Was wurde aus ...? | Airberlin-Angestellter - "Aufstehen. Krone richten. Weitermachen"

Mo 14.08.23 | 17:51 Uhr
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Mathias Koehler, ehemaliger Flugbegleiter bei Airberlin. (Quelle: privat)
Audio: rbb|24 | 14.08.2023 | O-Ton: Mathias Köhler | Bild: privat

Airberlin war für viele eine Kult-Fluglinie. Vor sechs Jahren aber ging die Airline pleite. Damals verloren rund 8.000 Menschen ihren Job. Einer von ihnen ist Mathias Köhler aus Berlin. Wie ist es ihm und seinen ehemaligen Kollegen seitdem ergangen?

rbb|24: Herr Köhler, Sie haben bei Airberlin als Flugbegleiter gearbeitet. Wie kam es dazu?

Mathias Köhler: Ich hatte schon als Kind den Traum vom Fliegen. Damals in Dresden, wo ich in den 90ern aufgewachsen bin, ist mein Opa immer mit mir auf die Terrasse des Flughafens gegangen. Außerdem haben wir gemeinsam Modellflugzeuge gekauft. Ich habe dann später zunächst eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gemacht und bei einem Supermarkt gearbeitet. Dann wurde ich Altenpfleger. Da habe ich viel über Empathie und Kontakt mit Menschen gelernt. Gleichzeitig hat es mir schon immer Spaß gemacht, Flugbegleiterinnen und -begleitern bei der Arbeit zuzusehen. Also habe ich mich 2012 bei Airberlin beworben.

Wieso haben Sie sich damals bewusst für Airberlin entschieden?

Ich habe Airberlin durch und durch geliebt. Auch das stammt aus meiner Kindheit. Wir sind damals mit Airberlin nach Ägypten geflogen und ich erinnere mich zum Beispiel noch gut an das Bonbon, das man beim Einsteigen bekommen hat. Später als ich dort gearbeitet habe, waren diese Bonbons mit Brause auch bei der Besatzung sehr beliebt.

Hat die Arbeit bei Airberlin ihre Erwartungen erfüllt?

Das war ein Traumjob, vor allem wegen des familiären Arbeitens. Eine Kollegin, die heute meine beste Freundin ist, war zum Beispiel immer mit mir zusammen auf Langstreckenflügen. Wir hatten das so requested, uns also so gewünscht. Ich weiß auch noch, wie ich mit meiner Crew beim Sightseeing in St. Petersburg mal fünf Stunden durch den Regen gelaufen bin. Oder wir haben gemeinsam am Strand in Tel Aviv beim Sonnenuntergang unser Feierabendbier getrunken. Das war einfach eine unbeschwerte Zeit. Man hatte allerdings auch viel Schicht- und Nachtarbeit.

Die Abwicklung von Airberlin

Rund 40 Jahre nach der Gründung meldete Airberlin am 15. August 2017 Insolvenz an. Wie die Bundesagentur für Arbeit dem rbb mitteilte, fanden mehr als 90 Prozent der ca. 8.000 Mitarbeiter schnell einen neuen Job. Aus dem Airberlin-Vermögen hat Insolvenzverwalter Lucas Flöther laut eigener Angaben bereits Flugrechte und Ersatzteile sowie Unternehmensbeteiligungen verkauft. Derzeit (August 2023) gehe es darum, Steuernachlässe und ausstehende Zahlungen einzutreiben. Laut Flöther sind bei den Verkäufen bisher "zig Millionen" Euro zusammengekommen. Die Forderungen der Gläubiger belaufen sich dagegen auf mehrere Milliarden Euro. Er rechne nicht damit, alle Forderungen bedienen zu können, sagte Flöter auf Nachfrage des rbb.

Das Ende kam mit der Insolvenz. Wie haben Sie von der Pleite erfahren?

Ich erinnere mich noch genau, dass wir am Tag vor der Insolvenz mit einem Flug in Los Angeles waren und dort Riesenrad gefahren sind. Am nächsten Morgen hat mein Handy wie verrückt geblinkt, weil ich mehr als 30 Nachrichten bekommen hatte, von wegen "Gehts dir gut?" und "Alles wird gut". Ich dachte erst, da wäre jemand gestorben. Erst danach habe ich das mit der Insolvenz verstanden. Ich hab dann als erstes im Dienstplan nachgeschaut, ob wir überhaupt noch zurückfliegen werden. Es hätte ja auch so kommen können wie bei der Swiss-Air-Pleite 2001, als alle Flugzeuge sofort gegroundet wurden und am Boden blieben. Die Crew und ich haben uns dann noch gegenseitig motiviert, jetzt nicht nur den Kopf hängen zu lassen. Ich hab mir gesagt: Aufstehen, Krone richten, weitermachen.

