Diskussionen mit Kulturvertretern - Humboldt-Forum öffnet mit 24-Stunden-Veranstaltung in Gänze

Fr 16.09.22 | 14:35 Uhr | Von Andrea Handels
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Symboldbild: Vitrine mit Masken und Holzfiguren im Ethnologischen Museum (Quelle: imago/Stefan Boness)
imago/Stefan Boness
Video: rbb24 Abendschau | 15.09.2022 | Petra Gute | Bild: imago/Stefan Boness

Am Wochenende eröffnet im Humboldt-Forum der zweite Teil der Ausstellungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst. Zum Auftakt gibt es ein Festival - und das gleich nonstop. Von Andrea Handels

"Eine Art von Fertigsein", nennt Hermann Parzinger die Eröffnung der letzten Teile im Humboldt-Forums. 15 Jahre nach dem Architektenwettbewerb seien nun alle Teile komplett geöffnet und zu besichtigen.

Eröffnet sind nun auch die Ausstellungen im zweiten und dritten Geschoss im Ostflügel des Berliner Schlosses. Hinzugekommen sind Nord-, Mittel- und Südamerika und neue Sammlungspräsentationen zu Afrika und Asien, plus fünf temporäre Ausstellungen.

Die Südseehäuser waren lange nicht zu sehen gewesen. Jetzt haben sie - genau wie vorher schon die Boote - einen eigenen, sich über zwei Etagen erstreckenden Raum bekommen, der auch einen Blick von oben auf das Ensemble aus Versammlungs- und Kulthäusern erlaubt. Besonders beeindruckt ist das Kulthaus aus Abelam in Papua-Neuguinea mit seinen Initiationskammern. Dort wurden die Abelam-Männer im Verlauf ihres Lebens stufenweise in die Welt der Ahnen und Geistwesen eingeführt. Sehenswert ist auch das langgezogene Versammlungshaus mit dem halb offenen, frisch gedeckten Reetdach. Neben den Häusern stehen an einer Wand aufgereiht die viele Meter hohen Ahnenpfähle aus Neuguinea.

Fenster voller Leggins

Dieser Raum ist einer der Höhepunkte des neuen Ausstellungsteils, aber auch die Rundhaus -Inszenierung der Alltagsgegenstände aus Amazonien ist überzeugend. Oder die nach ihrer Verwendung geordneten Schaukästen mit Kleidern, Moccasins, Tabak- und Reitutensilien der "Native Americans" - mit einem ganzen Fenster nur voller Leggings. Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was in der Nordamerika-Abteilung im Depot in Dahlem schlummert. Ein weiterer Höhepunkt: die weltweit einzigartige Höhlentempel-Rekonstruktion der "Höhle der ringtragenden Tauben" von der Seidenstraße in Xinjiang (China). Man kann in das Lehmgebäude hineingehen und die Fresken und Buddhas bewundern.

Kleine Auswahl an Benin-Bronzen

Und dann wären da natürlich die umstrittenen Benin-Bronzen: Von ihnen werden nur rund 40 gezeigt, dazu gibt es viele Informationen über ihre Geschichte, wie beispielsweise britische Soldaten 1897 den Palast im Königreich Benin plünderten oder wie sie auf anderen Wegen nach Europa kamen, es werden alte Fotos und Dokumente präsentiert, Archiv-Ausrisse unter Glas. Zu erfahren ist auch etwas darüber, wie sie jetzt aktuell an Nigeria restituiert wurden, wo sie in einem Museum in Benin-City untergebracht werden sollen.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz durfte 168 der Bronzen als Dauerleihgabe in Berlin behalten. Zu sehen sind jetzt unter anderem filigrane kupferne Gedenkköpfe Verstorbener aus dem frühen 16. Jahrhundert, ganz fein gearbeitet, oder sogenannte Altargruppen mit mehreren miteinander verbundenen Figuren. Dazu werden Werke von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern aus Nigeria, Kommentare und Oral-Histories auf Video gezeigt.

Öffnung für 24 Stunden

Bei den Benin-Kunstwerken sei bewusst eine Lücke gelassen worden, um diesen Einschnitt in der Geschichte der Stiftung Preußischer Kulturbesitz spürbar zu machen, sagte Stiftungspräsident Hermann Parzinger. Als vor 15 Jahren die Planungen für den Umzug von Dahlem ins Humboldt-Forum begannen, stand das Thema koloniales Unrecht noch nicht wie heute im Fokus der Öffentlichkeit. Heute versucht das Museumsteam, allen Forderungen gerecht zu werden. Bei der Gestaltung der Ausstellungen wurden die Herkunftsgesellschaften miteinbezogen, besonders bei den fünf temporären Ausstellungen wie der über den Omaha-Stamm aus Nebraska. Etwa 80 Vertreter:innen aus verschiedenen Ländern des globalen Südens oder indigener Völker wurden nach Berlin eingeladen, haben Workshops gemacht und sind bei der Eröffnung präsent. Auch die diverse Berliner Stadtgesellschaft wurde miteinbezogen.

Unter dem Titel "24h offen" lädt das Humboldt-Forum nun ein, von Samstagmittag bis Sonntagmittag auf 16.000 Quadratmetern 20.000 Exponate anzuschauen, mitzudiskutieren und mitzutanzen.

Das Humboldt-Forum sei in ständiger Veränderung, und das sei auch für die Zukunft gewünscht, hieß es bei der Pressekonferenz zur Eröffnung. "Das Humboldt-Forum ist ein Prozess", sagte Stiftungspräsident Parzinger dem rbb, "es wird sich weiterentwickeln". Ein richtiger und notwendiger Vorsatz, denn die Aufarbeitung kolonialen Unrechts ist noch lange nicht geschafft - und die Gesellschaft ändert sich rasant. Ein modernes Museum muss flexibel bleiben. Bisher scheint das ganz gut zu klappen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 15.09.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Andrea Handels

2 Kommentare

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  1. 2.

    Wenn sogar Dorgerloh in der Eröffnungsrede die Gegenstände im Haus als Habseeligkeiten bezeichnet, kann die Autorin auch locker von Leggins schreiben. Weisser kolonialer Postrassismus nenne ich das.

  2. 1.

    "...mit einem ganzen Fenster nur voller Leggings."
    Etwas unpassend und veralbernd ausgedrückt. Einfach "Bekleidungsteile" oder, vll. ein wenig abgehoben, "indigene Beinkleider" in der vorhergehenden Aufzählung einbauen.
    Ein ganzes Fenster voller Leggings - ja ist denn schon Schlußverkauf, Alles muss raus, so liest sich das.

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