Generalshotel am BER vor dem Abriss - "Als Denkmalpfleger blutet einem das Herz"

Do 22.06.23 | 18:45 Uhr | Von Thomas Bittner
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Generalshotel auf dem Flughafen BER (Quelle: rbb/Thomas Bittner)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 22.06.2023 | T. Bittner | Bild: rbb/Thomas Bittner

In diesem Sommer soll ein historisches Empfangsgebäude auf dem Gelände des Flughafens BER für immer verschwinden. Eine Initiative zur Rettung des Generalshotels will das verhindern. Von Thomas Bittner

  • Generalshotel soll für Regierungsflughafen weichen
  • Rettungsinitiative fordert Abrissmoratorium
  • Bundeskanzler wird um Unterstützung gebeten

Die Anreise zum Generalshotel ist beschwerlich. Denn die stattliche Villa steht einsam auf dem nördlichen, vom Passagierverkehr längst verlassenen Teil des Flughafens BER, hinter Stacheldraht und Bauzäunen. Nur mit Anmeldung und polizeilicher Begleitung können Interessierte mit dem Bus vor das Haus fahren. Am Mittwoch hatte eine Initiative aus Politikern, Architekten und Denkmalpflegern zum Vor-Ort-Termin geladen.

Sie wollen das Haus retten. Aber der abendliche Ausflug wirkte wie ein Abschiedsbesuch. Denn das Schicksal des Generalshotels scheint besiegelt. Ein großer Schuttcontainer wartet schon vor dem Portal. Im Juli wird das Haus ausgeräumt, im August rollen die Bagger.

"Es blutet einem das Herz", sagt Haiko Türk, Dezernatsleiter beim Landesdenkmalamt. "Der Bau ist einmalig. So ein Denkmal haben wir auf der Brandenburgischen Denkmalliste mit 14.000 Denkmalen nicht nochmal, nicht mal annähernd."

Generalshotel auf dem Flughafen BER (Quelle: rbb/Thomas Bittner)
Bild: rbb/Thomas Bittner

Kronleuchter und Marmorwände

Stephanie Herold, Professorin für Denkmalpflege an der TU Berlin, spürt schon beim Betreten des Hauses: "Dies ist ein Ort, der leicht beeindruckt."

Der Blick im Foyer geht immer wieder nach oben. Ein riesiger Kronleuchter über einem mit Marmor- und Natursteinwänden ausgekleideten Raum empfängt die Besucher. Im Treppenhaus fallen die Geländer des bekannten Metallbildhauers Fritz Kühn auf. Im Obergeschoss, in der sogenannten Generalswohnung, entdecken die Besucher noch Originalstoff-Tapeten und holzvertäfelte Einbaumöbel aus der Entstehungszeit.

Zwischen 1947 und 1949, zu einer Zeit, als im Osten Deutschlands noch der Schutt weggeräumt wurde und kaum ein Neubau entstand, ließ die sowjetische Militäradministration auf dem Gelände ihres neuen Flughafens eine repräsentative Villa bauen.

Das Haus zwischen den Rollfeldern trug viele Namen. "Generalshotel" heißt es, weil dort die ankommenden sowjetischen Generäle der Besatzungsmacht gebührend empfangen werden sollten. Offiziell hieß es damals "Haus der Spezialpassagiere". Als das sowjetische Militär in den 1950er Jahren den inzwischen zum Zivilflughafen gewandelten Airport Schönefeld Richtung Sperenberg verließ, überließ es das Empfangsgebäude der DDR-Führung. Nun hieß es "Sonderabfertigung". Die Flughafenmitarbeiter nannten es "Millionenpalast", man erzählte sich von Seidentapeten und Marmorböden. Die meisten kannten das Innere aber nur vom Hörensagen. Denn die "Sonderräume" durften nur "berechtigte und avisierte Personen" betreten: die Partei- und Staatsführung, ausländische Delegationen und Staatsgäste.

