"Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" - Anika Decker vs. Til Schweiger - Drehbuchautorin gewinnt vor Gericht

Mi 27.09.23 | 16:00 Uhr | Von Jonas Wintermantel
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Archivbild: Die Produzentin Anika Decker und der Schauspieler Til Schweiger erhalten für den Film "Keinohrhasen" den "Publikumspreis" bei der Verleihung des Bayerischen Filmpreises am 16.01.2009. (Quelle: dpa/Tobias Hase)
Bild: dpa/Tobias Hase

Anika Decker hat den jahrelangen Rechtsstreit gegen die Produzenten von "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" gewonnen. Finanziell wird sie wohl kaum profitieren. Doch es geht um mehr als nur um Geld. Von Jonas Wintermantel

Nun steht es fest: Der Drehbuchautorin Anika Decker steht eine höhere Beteiligung an den Gesamteinnahmen aus Til Schweigers Filmen "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" zu. Das hat das Landgericht Berlin am Mittwoch entschieden. Konkret geht es um 183.000 Euro.

Doch: Decker wird sich nur kurz freuen können - finanziell wird sie von dem Urteil kaum profitieren. Der Großteil ihrer Ansprüche ist laut Urteil verjährt. Auch die Prozesskosten für das insgesamt fünfjährige Verfahren wird sie selbst tragen müssen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig – die Beteiligten können dagegen Berufung einlegen.

Worum ging es in dem Fall?

Der Rechtsstreit zwischen der Drehbuchautorin Anika Decker und der Produktionsfirma "Barefoot Films" sowie "Warner Bros." lief bereits seit 2018. Vordergründig ging es dabei um eine höhere Beteiligung an den Einnahmen aus Schweigers Kinofilmen "Keinohrhasen" (2007) und "Zweiohrküken" (2009).

Decker und ihr Anwalt stützten sich mit ihrer Klage auf den sogenannten "Fairness-Paragrafen" im Urheberrechtsgesetz. Dieser gewährt Kreativen seit 2002 eine angemessene Beteiligung etwa an Filmerfolgen, wenn die Vergütung (wie in diesem Fall für die Autorin) im "auffälligen Missverhältnis" zu den Einnahmen aus dem Film steht.

Anhaltspunkte dafür stellte das Gericht bereits im Februar 2022 fest. Anika Decker war für "Keinohrhasen" mit 50.000 Euro vergütet worden, für "Zweiohrküken" mit 157.000 Euro. Für das Gericht war klar: Hier ist ein "auffälliges Missverhältnis" gegeben.

Wurde Decker angemessen beteiligt?

Ein großer Erfolg waren beide Filme ohne jeden Zweifel. "Keinohrhasen" war 2008 der erfolgreichste Film in den deutschen Kinos, "Zweiohrküken" 2009 die meistverkaufte DVD im Land. "Keinohrhasen" spielte in den Kinos 70 Millionen, "Zweiohrküken" rund 43 Millionen Euro ein.

Decker kämpfte vor Gericht mit einer sogenannten Stufenklage. In einer ersten Stufe verlangte sie von "Barefoot Films" und "Warner Bros." Auskunft über die Einnahmen des Films – in den Kinos, aber auch durch DVD-Verkäufe, Fernsehen und Streaming-Dienste.

Das Landgericht Berlin gab Decker 2020 Recht – und damit war der Weg frei für die zweite Stufe des Verfahrens und um die Frage, wie viel Geld der Drehbuchautorin zustehen könnte.

Wer hat‘s geschrieben?

Um die Frage nach Ansprüchen klären zu können, musste das Gericht zunächst feststellen, ob Anika Decker überhaupt die (Haupt-)Autorin der Drehbücher gewesen ist – beziehungsweise wie hoch ihr Anteil an der Leistung war.

"Barefoot Films" argumentierte vor Gericht, die Drehbücher beider Filme seien in Zusammenarbeit zwischen Til Schweiger und Anika Decker entstanden. Auch während der Promotionsphase der Kinofilme wurden die beiden als Autoren-Paar präsentiert. In der Verhandlung zeigte sich jedoch: Schweiger hatte nur gut eine Woche mit Decker am Drehbuch gearbeitet und vor allem persönliche Anekdoten beigetragen.

Das Gericht sah das ähnlich und bestätigte Decker als Haupt-Autorin der Drehbücher.

Problem: Verjährung

Decker wird aus ihrem juristischen Erfolg vor dem Gericht jedoch kaum finanzielle Vorteile ziehen können. Der Hauptgrund dafür ist die Verjährung ihrer Ansprüche. "Sie hätte viel früher Klage erheben müssen", sagte der Vorsitzende Richter Rolf Danckwerts bei der Urteilsverkündung im Berliner Landgericht.

Denn: Besteht im Urheberrecht der Verdacht einer unangemessenen Vergütung, muss die Urheberin innerhalb von drei Jahren auf Auskunft klagen. Anika Decker hat allerdings erst 2018 Klage eingereicht – also gut zehn Jahre nach den Kinostarts von "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken".

Decker und ihrem Anwalt ging es daher vordergründig nicht um die Erlöse aus den Kinofilmen, sondern vielmehr um die Anteile an den sogenannten "Folgeauswertungen", also um Einnahmen, die etwa durch Streaming, DVD-Verkäufe oder Fernseh-Ausspielungen generiert wurden. Aber auch für eine Beteiligung an diesen späteren Einnahmen war Decker spät dran.

