Interview | Fußball-Historiker Hardy Grüne - "Die Preise bei seltenen Stücken sind explodiert"

So 17.12.23 | 08:17 Uhr
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Anstecknadeln von Fußball-Vereinen (imago images)
Bild: imago images

Der Autor Hardy Grüne hat jahrelang Anstecknadeln von Fußball-Vereinen gesammelt. Im Gespräch erzählt er, wie sich die Jagd nach Fan-Artikeln gewandelt hat und warum ihn ein Wappen von Hertha BSC einst amüsierte.

rbb|24: Hardy Grüne, als Fußball-Historiker befassen Sie sich mit wirklich allen Facetten dieses Sports - also auch mit Devotionalien. Mal angenommen ich bräuchte noch ein Geschenk für einen Fußball-Fan, was ist gerade besonders angesagt?

Hardy Grüne: Aktuell sind Trikots ziemlich wichtig. Gerade sind zum Beispiel ein paar Messi-Trikots für sehr viel Geld versteigert worden.

Das englische Auktionshaus Sotheby's hatte sechs von Messi während der Weltmeisterschaft in Katar getragene Leibchen angeboten. Am Ende kam eine Gesamtsumme von 7,1 Millionen Euro zusammen.

Das sind natürlich Einzelstücke, die mit den Persönlichkeiten und mit Ereignissen verbunden werden. Und das ist auch ein Ausdruck davon, wie sich der Fußball entwickelt hat. Das ist der Taylor-Swift-Effekt. Wir fokussieren uns auf ganz bestimmte Leute.

Nun haben vergleichsweise wenige Menschen für einen Satz Messi-Trikots 7,1 Millionen Euro übrig.

Ich habe mit 14 Jahren angefangen, Anstecknadeln zu sammeln. Als ich das noch aktiv betrieben habe, bis in die frühen Neunziger hinein, ging es darum, komplett zu machen. Ganze Ligen oder Landkreise. Das hat sich verändert. Der Breitenmarkt ist relativ eingebrochen. Dafür sind die Preise bei seltenen Stücken absolut explodiert.

Was ist ein seltenes Stück?

Nadeln von Gau-Liga-Vereinen (Die höchste deutsche Spielklasse zwischen 1933 und 1945, Anm. d. Red.) zum Beispiel oder Stücke von großen Klubs aus den 20er- und 30er-Jahren. Da sind wir bei 600, 700 Euro pro Stück. Teilweise sogar noch drüber.

Wenn Sie sagen, dass Sie "komplett machen" wollten, werden wohl einige Nadeln zusammengekommen sein.

Etwa 12.000. Ich wollte Deutschland komplett machen. Aber das waren damals rund 30.000 Vereine, da war ich also weit von entfernt. Aber immerhin kann ich auch heute noch einen Vereinsnamen nennen, wenn mir jemand erzählt, von wo er kommt.

Bedeutet sammeln also eigentlich, sich ein Gedächtnis der Dinge anzulegen?

Es geht um Erinnerung und den Reiz, eine Vollständigkeit zu erreichen. Wir sind nunmal Jäger und Sammler. Anderen geht es heute aber eher um Werte und Besitz. Viele sind stolz, wenn sie ein seltenes Stück für 300 oder 500 Euro haben. Das hat bei uns in den 80ern überhaupt keine Rolle gespielt.

Zur Person

Hardy Grüne, 60, ist Autor zahlreicher Bücher über den Fußball (z.B. "125 Jahre Hertha BSC"), Herausgeber des Fußball-Magazins "Zeitspiel" und seit dem 14. Lebensjahr leidenschaftlicher Sammler, vor allem von Anstecknadeln.

Das klingt so, als seien Sie geheilt.

Inzwischen sind es Kaffee-Tassen. Egal bei welchem Verein ich bin, ich bringe eine mit. Die kann man wenigstens ganz gut benutzen.