Das "Generalshotel" am Flughafen Schönefeld, aufgenommen 2016. (Quelle: rbb)
Bild: rbb

DDR-Führung wollte 1991 Haus sanieren

Jahrzehntelang hatte sich wenig an dem Bau verändert. Die Inneneinrichtung, Leuchter, Treppenhäuser und Türen stammen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit. Was heute Denkmalschützer begeistert, machte den Verantwortlichen in der DDR zu schaffen. In einem Maßnahmenpapier aus den frühen 80er Jahren, das im Stasi-Unterlagen-Archiv lagert und rbb24 vorliegt, heißt es, die Ausstattung sei "teilweise moralisch und physisch verschlissen". Den "gestiegenen protokollarischen Anforderungen" könne "räumlich und funktionell nicht mehr in vollem Umfang entsprochen werden." Für das Jahr 1991 war eine umfassende "Rekonstruktion der Bausubstanz und Gebäudetechnik" geplant, heißt es im Stasi-Papier. Mit einem Aufwand von 3,5 Millionen DDR-Mark rechnete man in Schönefeld. Dazu kam es nicht mehr. Das Generalshotel blieb als Zeugnis der Nachkriegsarchitektur erhalten. Seit 1996 steht es auf der Denkmalliste.

Nach der Vereinigung übernahm die Bundespolizei das Gebäude. In den letzten Jahren vor der Eröffnung des BER nutzte sie das Gebäude, um von Schönefeld aus Abschiebungen durchzuführen. Noch heute erinnern Türschilder daran, in welchen Zimmern Ärzte saßen und wo Grenzkontrolleure des "Bereichs Rückführung" arbeiteten. "Kein Durchgang mit Waffe" mahnt ein Schild am Haupttor.

Generalshotel auf dem Flughafen BER (Quelle: rbb/Thomas Bittner)
Bild: rbb/Thomas Bittner

Erich Honecker traf hier Helmut Schmidt

Über all die Jahrzehnte seines Betriebs war das Generalshotel für ganz spezielle Empfänge und Abschiede im Einsatz. Das graue Haus mit dem markanten Eingang ist mehr als nur ein Denkmal, in ihm ist auch Geschichte geschrieben worden.

Nicht nur sozialistische Staatsführer wie Leonid Breshnew oder Fidel Castro landeten hier, sondern auch westliche Staatschefs wie Kanadas Premier Pierre Trudeau oder Schwedens Ministerpräsident Olof Palme. 1981 wurde vor dem Haus Bundeskanzler Helmut Schmidt zu seinem winterlichen DDR-Besuch empfangen, live beobachtet von Fernsehkameras aus Ost und West. Die südafrikanische Sängerin Miriam Makeba und der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin betraten hier den Boden der DDR.

Inzwischen hat die Bundespolizei als letzte Mieterin das Gebäude verlassen. Hausherr ist nun die BIMA, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Ihre Aufgabe ist es, Platz zu schaffen. Denn auf dem Gelände soll der Regierungsflughafen entstehen. Der Planfeststellungsbeschluss dafür stammt aus dem Jahr 2011. Schon damals wurde gegen den Einwand der Denkmalpfleger das Gebäude zum Abriss freigegeben. Auf dem Gelände sollen Betriebsflächen für den Regierungsairport entstehen. Hier sollen eines Tages Flugzeuge abgestellt, betankt und beladen werden.

Der Umzug der Regierungsstaffel, der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums, von Köln-Bonn nach Berlin-Schönefeld sei für 2034 geplant, sagt Sahra Damus, bündnisgrüne Landtagsabgeordnete aus Brandenburg. "Das ist der Punkt, an dem wir als Initiative sagen: Dann müssen wir nicht in zwei Monaten anfangen, das Gebäude abzureißen, sondern dann sollten wir jetzt innehalten." Ein Abrissmoratorium fordert sie zusammen mit der Initiative "Generalshotel retten!"

Integration in den Regierungsflughafen?

Bei den Fachpolitikern im Landtag Brandenburg gibt es für die Idee einer solchen Denkpause eine Mehrheit. Für Isabell Vandré von der Linksfraktion geht es darum, erst mal das Gebäude zu erhalten. "Dann muss gemeinsam diskutiert werden, was in dem Gebäude passieren könnte. Aber dieses Gebäude zu vernichten, bedeutet Fakten schaffen." Dahinter könne man dann nicht mehr zurück. Sie kann sich vorstellen, dass man das 75 Jahre alte Haus in den künftigen Regierungsflughafen integriert.

Sahra Damus erinnert daran, dass sich die Flughafenpläne in der Vergangenheit mehrfach verändert haben. Erst kürzlich wurde der Verzicht auf ein neues Regierungsterminal bekannt, deshalb könne der Platzbedarf doch noch mal überdacht werden.

Die Denkmalpflege-Professorin Herold kann sich eine neue Nutzung vorstellen, die nichts Museales haben muss. Manchmal sollten Objekte auch etwas Störendes haben. "Gerade dieses Gebäudes stört ja massiv. Das ist ein Vorteil, wenn Denkmale das machen. Weil: Dann regen sie zum Denken an."

