. Dazu Kiebitze? Nach langer Ausschau nur zwei Stück entdeckt. Das gesamte Problem ist von Menschenhand verursacht und kann auch durch den Vernunft gesteuerten Menschen gelöst werden.

  9. 1.

    Der Begriff "Hobby-Jäger" trifft wohl 100 prozentig ins schwarze. Die ständige Verniedlichung von Fuchs, Waschbär,
    Rehkitz und Co. und gesellschaftlich falsch ausgebildete Ideale von Wild und Natur trägt wohl auch dazu bei, dass das
    notwendiges Kurzhalten von o. g. Bestand und anderen Tieren einfach nicht mehr ausreichend erfolgt, zum Nachteil
    vom Waldumbau und Artenvielfalt. Traurig, traurig das ganze ...

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