#musikistkeinhobby | Rapper Haxan - "Kunstvoll verpackte Gewalt ist für mich sehr spannend"

Mit seiner Band Kora Winter macht Hakan Halaç gitarrenschweren Metal. Aber unter seinem Pseudonym Haxan rappt der Berliner zu Industrial und Hardcore über verzerrte Beats von Gargoyles und Dämonen. Auch den Eigenen. Ein Gesprächsprotokoll.
In der neuen rbb|24-Reihe #musikistkeinhobby treffen Hendrik Schröder und Christoph Schrag jede Woche Musiker:innen aus der Region, die gerade auf dem Sprung nach oben sind - und ihre ganz besondere Message und Geschichte erzählen.
Dieser Proberaum hat angefangen als eine richtig heruntergekommene Bumsbude, den sich ein paar Bands geteilt haben. Mittlerweile gehört meiner Band und mir der halbe Raum, und ich habe noch mein Studio hineingebaut. Es ist unser Headquarter geworden.
Man kommt in dieses Parkhaus rein, steigt den Aufzug, von dem man hofft, dass er funktioniert. Wenn man oben angekommen ist, ohne stecken zu bleiben, läuft man über eine weite Beton-Fläche mit gruseligem Licht. In der hintersten Ecke ist eine unscheinbare Tür.
Bei der Arbeit an meiner EP "Gargoyle" habe ich mich alle zwei Tage da reingeschleppt, von 18 Uhr bis nachts um eins. Teilweise habe ich da gepennt und bin morgens wieder zur Arbeit gefahren. Mit wahnsinnig wenig und schlechtem Schlaf. Wirklich das volle Programm, der komplette "Eight Mile"-Grind.
Immer zwischen den Stühlen
Ich wurde mit Nu Metal von Slipknot sozialisiert mit ihren Masken und dem harten Sound. Das waren die ersten Sachen, die mich richtig abgeholt haben als Kind. Dieses Musikvideo von "Duality" [youtube.com] ist einfach pure Gewalt. Aber es hat auch so einen sehr positiven Vibe. Kunstvoll verpackte Gewalt ist für mich sehr spannend. Also dieses Gefühl, gemeinsam diese Energie freizusetzen - Irgendwie habe ich das immer geliebt.
Auch Rap hat mich immer begleitet. Mal war es ein näherer, mal ein entfernterer Bekannter von mir. Das allererste Mal durch meine Schwester. Da gab es so Leute in ihrer Klasse, die Mixtapes gebaut haben und die sind dann irgendwann auch in meine Hände geraten. Da habe ich zum ersten Mal Kool Savas gehört, oder die Aggro-Ansagen [wikipedia.org]. Bushidos "King of Kingz" [wikipedia.org] habe ich damals gehört. Fand ich richtig geil, weil es eigentlich ja auch Metal-Ästhetik hat. So richtig krass düster und dunkel.
Aber damals war das ja noch so: Du konntest nicht sagen "Ich bin Metal-Fan" und dann aber heimlich Bushido hören. Du musstest Dich entscheiden für eine Jugendkultur. Ich habe das in mich reingefressen und gedacht: Überall, wo ich bin, bin ich falsch.
Heimat: Harter Sound
Ich wollte immer auch so eine Triebkraft sein für positive, gewaltvolle Energie. Als ich angefangen habe, mein Soloprojekt Haxan, zu starten, habe ich beim Beats-Bauen gemerkt, dass ich das gar nicht abstellen kann. Ich dachte: Wieso kann ich denn nicht so einen industriellen Hardcore-lastigen Rap-EDM-Techno-Mix machen, der das wieder aufleben lässt?
Klar, es ist nur so lange kunstvolle Gewalt, bis es wirklich gewaltvoll ist. Aber in einer guten Hardcore-Sozialisation wird dir auch beigebracht, wenn jemand am Boden liegt, dann hilfst denen sofort hoch. Es ist eine sehr friedvolle, liebevolle Community eigentlich. Ich sehne mich halt nach diesem Gefühl, das ich hatte, als ich zum ersten Mal Dillinger Escape Plan [youtube.com] live gesehen habe im Columbia-Theater in Berlin. Das Gefühl werde ich nie vergessen. Das war pures Chaos, pure Unordnung. Das dauerhafte Gefühl, nicht zu wissen, was als Nächstes passiert. In einem Moment könntest du selber stagediven, in einem anderen läuft Dir jemand gerade über den Kopf. Dieser Kitzel, diese Angst, aber auch das Wissen, dass man Teil ist vom Chaos.
Ich habe das Gefühl, es ist ein Klassenkampf, den ich da auch austrage, auch mit mir selber. Als Kind einer Migrantenfamilie, beide Eltern nach Deutschland gekommen, politische Geflüchtete - und du bist dann das erste Kind in Deutschland. Es wird sehr viel Wert gelegt darauf, dass du gut in der Schule bist, dass du ein Studium machst, einen guten Job kriegst.
Bis ich Anfang 20 war, habe ich nicht gepeilt, dass es soziale Ungleichheit gibt, weil ich dauerhaft von dieser Psychose beeinflusst war, dass wenn ich studiere und geil Abi gemacht habe, dann geht es mir richtig gut. Ich habe nie daran gedacht, zu hinterfragen, ob meine Herkunft nicht auch einen Teil dazu beiträgt, dass das einfach nicht passiert. Ich will gar nicht sagen, dass ich jetzt aufgebe oder eh nie was werde. Ich führe ein sehr angenehmes Leben dafür, dass meine Eltern ihres aufgegeben haben für meine Schwester und mich. Aber ich glaube, ich bin deswegen dauerhaft gestresst und on the edge, weil ich dreimal mehr machen muss als manch andere Leute aus einem anderen sozialen Umfeld.
Musik bis zum Ende
Auch als Band sind wir wirklich die anstrengendsten Wege gegangen, die man gehen kann. Die Band und ich hatten nie Bock, mit bestehenden Labels zusammenzuarbeiten, weil wir in der Berliner Bubble eher Außenseiter waren und uns nirgendwo richtig repräsentiert gefühlt hätten. Deswegen haben wir halt alles einfach selbst in die Hand genommen und uns ein Netzwerk aufgebaut, ein eigenes Label gegründet, auf dem ich auch mit Haxan veröffentliche.
Es ist wahnsinnig viel Arbeit, es ist ein unbezahlter Minijob - oder schlimmer: Du bezahlst Leute dafür, dass du arbeiten gehst. So eigentlich. Aber ich werde das wohl machen, bis ich zu Staub zerfalle. Es wird ja auch immer schwieriger aufzuhören. Irgendwann denkst du dir: Jetzt bin ich schon so tief drin, ich kann gar nicht mehr aufhören.