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Bundesministerien reagieren nicht auf Gesprächsvorschläge

Bisher scheitern die Generalshotel-Enthusiasten an den Zuständigkeiten von drei beteiligten Bundesministerien: Das Bundesverteidigungsministerium ist für die Regierungsstaffel und die Flugbereitschaft zuständig, das Finanzministerium verwaltet die Immobilien des Bundes, das Bauministerium die Neubauten. "Leider sind unsere Vorschläge, ins Gespräch zu kommen, von allen drei Ministerien abgelehnt worden", sagt Sahra Damus. Alle Beteiligten würden stets auf die anderen verweisen. Dieses Entscheidungsvakuum müsse aufgelöst werden. Sie setzt auf den Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), und appelliert auch an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dessen Wahlkreis in Brandenburg liegt.

Die zwei ehemaligen Westberliner Flughäfen stehen inzwischen unter Denkmalschutz, niemand denkt an einen Abriss. In Schönefeld soll nicht einmal der gerade mal 50 Meter lange Bau überleben. Inzwischen haben sich schon 300 Experten der Rettungsinitiative angeschlossen.

Ob es zu einer Intervention des Kanzlers kommt, der jetzt schon häufig in der Nähe des Generalshotels zu seinen Auslandsreisen aufbricht, ist ungewiss. Wahrscheinlicher ist, dass einzelne Elemente des Baus vor dem Abriss gesichert und eingelagert werden. "Das ist besser als ein Totalverlust", meint TU-Professorin Herold. Aber für eine Debatte, für einen gesellschaftlichen Diskurs wäre der Erhalt des Originalgebäudes wichtig. "Das ist nicht unbedingt immer bequem, aber die bequemste Lösung ist nicht immer die beste Lösung."

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Beitrag von Thomas Bittner

22 Kommentare

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  1. 22.

    Das Haus steht schon mehr als dreißig Jahre in der Bundesrepublik Deutschland, die das schon am Ende der DDR marode Gebäude instand setzte. Beim Abriss jetzt über absichtliche Beseitigung von DDR-Bauwerken zu fabulieren ist da schon ziemlich kauzig.

  2. 21.

    Steht für nichts. Weder als Beispiel für die Bauzeit noch für einen Architekten. Kann also weg. Gibt genug ähnlicher Bauten.

  3. 20.

    "Architektonisch nichts Besonderes" - genau wie Martina.
    Her mit Benzin und Streichhölzern!

  4. 19.

    Komisch, beim ICC konnte man in den 90er den Asbest entfernen bzw. versiegeln, was beim Palast der Republik nicht möglich war. Erklären Sie doch mal warum. Ist aber der Asbest nicht trotzdem noch Thema beim ICC? Ob der Standort des Palast der Republik richtig oder falsch war liegt im Auge des Betrachters. Braucht es ein Stadtschloß? Bevor hier wieder die Ost/West-Keule geschwungen wird. Ich persönlich finde das ICC genauso wie Erichs‘ehm.Lampenladen ziemlich lässig. Den Abriss der Deutschlandhalle habe auch ich nicht verstanden.

  5. 18.

    Sie sind mit ihrer Meinung auf den Holzweg, wenn ein Gebäude auf ein Gelände steht, und etwas neues gebaut werden soll, muss das alte halt weg.
    Auch in West Berlin wurden tolle alte Gebäude abgerissen, z.b der Berliner Sport Palast war auch ein jammer! Und was ist mit der Deutschland Halle, also es hat nichts mit West gegen Ost zutun , jedenfalls nicht immer! Alte Zöpfe müssen weg egal wo!

  6. 17.

    Von außen mag es etwas unscheinbar aussehen. Das gilt auch für das Rundfunkgebäude in der Nalepastraße aus dem Jahr 1951. Beide Gebäude zeigen jedoch im Inneren, warum sie zurecht auf der Denkmalschutzliste stehen. Dort ist nichts beliebig, sondern einmalig.

  7. 16.

    Hat ja verdammt viel Ähnlichkeit mit einigen NS-Bauten.
    Aber allgemein denke ich, es sollten keine bewohnbaren Gebäude mehr abgerissen werden. Das ist einfach ignorant.

  8. 15.

