Konzertkritik | Rainald Grebe: "Das Abschiedskonzert" - Aufhören ist keine Option – oder doch?

Di 25.10.22 | 08:34 Uhr | Von Corinne Orlowski
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Der deutsche Liedermacher, Kabarettist und Autor Rainald Grebe am 3.10.2022 während eines Auftrittes in Dresden. (Quelle: imago images/Andreas Weihs)
Audio: rbb24 Inforadio | 25.10.2022 | Corinne Orlowski | Bild: imago images/Andreas Weihs

Der Liedermacher Rainald Grebe hat zuletzt mit seiner schweren Krankheit Schlagzeilen gemacht. Das hält ihn aber nicht davon ab, auf die Bühne zu gehen. In Berlin hat er ein Abschiedskonzert gespielt. Von Corinne Orlowski

Kein Kopfschmuck, kein Klavier, dafür mit Bürostuhl hinterm Keyboard und in Jogginghose, die rutscht: Rainald Grebe schlurft mit seinen zwei Kompagnons auf die Bühne des Berliner Tipi am Kanzleramt – leider ohne ihren Schlagzeuger Martin Brauer, der im vergangenen Jahr gestorben ist. "Wer Rambazamba erwartet oder Rock’n’Roll, ist heute falsch hier", sagt Grebe. "Es ist sozusagen ein Zupfgeigenkonzert, also sehr leise. Man kann endlich die Texte verstehen."

Keinesfalls ein Reha-Konzert

Nun, das ist eine Lüge. Das Trauerjahr ist vorbei. Rainald Grebe und seine Kapelle der Versöhnung zünden ein Feuerwerk. Zugegeben erst gegen Ende des Abends. Grebe muss sich hin und wieder am Standmikrofon festhalten, manche Texte vom Blatt ablesen und stimmlich krächzen die hohen Töne. Aber ein Reha-Konzert ist das keinesfalls. Da springt trotzdem der Funke über, wird mit den Füßen gewippt, die Schenkel geklopft und mitgesungen.

Um die vielen Songs aus fast 20 Jahren in ein Programm zu kriegen, werden auch mal nur die witzigsten Verse angespielt, wie in einem Medley. Das Abschiedskonzert soll nämlich kein "Best of" sein, sondern Erinnerung.

"Mein Hirn sieht aus wie ein Nudelsieb"

Dass Rainald Grebe noch hier stehen kann, sieht er als Zugabe. Und die kostet er so richtig aus. Trotz Vaskulitis, einer Autoimmunkrankheit, die Schlaganfälle auslöst. In den vergangenen zwei Jahren habe er elf Schlaganfälle gespürt. Die anderen merke er gar nicht.

Seit 2017 tropft nun das Todesthema in seine Liedzeilen. Die Ärzte sagen, er könne noch in diesem Jahr im Rollstuhl sitzen. "Mein Hirn sieht aus wie ein Nudelsieb. Und auf der Beerdigung von Martin hat sein Vater zu mir gesagt: Rainald, eigentlich wärst du ja an der Reihe gewesen."

Konzerte geben ihm Trost

Aber Grebe ist einer, der immer wieder aufsteht und weitermacht, weil er alles gleichzeitig will: wohnen auf dem Land und sein in der Stadt, Popmusik und Puppenspiel, Theaterregisseur und Buchautor sein. Vor kurzem ist seine Autobiografie "Rheinland Grapefruit" erschienen, ein Konvolut seines Lebens, eine Wundertüte.

Und jetzt soll das alles ein Ende haben? Na, zumindest nicht ohne ein dreistündiges Abschiedskonzert gespielt zu haben – mit sieben Zugaben, unendlich vielen Grimassen und sogar mit einem neuen Schlagzeuger. Nach Abschied klang das nicht. See you soon.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.10.2022, 9:55 Uhr

Beitrag von Corinne Orlowski

1 Kommentar

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  1. 1.

    Herrn Grebe alles Gute!
    Der Autoimmunmist fällt den stärksten Baum. Vielleicht findet sich ja doch noch eine Hoffnunf, eine Option? Plasmapherese?
    Es wäre ein Traum, wenn Herr Grebe - im Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit - Kraft dafür hätte, auf die verhehrenden Folgen von Autoimmunerkrankungen aufmerksam zu machen.
    Ich kenne die Zahlen nicht, aber vermute, dass mehr (und ebenfalls) junge Menschen im Erwerbslebensalter mit den Symptomen einer Autoimmunerkrankung leben müssen als mit den Folgen von Corona. Die Auswirkungen sind teilweise ähnlich, teilweise viel schlimmer. Siehe Hr. Grebe.
    Ich spreche leider aus Erfahrung.

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