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Audio: rbb 88.8 | 24.09.2023 | Michael Ernst | Quelle: AP

Steigende Preise, teure Kredite

Baukrise gefährdet den Bau Hunderter Wohnungen in der Region

Teures Baumaterial, gestiegene Zinsen und schwächelnde Nachfrage - Immobilienentwickler und Baufirmen haben es derzeit nicht leicht und gehen teilweise insolvent. Wie wirkt sich die Krise auf die Region aus? Von Philip Barnstorf

Die Zahlen der Baukrise sind furchteinflößend. Um den Jahreswechsel lag die Teuerungsrate in der Branche laut Statistischem Bundesamt bei fast 20 Prozent. Vor allem die Preise für stromintensive Produkte wie Ziegel und Fliesen gingen durch die Decke. Auch Stahl wurde teurer, unter anderem weil das Azovstal-Stahlwerk im ukrainischen Mariupol nicht mehr liefert.

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Inzwischen ist die Inflation zwar zurückgegangen, aber im zweiten Quartal dieses Jahres sind die Preise in der Branche immer noch um gut 8,5 Prozent geklettert. Dazu kommen Zinssteigerungen bei Krediten: Dadurch wird es für Immobilienentwickler teurer, den Bau neuer Häuser zu finanzieren.

Auch Endkunden müssen mehr für den Eigenheimkredit auf den Tisch legen. Laut Brancheninsidern verschrecken Unklarheiten rund ums Heizungsgesetz und die Sanierungsförderung weitere Kunden. Die Folge: Die Nachfrage lässt nach. Kein Wunder, dass in den vergangenen Monaten gleich mehrere große Immobilienunternehmen Insolvenz zumindest für einige ihrer Projekte angemeldet haben.

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Bau von hunderten Wohnungen stockt

Eine davon ist die Project Immobilien Gruppe. Sie kann den Weiterbau von mehr als 500 Wohnungen und sechs Gewerbegebäuden in Berlin und Brandenburg nicht mehr bezahlen. Man verhandle mit anderen Investoren und Unternehmen, die die Gebäude fertig bauen könnten, schreibt die Kanzlei Schultze & Braun, die die Insolvenz verwaltet, auf ihrer Internetseite [schultze-braun.de].

Besonders fatal: Wie die "B.Z." berichtete, haben viele Kunden der Project Immobilien schon Raten für ihre Wohnungen gezahlt. Ob sie jemals einziehen oder ihr Geld wiederkriegen, ist offen. "Es geht um Schadensbegrenzung für die betroffenen Kunden und Anleger", schreibt der Insolvenzverwalter, "die Spielräume sind bei vielen Projekten sehr eng."

Auch Gebäude in Toplage betroffen

Auch direkt an der Spree in der Michaelkirchstraße schlägt die Baukrise zu. Dort baut das Unternehmen Development Partner ein achtstöckiges Haus namens "Elements" mit geplanten 20.000 Quadratmeter Fläche. Auf einem Viertel davon sind Mietwohnungen geplant. Der Rohbau steht schon. Aber am Donnerstag schickte Development Partner die Elements-Projektgesellschaft in Insolvenz. Wegen der Krise koste das Projekt 25 Prozent mehr als ursprünglich veranschlagt, teilte Development Partner mit. Nun verhandle man sowohl mit "der Finanzierungsseite", als auch mit "Lieferanten und Dienstleistern", um das Gebäude dennoch fertig zu bauen.

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Mehrere große Immobilienunternehmen insolvent

Auch der Immobilienentwickler Centrum kann seine Rechnungen nicht mehr bezahlen. Die Firma hat etwa das Ku'damm-Eck gebaut, aber der ursprünglich geplante Verkauf des Büro- und Gewerbegebäudes ist gescheitert. Man sei in vielversprechenden Gesprächen mit neuen Interessenten, sagte Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz gegenüber dem rbb. Auch die Entwicklung eines Wohn- und Bürokomplexes in der Charlottenburger Gutenbergstraße stockt.

Insgesamt sind die Centrum-Immobilienprojekte allein in Berlin laut Insolvenzverwalter Geiwitz mehrere hundert Millionen Euro wert. Dank ihrer "Toplage" hätten die Standorte aber eine "exzellente Entwicklungsperspektive", so Geiwitz weiter.

Schließlich ist auch der Immobilienentwickler Euroboden insolvent. Das Unternehmen hat einen Wohnkomplex in Kaulsdorf fast fertig gebaut. Wie es dort jetzt weitergeht, hat Euroboden bisher auf rbb-Nachfrage nicht beantwortet.

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Mieten könnten durch Krise steigen

Neben Immobilienentwicklern sind auch Baufirmen von der Krise betroffen. So berichtet die Fachgemeinschaft Bau, ein Verband kleiner und mittelständischer Bauunternehmen, von bis zu 60 Prozent weniger Aufträgen in der Region im ersten Halbjahr 2023. Noch könnten die Unternehmen zwar bestehende Aufträge abarbeiten, aber erste Betriebe hätten schon Kurzarbeit angemeldet, teilt der Verband mit.

Und am Ende könnten auch Mieter die Krise zu spüren bekommen. "Wenn wir die gestiegenen Baukosten umlegen, kommen wir auf höhere Mietpreise", sagt Matthias Heinze, der im östlichen Speckgürtel Wohnungen baut und vermietet. "Für Wohnungen, die ich jetzt für 15 Euro kalt pro Quadratmeter vermiete, muss ich dann 16,5 Euro nehmen, damit sich das rechnet."

Sendung: rbb24 Abendschau, 15.09.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Philip Barnstorf

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