Wir hatten ja auch vorher schon geahnt, dass etwas passieren würde. Aber in dem Augenblick wussten wir natürlich nicht, wie es dann wirklich weitergeht. Dass am Ende fast alle entlassen wurden, war dann schon überraschend.

Wie ging es danach für Sie weiter?

Easyjet hat damals viele Flugzeuge von Airberlin gekauft. Aber die Mitarbeiter wurden nicht übernommen. Ich habe mich also bei Easyjet beworben und konnte dann glücklicherweise wenige Wochen nach der Insolvenz bei denen anfangen. Aber dann kam 2020 Corona, die Flugzeuge blieben am Boden und Easyjet hatte entschieden, Stellen abzubauen. Ich war dann leider raus, weil ich als einer der letzten neu dazugekommen war.

Aber dann haben wiederum die Impfzentren um Flugbegleiter geworben, weil die mit Menschen umgehen können und flexibel sind. Ich bin daraufhin im Corona-Impfzentrum in der Messe Berlin gelandet und da für acht Monate geblieben.

Mein Berliner Freundeskreis besteht aus ehemaligen Airberlinern. Die sind meine Berliner Familie

Mathias Köhler, ehemaliger Flugbegleiter bei Airberlin

Danach war ich noch vier Monate lang in der Kundenberatung bei Doctolib. Aber da habe ich gemerkt: Nine-to-five im Büro zu sitzen ist nichts für mich. Ich brauche einfach mehr Abwechslung.

In der Zeit hat die Deutsche Bahn nach Zugchefs gesucht. Seit Anfang 2022 arbeite ich jetzt dort. Der Job ähnelt dem Kabinenmanager im Flugzeug. Nur muss ich bei der Bahn noch zusätzlich darauf achten, dass der Zug im Bahnhof auch richtig abgefertigt wird.

Ihre beste Freundin haben Sie schon erwähnt. Haben Sie noch weiteren Kontakt zu ehemaligen Airberlin-Kollegen?

Mein Berliner Freundeskreis besteht aus ehemaligen Airberlinern. Die sind meine Berliner Familie und ein wichtiger Anker. Auch die sieben Besatzungsmitglieder von dem Flug nach Los Angeles, mit denen ich gemeinsam von der Insolvenz erfahren habe, sehe ich heute noch. Das hat uns damals echt zusammengeschweißt. Immer wenn der Jahrestag wieder näher rückt, schreiben wir uns auch wieder mehr. Insgesamt habe ich noch zu ungefähr zehn Leuten von damals engen Kontakt.

Zusätzlich bin ich in einigen Facebookgruppen von ehemaligen Airberlinern. Da tauschen wir regelmäßig Erinnerungen und lustige Momente aus, zum Beispiel wie ich mal eine Kollegin im Flugzeug erschreckt habe. Diese Erinnerungen kann uns keiner nehmen. Vielen fehlt Airberlin bis heute.

Mathias Koehler, ehemaliger Flugbegleiter bei Airberlin. (Quelle: privat)

Wie ist es Ihren Bekannten ergangen?

Also die Piloten, von denen ich gehört habe, sind alle in der Branche geblieben, weil sie speziell qualifiziert sind. Aus den anderen Bereichen kenn ich welche, die sind wie ich zur Deutschen Bahn gegangen oder sie haben sich Bürojobs gesucht. Einige haben es auch als Chance begriffen, nochmal etwas ganz Neues anzufangen, zum Beispiel eine Ausbildung.

Ich persönlich habe von niemandem gehört, der total in ein Loch gefallen wäre oder bis heute arbeitslos ist.

Könnten Sie sich vorstellen, nochmal bei einer Airline zu arbeiten?

Die Uniform und die Tasche von damals habe ich noch. Ich könnte also ab morgen wieder für Airberlin arbeiten (lacht). Aber im Ernst: Ich bin ein Mensch, der Sicherheit mag, gerade jetzt wegen des Kriegs in der Ukraine und der schwankenden Wirtschaft. Wenn man sich die letzten 20 Jahre in der Fliegerei anguckt, merkt man: Die waren einfach nicht so krisenfest. Die Jobsicherheit bei der Deutschen Bahn ist dagegen top. Aber dennoch: Sag niemals nie!

