Richard Strauss' "Arabella" an der Deutschen Oper - Ein Spiel der Geschlechterrollen

So 19.03.23 | 12:49 Uhr | Von Maria Ossowski
Richard Strauss’ "Arabella" an der Deutschen Oper (Quelle: Watson Tsallagova Jakubiak)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.03.2023 | Maria Ossowski | Bild: Watson Tsallagova Jakubiak

Wie verbirgt man die Tiefe unter der Oberfläche? Das fragte sich der Dichter Hugo von Hofmannsthal, als er mitten in den politischen Wirren der 1920er Jahre das Libretto für die Komödie "Arabella" schrieb. Eine krude Story? Von Maria Ossowski

Wie bringt man eine Oper auf die Bühne, die im kaiserlichen Wien des späten 19. Jahrhunderts spielt und auf den ersten Blick so gar nicht mehr in unsere Lebenswirklichkeit passt?

Ein verarmter, spielsüchtiger Graf will seine schöne ältere Tochter Arabella vor allem reich verheiraten, während die jüngere, Zdenka, Arabellas Bruder spielen muss, denn zwei standesgemäß aufwändige Garderoben können die Eltern sich nicht mehr leisten. Zdenka liebt Matteo, den Verehrer von Arabella, was der nicht ahnt. Arabella liebt Mandryka, den fremden reichen Landherrn aus Kroatien. Die androgyne Zdenka lockt Matteo ins Bett, in dem sie vorgibt, Arabella zu sein, viele Eifersüchteleien folgen und zum Schluss finden sich die Paare.

Ein Schmarrn, in Teilen unlogisch und hoffnungslos veraltet? Nicht, wenn Tobias Kratzer Regie führt. Der künftige Intendant der Staatsoper Hamburg, dessen "Tannhäuser" das Publikum in Bayreuth zu Jubelstürmen hinriss, setzt mit einem Vexierspiel der Geschlechteridentitäten einen topaktuellen Akzent. Wer fühlt sich weiblich, männlich, beides? Zdenka mit schmalem Schnauzbart und Pagenfrisur irrlichtert in den Räumen verschiedener Begierden.

Von der K.u.K.-Zeit bis heute

Die Handlung spielt auf einem Zeitstrahl zwischen dem opulent ausgestatteten Wien der K.u.K.-Zeit über die 1920er Jahre und die Nazi-Zeit bis ins Heute - im ersten Akt begleitet von Aufnahmen einer Webcam, die wie im Splitscreen neben dem Geschehen Großaufnahmen in Schwarzweiß zeigen, und im dritten Akt von Videos erotischer nonbinärer Phantasien und Möglichkeiten.

Die Strauss-Oper, immer im Schatten des beliebteren "Rosenkavaliers", strahlt in Kratzers Inszenierung eine eigene geheimnisvolle Sexyness aus. Das gelingt vor allem, weil die zurecht umjubelte russische Sopranistin Elena Tsallagova das Changieren zwischen den Geschlechtern hinreißend spielt und bezaubernd, strahlend und kraftvoll singt.

Übliche Buhrufe des Berliner Publikums

Sara Jakubiak hatte als dritte Arabella, die beiden ersten waren erkrankt, eine Woche Zeit für die Proben. Ihre Arabella klingt geheimnisvoll und auch in den Höhen nicht spitz, sondern warm im Ton und schön. Die Männer hatten es schwerer, Russell Brown als Mandryka war etwas indisponiert, Robert Watson als Matteo konnte seinen Tenor glänzen lassen, wenngleich nicht mit größter Kraft.

Die im Berliner Publikum leider üblichen Buhrufe trafen unverständlicherweise den alle Kantilenen bis in die kleinsten Facetten ausdifferenzierenden Dirigenten Donald Runnicles, das im satten Strauss-Sound leuchtende Orchester und ganz besonders die schlüssige und kluge Regie. Wenn eine "Arabella" mit der leicht altbackenen Handlung heute überhaupt noch möglich ist, dann ist es diese hier an der Deutschen Oper Berlin.

Sendung: rbb Kultur, 19.03.2023, 11:00 Uhr

Beitrag von Maria Ossowski

Nächster Artikel