Ein Urteil mit Signalwirkung?

Wie viel Geld am Ende für Decker übrigbleiben wird, ist noch unklar. Auch über eine mögliche Berufung der verschiedenen Parteien ist noch nichts bekannt.

Das Urteil könnte in jedem Fall Signalwirkung entfalten, denn es stärkt die Rechte von Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren bei herausragenden Erfolgen ihrer Werke. Ob weitere Kreative dem Beispiel Deckers folgen werden, bleibt abzuwarten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.09.2023, 15:00

Beitrag von Jonas Wintermantel

13 Kommentare

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  1. 13.

    Super, dass sich die Justiz für nahezu nichts (Materielles, da Ansprüche verjährt) jahrelang mit dieser Thematik zu beschäftigen hatte.

  2. 11.

    Aufklärung inklusive, danke. Besser noch wäre gewesen sie hätte sich vorher richtig beraten lassen. Gerade in juristischer Hinsicht.

  3. 10.

    Es ist doch wieder der typische Fall von "der Staat oder die Justiz soll das eigene Unvermögen ausgleichen"! Spätestens nach dem großen Erfolg von "Keinohrhasen" sollte der Autorin doch klar gewesen sein, dass "Zweiohrküken" ähnlich durchschlägt. Wenn man nicht Willens oder in der Lage ist, wenigstens den Folgevertrag darart auszuverhandeln, dass man da am zu erwartenden Erfolg angemessen beteiligt wird, dann sollte man sich eher verschämt aus der Öffentlichkeit zurückziehen, statt zu klagen. Wer für solch einen bekannten und recht beliebten Schauspieler und Regisseur ein Drehbuch schreibt, muss davon ausgehen, dass der Film sehr erfolgreich werden wird und muss das eben in der Vertragsgestaltung von Vornherein berücksichtigen.

  4. 9.

    @ Andrea, ignorieren Sie die Meldung einfach wenn's Sie es nicht interessiert.

  5. 8.

    Eine sehr gelungene Antwort, die zu lesen mir eine Freude war (hat man in diesem Forum leider nicht all zu oft). Vielen Dank.

  6. 6.

    Nennt man Allgemein- Weltbildung. Die Lebenswelten, Konflikte, Produktionsbdeingungen einer Ware verstehen, die man ziemlich alltäglich konsumiert.
    Hilft auch zu verstehen warum seit Wochen in den USA die Filmarbeiterinnen-Gewerkschaft streikt. Weshalb das Lieferando an allerlei Verwerter und deren Kundinnen und Kunden stockt. Zu letzteren gehören Sie wahrscheinlich auch.

    Also sicher. Man muss nichts mit diesem Informationsangebot anfangen. Man muss ja mit nichts was anfangen wollen. Muss ja nicht. Kann. Aber nicht muss.

  7. 5.

    Was soll "Ottonormalverbraucher" nun mit dieser Antwort anfangen?

  8. 4.

    Deutsche Kapitalgesellschaften wie die barefoot films GmbH müssen ihre Jahresbilanzen offenlegen. Die Jahresbilanzen gibts auf Fachportalen im Internet einzusehen. Da sind dann die Einnahmen auch zu sehen. Solch eine Bilanz ist kein Kassenbuch mit allen Einnahmen und Ausgaben, sondern doch schon spezieller mit Kostenstellenkonten.
    Ich bin nur etwas überrascht, dass die Drehbuchautorin ein Festhonorar vereinbart hatte und nicht wie international üblich bei Kinofilmen auch eine dauerhafte Beteiligung an den Einnahmen. Offensichtlich hatte sie aus dem ersten Film "Keinohrhasen" mit nur 50.000 EUR gelernt und für den Folgefilm "Zweiohrküken" dann doch schon mal 157.000 EUR Honorar verhandelt.
    Das ist ja nun wirklich irgendwie blöde gelaufen. Zumal die Verjährung und Deutschland absolut ist.

  9. 3.

    Noch ein Grund mehr, Schweiger-Filme zu meiden...

  10. 2.

    Was soll „Ottonormalverbraucher“ nun mit dieser Meldung anfangen?

  11. 1.

    Das ist ein Problem in der Branche. Zum einen kommt man an die Buchführung - also die Offenlegung der Einnahmen nicht heran. Das muss erst eingeklagt werden. Dann ist zunächst offen, ob das Missverhältnis zuungunsten der Drehbuchautorin besteht - ihr also etwas zusteht. Dann ist man aber in der sehr übersichtlichen Branche bereits die Prozesshanseline. Noch völlig unklar ob die mögliche Nachvergütung im Verhältnis zum Ruf-Schaden steht...und am Ende klatschen die Verjährungsfristen ab.

    Ja dieser Prozess ist wichtig. Denn er sagt viel mehr über Til Schweiger-Produktionen, als die Geschichten vom übergriffigen, betrunkenen oder cholerischen Regisseur oder Schauspielkollegen am Set. Was fraglos so ist. Aber nur in den Griff zu kriegen ist, wenn das Produktionsteam gut organisiert ist.
    Ebenso bei den DrehbuchautorInnen. Die Gewerkschaft in den USA macht es gerade vor. DrehbuchautorInnen werden in Deutschland einfach als Filmemacherinnen nicht wahrgenommen.

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