Ex-Pink-Floyd-Star im Zwielicht - Auseinandersetzung um Konzerte von Roger Waters spitzt sich zu

Mi 15.03.23 | 18:07 Uhr | Von Matthias Pohl
  18
Archivbild: Roger Waters in 2022 (Quelle: IMAGO/Daniel DeSlover)
Audio: Kulturradio | 16.03.2023 | Gaby Biesinger | Bild: www.imago-images.de

Antisemitismus wird ihm seit Jahren vorgeworfen, neuerdings auch Kreml-Propaganda: Die Diskussion um Auftrittsverbote für Roger Waters nimmt an Fahrt auf. Gegner und Unterstützer des Ex-Pink-Floyd-Stars bringen sich in Stellung. Von Matthias Pohl

Worum geht es?

Der Musiker Roger Waters, ehemaliges Mitglied der legendären Band Pink Floyd, kommt für einige Konzerte nach Deutschland. In Berlin soll er am 17. und 18. Mai auftreten. In Frankfurt und in München gibt es konkrete Bemühungen, seine dort geplanten Konzerte abzusagen. Auch in Hamburg und Köln laufen Proteste.

Was wird Waters vorgeworfen?

Der heute 79-jährige Musiker ist nach eigenen Angaben Teil der BDS-Bewegung. BDS steht für Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen Israel. Der Deutsche Bundestag stuft die Kampagne nach einem Beschluss von 2019 [bundestag.de] als antisemitisch ein. Die hessische Landesregierung und der Magistrat der Stadt Frankfurt, die sich um eine Absage des Konzerts am 28. Mai in der Festhalle bemühen, nannten Waters einen der "reichweitenstärksten Antisemiten der Welt".

In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder auf ein fliegendes Gummischwein hingewiesen, das seit vielen Jahren Teil der Pink-Floyd- bzw. Waters-Bühnenshow ist. Neben anderen Symbolen prangt auf dem Schwein auch ein Davidstern.

Archivbild: Britischer Musiker Roger Waters am 21.02.2020 (Quelle: dpa/Matt Dunham)
Waters und das umstrittene Gummischwein | Bild: dpa/Matt Dunham

Gibt es noch andere Vorwürfe gegen Waters?

Ja. Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat Waters klar Position für Putin bezogen. Der "Berliner Zeitung" [Bezahlinhalt] gab er vor wenigen Wochen ein Interview, in dem er zu den Gründen für die "militärische Spezialoperation" sagte: "Erstens will er (Putin, d. Red.) den potenziellen Völkermord an der rus­sischsprachigen Bevölkerung im Donbass ver­hindern. Zweitens: Er will den Faschismus in der Ukraine bekämpfen." Von den USA spricht Waters in diesem Konflikt als "Hauptaggressor". Der russische Ex-Präsident Dimitri Medwedew, der dem Westen gerne mal mit Atomwaffen droht, jubelte in den sozialen Netzwerken: "Pink Floyd forever".

Am 8. Februar 2023 sprach Waters in einer Videoschalte vor dem UN-Sicherheitsrat zum Ukraine-Krieg - auf Einladung Russlands. Zwar verurteilte er den russischen Angriff, bestand aber darauf, dieser sei "nicht unprovoziert" erfolgt. "Wie traurig für seine früheren Fans, dass er die Rolle eines weiteren Steins in der Mauer akzeptiert, einer Mauer russischer Desinformation und Propaganda", kommentierte der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kyslyzja unter Anspielung auf das Pink-Floyd-Album "The Wall".

Vielleicht sollte ich das nicht, aber ich bin jetzt offener für das, was Putin tatsächlich sagt. Unabhängigen Stimmen zufolge regiert er be­hutsam und trifft Entscheidungen auf Grundla­ge eines Konsensus, der innerhalb der Regie­rung der Russischen Föderation vorherrscht.

Roger Waters am 4. Februar 2023 im Interview mit der "Berliner Zeitung"

Wer will die Waters-Konzerte verhindern?

Unter anderem Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor. Er warnt vor einem versteckten "Links-Antisemitismus" in der Kulturszene und verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Kunstausstellung documenta. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, betonte, dass Antisemitismus in Kunst und Kultur nicht geduldet werden müsse. "Das Existenzrecht des Staates Israels ist nicht verhandelbar", mahnte Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle, der keinen Waters-Auftritt in München möchte.

Zu den Waters-Gegnern gehört auch sein ehemaliger Bandkollege David Gilmour und dessen Ehefrau Polly Samson, die Waters bei Twitter "antisemitisch bis in seinen verfaulten Kern" und einen "Putin-Apologeten" nannte. "Jedes Wort nachweislich wahr", ergänzte Gilmour.

Hat Waters auch Fürsprecher?

Ja. Eine Reihe von Prominenten, darunter auch Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason, haben auf der Plattform change.org eine Petition pro Waters gestartet. Dort heißt es, dass man zutiefst besorgt sei über die Bemühungen deutscher Offizieller, Roger Waters "zu diskreditieren und zum Schweigen zu bringen". Die Extremisten seien die israelische Regierung, nicht ihre Kritiker, wird in dem Aufruf behauptet. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Musiker Eric Clapton, Peter Gabriel und Brian Eno sowie die Filmschaffenden Susan Sarandon, Ken Loach und Terry Gilliam.

