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Audio: rbb|24 | 14.08.2023 | O-Ton: Mathias Köhler | Quelle: privat

Was wurde aus ...? | Airberlin-Angestellter

"Aufstehen. Krone richten. Weitermachen"

Airberlin war für viele eine Kult-Fluglinie. Vor sechs Jahren aber ging die Airline pleite. Damals verloren rund 8.000 Menschen ihren Job. Einer von ihnen ist Mathias Köhler aus Berlin. Wie ist es ihm und seinen ehemaligen Kollegen seitdem ergangen?

rbb|24: Herr Köhler, Sie haben bei Airberlin als Flugbegleiter gearbeitet. Wie kam es dazu?

Mathias Köhler: Ich hatte schon als Kind den Traum vom Fliegen. Damals in Dresden, wo ich in den 90ern aufgewachsen bin, ist mein Opa immer mit mir auf die Terrasse des Flughafens gegangen. Außerdem haben wir gemeinsam Modellflugzeuge gekauft. Ich habe dann später zunächst eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gemacht und bei einem Supermarkt gearbeitet. Dann wurde ich Altenpfleger. Da habe ich viel über Empathie und Kontakt mit Menschen gelernt. Gleichzeitig hat es mir schon immer Spaß gemacht, Flugbegleiterinnen und -begleitern bei der Arbeit zuzusehen. Also habe ich mich 2012 bei Airberlin beworben.

Fünf Jahre nach der Pleite

Hunderttausende Air Berlin-Kunden warten noch auf Geld

Wieso haben Sie sich damals bewusst für Airberlin entschieden?

Ich habe Airberlin durch und durch geliebt. Auch das stammt aus meiner Kindheit. Wir sind damals mit Airberlin nach Ägypten geflogen und ich erinnere mich zum Beispiel noch gut an das Bonbon, das man beim Einsteigen bekommen hat. Später als ich dort gearbeitet habe, waren diese Bonbons mit Brause auch bei der Besatzung sehr beliebt.

Hat die Arbeit bei Airberlin ihre Erwartungen erfüllt?

Das war ein Traumjob, vor allem wegen des familiären Arbeitens. Eine Kollegin, die heute meine beste Freundin ist, war zum Beispiel immer mit mir zusammen auf Langstreckenflügen. Wir hatten das so requested, uns also so gewünscht. Ich weiß auch noch, wie ich mit meiner Crew beim Sightseeing in St. Petersburg mal fünf Stunden durch den Regen gelaufen bin. Oder wir haben gemeinsam am Strand in Tel Aviv beim Sonnenuntergang unser Feierabendbier getrunken. Das war einfach eine unbeschwerte Zeit. Man hatte allerdings auch viel Schicht- und Nachtarbeit.

Die Abwicklung von Airberlin

Das Ende kam mit der Insolvenz. Wie haben Sie von der Pleite erfahren?

Ich erinnere mich noch genau, dass wir am Tag vor der Insolvenz mit einem Flug in Los Angeles waren und dort Riesenrad gefahren sind. Am nächsten Morgen hat mein Handy wie verrückt geblinkt, weil ich mehr als 30 Nachrichten bekommen hatte, von wegen "Gehts dir gut?" und "Alles wird gut". Ich dachte erst, da wäre jemand gestorben. Erst danach habe ich das mit der Insolvenz verstanden. Ich hab dann als erstes im Dienstplan nachgeschaut, ob wir überhaupt noch zurückfliegen werden. Es hätte ja auch so kommen können wie bei der Swiss-Air-Pleite 2001, als alle Flugzeuge sofort gegroundet wurden und am Boden blieben. Die Crew und ich haben uns dann noch gegenseitig motiviert, jetzt nicht nur den Kopf hängen zu lassen. Ich hab mir gesagt: Aufstehen, Krone richten, weitermachen.

