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Audio: Inforadio | 14.04.2021 | Michael Götschenberg | Quelle: Paul Zinken/dpa

Verdacht auf Extremismus

Berliner Verfassungsschutz beobachtet Corona-Protestbewegung

Nach Baden-Württemberg, Bayern und Hamburg werden nun auch in der Hauptstadt Teile der Corona-Protestbewegung vom Verfassungsschutz beobachtet. Es handle es sich um eine neue Form des Extremismus. Von Michael Götschenberg

Teile der Corona-Protestbewegung in der Hauptstadt werden jetzt vom Berliner Verfassungsschutz beobachtet. Das erfuhr das ARD-Hauptstadtstudio aus Sicherheitskreisen. Demnach wurde ein Sammel-Beobachtungsobjekt eingerichtet, das beim Verfassungsschutz als sogenannter Verdachtsfall geführt wird.

Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes gibt es damit hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine verfassungsfeindliche Bestrebung handeln könnte.

Ein unübersehbarer Teil der Protestbewegung besteht aus Rechtsextremisten, Reichsbürgern und Selbstverwaltern. Daneben gibt es Impfgegner und alle möglichen anderen Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen mit den Corona-Schutzmaßnahmen nicht einverstanden sind.

Querdenker, Reichsbürger, Rechtsextreme

Erst am Dienstag hatten sich wieder einige hundert Demonstranten vor dem Bundestag versammelt, um gegen das neue Infektionsschutzgesetz zu protestieren. Aufgerufen zu der Demonstration hatte die Kommunikationsstelle demokratischer Widerstand, einer der zentralen Akteure der Corona-Protestbewegung in Berlin. Sie fordert unter anderem, die Regierung Merkel zu inhaftieren.

Weitere bekannte Akteure im Protestgeschehen der Hauptstadt sind der Berliner Ableger der Querdenker, Querdenken 30, aber auch Aktivisten wie Ken Jebsen oder Jürgen Elsässer vom rechten Magazin Compact. Sie erzielen über soziale Medien enorme Reichweiten und nutzen diese, um Fake News, Hetze und Verschwörungsmythen zu verbreiten.

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Vertrauen in politische Institutionen und in Medien verloren

Bei Verdachtsfällen ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel zulässig, wie die Anwerbung von V-Leuten. Den Recherchen des ARD-Hauptstadtstudios zufolge passt das Phänomen nach Einschätzung der Berliner Verfassungsschützer allerdings in keine der bisher bekannten Kategorien. Vielmehr handele es sich um eine neue Form des Extremismus, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte.

Die Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen sei dabei vor allem ein Ventil für Menschen, die schon länger kein Vertrauen mehr in die politischen Institutionen und in die Medien hätten.

Rechtsextremisten sind demnach zwar Teil des Protestgeschehens, einen steuernden Einfluss sehen die Berliner Verfassungsschützer dem Vernehmen nach aber nicht. Welche Teile der Protestbewegung in Berlin genau beobachtet werden, ist nicht bekannt. Da der Verfassungsschutz Rechtsextremisten jedoch ohnehin beobachten darf, ist klar, dass vor allem die Teile der Protestbewegung im Fokus stehen, die gezielt das Vertrauen in die freiheitlich demokratische Ordnung untergraben wollen - etwa durch die Verbreitung von Fake News, Verschwörungsmythen und Desinformation.

Die Berliner Senatsinnenverwaltung wollte sich auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios nicht äußern. Informationen darüber, so es sie gäbe, würden in den dafür vorgesehenen parlamentarischen Gremien behandelt, hieß es.

Radikalisierung und zunehmende Gewaltbereitschaft

Berlin ist nicht das erste Bundesland, in dem der Verfassungsschutz die Corona-Proteste ins Visier nimmt. Zuerst hatte das Innenministerium in Baden-Württemberg bekannt gegeben, dass Querdenken 711, die Dachorganisation der Querdenken-Bewegung, vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Es folgten Bayern und zuletzt Hamburg, wobei vor allem Bayern bei der Bewertung zu einem vergleichbaren Ergebnis gekommen ist wie Berlin.

Der Umgang mit dem Protestgeschehen wird innerhalb der Verfassungsschutzbehörden seit Monaten diskutiert, die Lage immer wieder neu bewertet. Dass die Protestbewegung zu einem erheblichen Teil aus Personen besteht, die keine Extremisten sind, macht diese Bewertung besonders schwierig.

Dabei wird seit geraumer Zeit eine Radikalisierung der Proteste festgestellt, sowohl verbal als auch mit Blick auf eine zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber der Polizei oder Journalistinnen und Journalisten.

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Sendung: Inforadio, 14.04.2021, 6 Uhr

Beitrag von Michael Götschenberg

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