    Ich war nicht gegen den Abriss des Palastes, nicht nur wegen Asbest, sondern weil er dort nicht hin passte. Unter den Linden gibt so schöne alte Gebäude.
    Zum ICC Berlin kann ich folgendes sagen. Das ICC war nicht so stark Asbest belastet, wurde aber in den 90er entfernt bzw versiegelt. Das Problem beim ICC ist die enorme Größe, es braucht viel Energie. Es ist ausgezeichnet als bestes Congress Center der Welt. Es ist eine Zwickmühle: Betreiben, Renovierung, oder sogar Abriss zu teuer.



  9. 14.

    Für mich ist es traurig, wie mit der deutschen Geschichte und Architektur des 20. Jh's. umgegangen wird. Es kommt mir vor, dass man ein historisches Vakuum schaffen will, egal ob aus der braunen oder roten Vergangenheit, alles soll gelöscht werden. Dabei könnte man mit im Gebäude aufgebauten Dauerausstellungen, einfach Mahnmale schaffen. Auch ein heute modernes Deutschland hat seine Geschichte, wo ich nicht darauf stolz bin. Um aus Fehlern lernen zu können, dafür sind Denkmäler u. Mahnmale da!

  10. 13.

    Welche Flughafenmitarbeiter sollen denn das gewesen sein, die das Ding „Millionenpalast“ genannt haben? Habe ich nie gehört und nie verwendet. Hat sich da ein Wessi wieder was über den Osten ausgedacht?

  11. 12.

    Genau, der Palast musste weg, weil er Asbest verseucht war. Selbst die Mehrzahl der Westberliner war dagegen. Das verseuchte ICC steht immer noch!!!!!

  12. 11.

    Gerade deshalb sollte man ihr nicht in die Karten spielen, denn sie ist ein populistischer Meinungsfänger und bekommt durch solche Entscheidungen immer wieder Argumente.

  13. 10.

    Ein ansprechender und auch ästhetisch schön gestalteter Bau, der zugleich in seinen Facetten die Zeit widerspiegelt. Etwas Besseres kann sich eigentlich kein Mensch wünschen, für den Geschichte kein finsteres und abgeschlossenes Kapitel ist. Soweit es möglich ist, sogar mittelalterliche Gebäude wie die Bischofsburg in Ziesar mit hochmodernen Bauten wie in einer Symbiose zu vereinigen, sollte dies wegen kürzeren Zeitspannen doch erst recht gelingen.

    Ein solcher Bau sollte sich in einem Regierungsflughafen-Areal, wenn es denn schon sein muss, gut integrieren lassen, wenn das denn nur die Aufgabenstellung wäre.

    Bauten sind ja nicht beliebig, mithin können sie nicht wahllos überall stehen. Dieser Bau aber passt da hin.

  14. 9.

    Na ja, ein 0815-Nachkriegsbau für die kommunistische Besatzungsmacht. Architektonisch nichts Besonderes, daher auch nicht denkmalschutzwürdig. Vielleicht kann ja ein Kommentator Lichterkette und Mahnwache organisieren.

  15. 8.

    Das ist den heutigen Herrschaften ein Dorn im Auge wenn das ein Hotel im Westen wäre würde man die Finger davon lassen siehe Tempelhofer Feld und den alten Gebäude die da noch stehen.

  16. 6.

    Alles was auch nur nach DDR richt, wird immer noch gern vernichtet. So wird es auch hier kommen. Kein Mensch würde am Flughafen Tempelhof oder Tegel historische Gebäude abreißen. Das alte West- Berlin ist hier besonders schützenswert. Aber Bauten aus der Ost- Zeit????? Neeee. Schnell Abreißen und vergessen! Dieses überhebliche Denken ist leider heute immer noch aktuell.

  17. 5.

    War aus der DDR - kann weg.
    Der Identitätsklau geht weiter.

  18. 4.

    Ich drücke der Initiative beide Daumen. Dieses Gebäude ist nicht nur ein anschaulich schöner Ausdruck seiner Zeit, sondern geradezu eine Widerspiegelung von Geschichte in mehreren Facetten - wer denn Augen dafür hat.

    Soweit mittelalterliche Gebäude wie die Bischofsburg in Ziesar mit hochmodernen Gebäuden zu einer hervorragenden Symbiose verbunden werden können, sollte das hier - bei kürzeren Zeitläufen dazwischen - doch auch gelingen.

  19. 3.

    Es ist einfach zum Verzweifeln, noch über 30 Jahre nach dem Ende der DDR wird Alles platt gemacht, was auch nur im Entferntesten an sie erinnern könnte, da spielen natürlich weder Denkmalschutz noch Architektur mit Geschichtsbezug eine Rolle. Mit solchen Entscheidungen spielt man der AfD in die Karten, gewollt???

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