Das Interview führte Philip Barnstorf.

24 Kommentare

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  1. 24.

    Air Berlin war ein super tolle Firma, mit der ich und meine Familie gern geflogen sind.
    Die roten Schokoladenherzen von Rausch waren das Lieblings-Mitbringsel für meine Kinder. Das Air Berlin heute nicht mehr ist, ist nur zu einem Teil Der Geschäftsleitung zuzurechnen. Der Mitbewerber, hat alles getan, um dieser beliebte Airline zu schaden.
    Ich bin, nach der Insolvenz mit Easyjet Berlin-Düsseldorf geflogen und erkannte die Crew von Air Berlin wieder. sie lachten und meinten, stimmt, auch das Flugzeug ist dasselbe.
    Dank für den Bericht, alle ehemaligen Mitarbeiter*innen von Air Berlin möchte ich sagen : ihr wart ein tolles Team!

  2. 23.

    In meiner orthopädischen Praxis sind die Damen am Schalter sehr sehr unfreundlich und ruppig. Plötzlich saß da eine junge Frau, die nicht unhöflich war, einen nicht einfach stehen ließ und ihrem Gegenüber sehr zugewandt war. Es stellte sich auf erstaunte Nachfrage heraus, es war eine ehemalige Air-Berlinerin. :-)

  3. 22.

    Schön das Interview! Ich finde es immer spannend, was Menschen aus Krisen machen. Daraus kann man für sich selbst lernen. Und so wird auch mal an Schicksale erinnert, die ob des rasenden Weltgeschehens völlig in die Vergessenheit geraten.
    Schön, dass es für Herrn Köhler gut weiterging!

  4. 21.

    Klasse Bericht! Komme auch aus der Reisebranche und musste Coronabedingt wechseln. Die Bahn kann sich absolut glücklich schätzen, diese Mitarbeiter der AirBerlin gewonnen zu haben. So mancher Zugbegleiter hat mir und meinen Mitreisenden auf charmante Art und Weise ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, weil die Ansagen viel lockerer, informativer und oft auch selbstkritischer rübergebracht werden. Nicht zuletzt sind auch endlich die englischen Ansagen hörbar geworden. Danke Euch dafür!

  5. 20.

    Kann mich noch sehr gut an Air Berlin erinnern. Schon Jahre vor dem Konkurs sagte der Ryan Air Chef das Air Berlin so gut wie pleite wäre und keine Zukunftsaussichten hat. Das wurde natürlich abgestritten und die Öffentlichkeit angelogen. Ich habe noch Forderungen an Air Berlin wegen bezahlter Flüge die dann nicht mehr stattfanden. Betrüger Airline.

  6. 19.

    AB war Klasse!!!- zuverlässig und freundlich in der Kabine. Vor einem Romflug waren wir Späteinsteiger und erlebten , wie ein Käpt’n die Enteisung seiner Maschine persönlich inspizierte und vom Enteiser Nachbehandlung einiger Stellen abforderte. Wir hatten immer Vertrauen und erlebten keine Enttäuschungen. Alles Gute allen ehemaligen AirBerlinern auch von uns.

  7. 18.

    Ein sehr guter Artikel. Positiv denken und weitermachen, es gibt immer einen Ausweg für gut qualifizierte Menschen mit einer positive Einstellung. Herrn Köhler kann man als Vorbild betrachten. Weiter so und alles Gute.

  8. 17.

    Ich möchte nicht nur Air Berlin zurück, sondern auch meinen Flughafen Tegel. Mit 80 hat man keine Lust auf Brandenburg, oft fahren die Züge nicht , die Auto Bahn ist zugeklebt u.s.w . Mathias Köhler und alle Kollegen alles gute.

  9. 16.

    Jemand aus meiner Familie gehört zu denen, die bis heute nichts dauerhaftes Neues haben und beginnt nächstes Jahr eine Umschulung.

    Es gab keine Hilfe was passendes zu finden, wenn man einen ersetzbaren Job im Backoffice hatte, den man ins Ausland verlagern kann.

    Die Flugbranche ist nichts zukunftsträchtiges.

  10. 15.

    Schon witzig, wo man überall Leute trifft, die man früher gekannt hat. Ich habe als ehemaliger Sicherheitsmitarbeiter in Tegel Herrn Köhler kontrolliert und ab und zu gab's einen netten Plausch. Die AirBerlin-Crew gehörte stets zu den freundlicheren Kolleg:innen am Flughafen.
    Lieben Gruß und alles Gute.