Wir hatten ja auch vorher schon geahnt, dass etwas passieren würde. Aber in dem Augenblick wussten wir natürlich nicht, wie es dann wirklich weitergeht. Dass am Ende fast alle entlassen wurden, war dann schon überraschend.

Wie ging es danach für Sie weiter?

Easyjet hat damals viele Flugzeuge von Airberlin gekauft. Aber die Mitarbeiter wurden nicht übernommen. Ich habe mich also bei Easyjet beworben und konnte dann glücklicherweise wenige Wochen nach der Insolvenz bei denen anfangen. Aber dann kam 2020 Corona, die Flugzeuge blieben am Boden und Easyjet hatte entschieden, Stellen abzubauen. Ich war dann leider raus, weil ich als einer der letzten neu dazugekommen war.

Aber dann haben wiederum die Impfzentren um Flugbegleiter geworben, weil die mit Menschen umgehen können und flexibel sind. Ich bin daraufhin im Corona-Impfzentrum in der Messe Berlin gelandet und da für acht Monate geblieben.

Danach war ich noch vier Monate lang in der Kundenberatung bei Doctolib. Aber da habe ich gemerkt: Nine-to-five im Büro zu sitzen ist nichts für mich. Ich brauche einfach mehr Abwechslung.

In der Zeit hat die Deutsche Bahn nach Zugchefs gesucht. Seit Anfang 2022 arbeite ich jetzt dort. Der Job ähnelt dem Kabinenmanager im Flugzeug. Nur muss ich bei der Bahn noch zusätzlich darauf achten, dass der Zug im Bahnhof auch richtig abgefertigt wird.

Ihre beste Freundin haben Sie schon erwähnt. Haben Sie noch weiteren Kontakt zu ehemaligen Airberlin-Kollegen?

Mein Berliner Freundeskreis besteht aus ehemaligen Airberlinern. Die sind meine Berliner Familie und ein wichtiger Anker. Auch die sieben Besatzungsmitglieder von dem Flug nach Los Angeles, mit denen ich gemeinsam von der Insolvenz erfahren habe, sehe ich heute noch. Das hat uns damals echt zusammengeschweißt. Immer wenn der Jahrestag wieder näher rückt, schreiben wir uns auch wieder mehr. Insgesamt habe ich noch zu ungefähr zehn Leuten von damals engen Kontakt.

Zusätzlich bin ich in einigen Facebookgruppen von ehemaligen Airberlinern. Da tauschen wir regelmäßig Erinnerungen und lustige Momente aus, zum Beispiel wie ich mal eine Kollegin im Flugzeug erschreckt habe. Diese Erinnerungen kann uns keiner nehmen. Vielen fehlt Airberlin bis heute.

Quelle: privat

Wie ist es Ihren Bekannten ergangen?

Also die Piloten, von denen ich gehört habe, sind alle in der Branche geblieben, weil sie speziell qualifiziert sind. Aus den anderen Bereichen kenn ich welche, die sind wie ich zur Deutschen Bahn gegangen oder sie haben sich Bürojobs gesucht. Einige haben es auch als Chance begriffen, nochmal etwas ganz Neues anzufangen, zum Beispiel eine Ausbildung.

Ich persönlich habe von niemandem gehört, der total in ein Loch gefallen wäre oder bis heute arbeitslos ist.

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Könnten Sie sich vorstellen, nochmal bei einer Airline zu arbeiten?

Die Uniform und die Tasche von damals habe ich noch. Ich könnte also ab morgen wieder für Airberlin arbeiten (lacht). Aber im Ernst: Ich bin ein Mensch, der Sicherheit mag, gerade jetzt wegen des Kriegs in der Ukraine und der schwankenden Wirtschaft. Wenn man sich die letzten 20 Jahre in der Fliegerei anguckt, merkt man: Die waren einfach nicht so krisenfest. Die Jobsicherheit bei der Deutschen Bahn ist dagegen top. Aber dennoch: Sag niemals nie!

Das Interview führte Philip Barnstorf.

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