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Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 18.01.2024 | A. Opitz | Quelle: rbb

Protest der Spediteure

"Man kann den Lkw nicht einfach wegzaubern"

Kaum sind die Bauern weg, rücken die Spediteure zum Protest an. 1.500 Lkw-Fahrer sind zu einer Sternfahrt nach Berlin aufgebrochen. In der Branche gibt es Unmut, vor allem über fehlende Parkplätze und höhere Mautgebühren. Von Raphael Jung

Martin Sommer sitzt gern hinterm Steuer. Mit einem Lkw fährt er täglich Frachten von Berlin ins Umland. Sein Alltag ist geregelt: Jeden Morgen holt er bei einem Logistiker in Berlin-Tegel Sattelzug, Frachtpapiere und den bereits bepackten Container ab, dann geht’s auf die Straße. Wegen seiner Familie arbeitet er nur auf kürzeren Strecken, ärgert sich manchmal über kaum vorankommende Baustellen. Doch seine Kollegen, die Fernfahrten machen, seien längst nicht so zufrieden. Ein Grund: Zu wenig Parkplätze auf Autobahnen und Raststätten, um zu übernachten.

Kundgebung am Freitag

Lkw-Fahrer sammeln sich zum Protest in Berlin-Mitte

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Maut für die Straße, nicht für die Schiene

"Die Arbeitszeit und Lenkzeit ist ja begrenzt", erklärt Sommer, "und dann steht man vor dem Problem, wo stelle ich mich hin?" Mit einem großen Lkw könne man ja nicht einfach runter ins Wohngebiet, eine Seitenstraße oder auf einen Parkplatz fahren. Gewerbegebiete seien teilweise mit Parkverbotszonen versehen. Und auf den Höfen der Auftraggeber oder Kunden könne man auch nicht stehen. "Da kannst Du nicht sagen, so meine Schicht ist jetzt vorbei, ich bleib hier stehen und schlafe mich aus", erzählt Sommer. "Man kann den Lkw ja nicht einfach wegzaubern!"

Die schlechte Parkplatz-Infrastruktur zwinge Kraftfahrer dazu, mitunter ein bis zwei Stunden vor dem Ende ihrer Lenkzeit anzufangen, einen Schlafplatz für die Nacht zu suchen, sagt Daniel Beständig vom Bundesverband Logistik und Verkehr pro e.V. Der Verband hatte für Donnerstag zu einer Sternfahrt des deutschen Güterverkehrs aufgerufen, am Freitag soll es eine Kundgebung am Brandenburger Tor geben. Rund 1.500 Laster werden erwartet. Neben einer besseren Infrastruktur für Berufskraftfahrer fordert der Verband eine Rücknahme des zum 1.12. eingeführten CO2-Aufschlags auf die Lkw-Maut. Zudem sollten die Mauteinnahmen wieder in die Straße investiert werden und nicht in die Schiene.

Lkw-Maut um 82 Prozent erhöht

Der Hennigsdorfer Spediteur Marc Kampmann teilt diese Forderungen. Vor gut zwanzig Jahren hat er gemeinsam mit einem Partner die Spedition "Busse & Zerber" gegründet, damals mit nur einem Lkw. Inzwischen sind es 450 Laster und 850 Fahrer an neun Standorten. Die Erhöhung der Maut um einen CO2-Aufschlag treffe viele Unternehmen in der Branche hart, sagt Kampmann. "In Zahlen stellt es sich so dar, dass der durchschnittliche Lkw seit 1.12. einen Mautzuschlag in Höhe von 82 Prozent bezahlt." Die Kurzfristigkeit der Einführung sei durchaus ein Problem gewesen. "Das allergrößte Problem für uns aber ist, dass unsere 72 gasbetriebenen Lkw, die bis dahin mautfrei waren, jetzt zu 100 Prozent bemautet werden."

Agrarmesse in Berlin

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Vor der Erhöhung zahlte Kampmann rund 500.000 Euro Maut im Monat für die von seinen Lkw zurückgelegten Kilometer. Nun sind es rund 1,5 Millionen Euro im Monat, also das Dreifache – wegen des CO2-Aufschlags auf die Maut und weil seit Jahresbeginn auch die mit Erd- und Biogas betriebenen Lkw mautpflichtig sind. Gerade das leuchtet dem Spediteur nicht ein: Die Gas-Lkws seien teurer gewesen in der Anschaffung, müssten öfter in die Wartung und könnten außerdem mit umweltfreundlichem Bio-LNG betankt werden. Für diese Lkws würde Kampmann sich seitens der Politik mehr Differenzierung und einen "signifikanten Mautrabatt" wünschen.

Hoffnung auf konstruktiven Dialog

Zwar kann Kampmann die höhere Maut an seine Kunden weitergeben. Allerdings fragen einige ihn auch, ob er Gegenzug nicht den Frachtpreis reduzieren könne. Bei dem großen Kostendruck sei das aber kaum machbar. "Wir befinden uns in einer Branche, die eine durchschnittliche Umsatzrendite von 1,8 bis 2 Prozent hat. Da bleiben von 100 umgesetzten Euro im besten Fall zwei Euro übrig." Vom Protest der Lkw-Fahrer und Spediteure erhofft der Unternehmer sich "einen konstruktiven Gesprächseinstieg, hin zu einem Dialog zwischen Politik und unserer Branche", bei dem über die konkreten Forderungen gesprochen wird.

Streit um Subventionen

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Martin Sommer ist unterdessen beim ersten Kunden in Falkensee angekommen. Mit einem elektrischen Hubwagen bringt er die Fracht aus dem Anhänger in die über zehn Meter hohe Speditionshalle, lässt die Papiere abzeichnen und setzt sich wieder hinters Steuer. Was denkt er über die Anhebung der Mautsätze, über die Klagen in der Branche? "Wenn man ehrlich ist, dann sind das nicht direkt die Kopfschmerzen eines Fahrers", sagt Sommer. Das sei zunächst mal Unternehmersache. "Allerdings, irgendwann kann es einen als Fahrer halt auch betreffen." Wenn das Unternehmen, bei man angestellt ist, in die Insolvenz rutsche oder man nicht das Geld verdienen könne, was man verdienen möchte.

Martin Sommer wird sich nicht am Protest beteiligen, er wird stattdessen seine Frachten ausfahren. Aber sein Chef Marc Kampmann schickt zehn Laster zur Sternfahrt nach Berlin – in der Hoffnung, dass die Politik die Bedeutung und auch die Nöte des Transportgewerbes wahrnimmt.

Sendung: rbb24 Abendschau, 19.01.2024, 19:30 Uhr

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