Bei welcher Stückzahl sind Sie da mittlerweile angelangt?

Weit über 300. Aber ich kann zu jeder Tasse eine Geschichte erzählen.

Die Zeit haben wir leider nicht. Aber haben Sie denn die eine Lieblings-Tasse?

Zumindest einen "Lucky mug" (eine Glückstasse, Anm. d. Red.). Mein englischer Lieblings-Verein sind die Bristol Rovers. Da habe ich mal gelebt. Von denen habe ich zwölf Tassen. Und eine davon ist tatsächlich wirksam.

Das machen Sie woran fest?

Bei einem Spiel lagen wir mit 0:3 hinten. Da dachte ich mir, ich probiere mal mit dieser Tasse, den Fußballgott zu besänftigen. Die Rovers haben tatsächlich noch das 3:3 gemacht. Das habe ich anschließend noch mehrfach ausprobiert — mit Erfolg! Ich kann mit diesem Becher einen Spielstand drehen.

Sie lachen.

Das Problem ist, dass ich nicht weiß, wie lange diese Zauberkraft wirkt. Ich muss sie also sehr vorsichtig einsetzen.

Wo verläuft der Unterschied zwischen begehrten Devotionalien und Merchandise? Wird der Toaster mit Hertha-Logo irgendwann auch zum Sammler-Stück?

Durch die schiere Masse vermutlich nicht. Auf der anderen Seite wird alles gesammelt. Und wer weiß, die Fußball-Geschichte verändert sich ja auch. In der 80er-Jahren war Wattenscheid 09 der Verein eines Mäzens (Textilunternehmer Klaus Steilmann, Anm. d. Red.). Heute ist es ein Kult-Verein.

Apropos Tradition. Sie befassen sich auch mit den Wappen von Fußballvereinen. Die verändern sich gern mal. Manchmal, wie im Fall des BFC Dynamo, geht es dann aber auch wieder zurück zu alten Entwürfen. Haben Sie ein Lieblingswappen in Berlin und Brandenburg?

Lustig fand ich immer die Hertha mit ihrer Fahne. Zwischen 1999 und 2012 gab es ein Wappen mit einem Kreis drum, darunter stand dann "Berlin". Obwohl das ja schon im "B" von "BSC" drin steckt, was auf der Fahne zu lesen war. Aber Berlin ist in der Hinsicht ohnehin ganz spannend, weil es eine unglaubliche Häufung an Fahnen-Wappen gibt. Blau-Weiß, die alte Viktoria, Kickers 1900. Da gibt es sehr, sehr viele und das ist ein Indiz dafür, dass der Fußball sehr alt ist. Die ersten Wappen waren noch mit Militär und studentischen Verbindungen in Zusammenhang zu setzen.

Und in Brandenburg?

Stahl Brandenburg. Auf der einen Seite ist das Ding potthässlich. Auf der anderen Seite natürlich unglaublich charismatisch. Das ist schon eine schöne Gratwanderung, die sie da hinkriegen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Ilja Behnisch, rbb Sport.

3 Kommentare

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  1. 3.

    Nicht jede "Mode" ist vernünftig. Möglichst eindeutiger Ausdruck in der Sprache hilft Missverständnisse vermeiden. Preise explodieren nun mal nicht. Sie steigen oder fallen, schwanken, entwickeln sich.... Nur geplatzt ist bei mir noch nie einer.
    Schade eigentlich.

  2. 2.

    Vermutlich hätte ihr Lehrer ihnen dann erklärt,das Sprache nicht statisch ist,sondern sich laufend verändert. Und ihnen dann vermutlich etliche Beispiele dafür gebracht. Sie haben auch schon andere Worte,so nehme ich an, benutzt als ihre Eltern,Richtig?

  3. 1.

    Preise explodiert!
    Dann wären sie ja weg. In Trümmern, unbrauchbar.
    Mein Deutschlehrer würde hier öfter graue Haare kriegen.

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