  11. 14.

    Ich bin damals auch sehr gerne mit Air Berlin geflogen...und tue dies heute auch noch (SundAir).
    Ein A330 Modell in AB Lackierung steht sogar noch auf dem Kamin.

  12. 13.

    Bin gerne mit der Airberlin geflogen. Heute verzichte ich aufs Fliegen und fahre gerne ICE + dessen europäische Brüder und Schwestern.

    Einen großen Dank an alle ehemaligen Airberliner, dass die damals so einen guten Job gemacht und die Leute gut gelaunt und mit Herz von A nach B geflogen haben.

    Ich plädiere im übrigen darauf, dass wir uns alle an diese freundlichen Zeiten zurück erinnern und wieder insgesamt freundlicher miteinander umgehen. Auch zum Beispiel mit Mitarbeitern der Bahn (es könnte ein Airberliner drinnen stecken).

  13. 12.

    Die wunderschöne AirBerlin. Ich habe im Handy noch einen AB-Ordner. Dort findet sich auch das letzte geflogene "Herz" von AirBerlin direkt über Berlin mit der Sonderkennung: BER4EVR / Ein A320-214 und eine Aufnahme von diesem letzten Flug am Himmel über Tempelhof aus München kommend nach TXL. Der wirklich aller allerletzte Flug einer AB-Maschine war jedoch BER99P, ein Überführungsflug. Von KEF (Island) dann nach SXF (alt) . Es war auch ein A320-214. Letztmalig bin ich in einer originalen AB-Maschine 2017 geflogen. Dann unter der Kennung von FlyEgypt. Leider befand sich die Maschine (Kabine) in einem komlett abgeranzten und schmutzigen Zustand. Es war die EX: D-ABBG, welche inzwischen "eingelagert" ist.... :-(( Tja, Time goes on....

  14. 11.

    Ich habe die AirBerlin gemocht. Eine illustre Truppe von Flubegleitern. Und wenn es eine Düsseldorfer Crew war, kam noch mehr Pep in die Kabine. Mit AirBerlin konnte man von TXL Nonstop fast alle Ferieninseln erreichen. Aber auch die Fernstrecke mit dem A330 -ein Traum. Direkt von TXL. Bei Buchung der AB-Businessclass gab es einen Limousinenservice incl. und ein Priority Checkin und Checkout. War schon cool, als Touri direkt vom Flieger über den Diplomatenschalter zur Gratis-Limousine gebracht zu werden wo ein freundlicher Mensch wartete mit gekühlten Getränken. Abholung vom Hotel zum Flieger natürlich auch incl., ja, das war AB-Service. Im Ferienflieger konnte man vorab sein persönliches Menü bestellen. Lekka war gebratene Ente und nicht nur Beef or Cheese. Schön sind sie, die Erinnerungen an AB! Kulis und TOP-Bonus Karten habe ich noch als Erinnerung. Danke AB-Crew!

  15. 10.

    Die Deutsche BA war eine der strauchelnden Fluggesellschaften, die Hunold in seinem Kaufrausch übernommen hatte - und mit ihr, wenn auch erst nach Kundenprotesten, die Schoko-Herzen als Marketing-Instrument.

  16. 9.

    Was soll die Deutsche BA sein?

    Lieferant war erst Rausch, später Lindt. Die von Rausch haben uns besser geschmeckt.

  17. 8.

    Erfreulich zu lesen, dass vielen Mitarbeitern ein beruflicher Neuanfang gelungen zu sein scheint. Doch was war an der Airline Kult? Die Schoko-Herzen kamen z.B. von der Deutschen BA.

  18. 7.

    Klasse Story! Habe es damals auch genossen, mit Air Berlin zu fliegen.. und dann noch von Tegel.

  19. 6.

    eine wirklich schöne geschichte. endlich mal was positives bei all den schlechten nachrichten. mfg melusine

  20. 5.

    So eine schöne Geschichte liest man doch gerne. Alles Gute weiterhin für den Jungen Mann.
    Ich selbst bin auch absoluter Air Berlin Fan gewesen. Wir sind immer gerne mit unserer Heimatfluglinie in den Urlaub geflogen, und man war als Berliner auch ein bisschen stolz auf den Namen. Haben sogar heute noch Erinnerungen, wie Bordmagazine, Bordkarten und ein Koffer trägt noch den Streifen vom Check-in..., Kinderspielzeuge...nur die Schokoherzen konnten wir leider nicht aufbewahren:)

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