Waters' Kritik am Umgang Israels mit den Palästinensern ist Teil seines langjährigen Engagements für die weltweiten Menschenrechte.

Aus der Petition für Roger Waters bei change.org

Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

In Frankfurt haben die Landesregierung und der Magistrat die Geschäftsführung der Messe per Gesellschafterbeschluss angewiesen, das für den 28. Mai in der Festhalle angekündigte Waters-Konzert abzusagen. In München soll eine Entscheidung über das für den 21. Mai in der Olympiahalle geplante Konzert am 22. März im Stadtrat fallen.

In diesen beiden Fällen hat das Waters-Management bereits juristische Schritte eingeleitet. "Als Ergebnis dieser einseitigen, politisch motivierten Aktion hat Herr Waters seine Anwälte angewiesen, sofort alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um diese ungerechtfertigte Entscheidung aufzuheben und sicherzustellen, dass sein grundlegendes Menschenrecht auf Meinungsfreiheit geschützt wird und dass alle, die ihn sehen wollen, dies in Frankfurt, München und in jeder anderen Stadt in jedem anderen Land tun können", heißt es in einer Erklärung, die am Mittwoch von einer Kölner Rechtsanwaltskanzlei verbreitet wurde.

Und wie geht es in Berlin weiter?

Waters will in Berlin am 17. und 18. Mai in der Mercedes-Benz-Arena spielen, die wiederum Eigentum der Anschutz Entertainment Group ist. Anders als in Frankfurt oder München, gehört die Halle nicht der öffentlichen Hand - damit sind mögliche Handlungsspielräume des Senats sehr begrenzt.

Zu einem offenen Brief von 16 jüdischen Organisationen, die eine Absage der Berliner Konzerte fordern, erklärte die Anschutz Group Ende Januar gegenüber dpa, man wolle die vertraglichen Verpflichtungen mit dem Veranstalter trotz der Kritik erfüllen: Man sei sich der öffentlichen Äußerungen und der damit verbundenen Berichterstattung" von Rogers Waters bewusst und verurteile "jede Form des Antisemitismus", erklärte ein Sprecher. Grundsätzlich sei man jedoch "immer bemüht, Künstlern und Künstlerinnen eine offene Plattform und ein Umfeld zu bieten, in dem sie ihre Ansichten unzensiert und unvoreingenommen äußern können".

Gegen eine erzwungene Absage von Waters-Konzerten haben sich seine Anwälte bereits in Stellung gebracht. Der Kölner Rechtsanwalt Ralf Höcker sprach von einem "kalkulierten Rechtsbruch", sollten deutsche Städte die Auftritte kündigen. Er verwies auf die Kosten möglicher gerichtlicher Auseinandersetzungen - das würde "Millionen an Steuergeldern" kosten.

Sendung: Kulturradio, 16.03.2023, 6:18 Uhr

 

Die Kommentarfunktion wurde am 16.03.2023 um 12:12 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Matthias Pohl

18 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 18.

    Ähm - Nein. Die BDS-Bewegung wird u.a. auch vom "Jewish Voice for Peace" unterstützt. Was das ist, können sie hier nachlesen:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Jewish_Voice_for_Peace
    Hier die deutschsprachige Version:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Jewish_Voice_for_Peace
    ... und bitte wundern sie sich nicht über unterschiedliche Informationsgehalte.
    Es sollte sich ihnen dann auch der Slogan “From the River to the Sea, Palestine Will Be Free” erschließen. Der Blick auf die Landkarte ist damit nicht gemeint.

  2. 17.

    "Keine Ahnung, was manche sich heutzutage von Roger Waters noch erwarten können, aber Pink Floyd wird es imho definitiv nicht sein. So what?" - Kennen Sie zufälligerweise auch schon die Lottozahlen vom nächsten Wochenende?

  3. 16.

    Genau das ist ja der Punkt. Es handelt sich hier bloß um einen Kopf der Gruppe Pink Floyd. David Gilmore distanziert sich öffentlich von seinen Bandkollegen, dessen Äußerungen u. Ansichten er überhaupt nicht teilt. Die Gruppe gibt es faktisch schon seit Jahren nicht mehr.

  4. 15.

    Onkel Jürgen,
    Sie können doch die Musik dieser Truppe hören.
    Ich selbst habe ca. zehn Platten dieser Band.
    Aber, wenn sich Mitglieder als Antisemiten outen, hört der Spaß auf. Dazu aufzurufen, dass Israelische Waren zu boykottieren, erinnert mich an Zeiten, wo der Pöbel „Kauft nicht bei Juden“ schrie.

  5. 14.

    Die Boykott-Bewegung, die Waters unterstützt, wirbt mit der Parole “From the River to the Sea, Palestine Will Be Free”. Ein Blick auf die Landkarte genügt, um festzustellen, dass damit die Existenz Israels ausgelöscht wäre. Palästina frei von Israel. (!)Wer das unterstützt, ist ein Antisemit!

  6. 13.

    Mal abseits von bereits Gesagtem, also rein von der Musik her:

    Es ist ein Roger Waters und definitiv kein Pink Floyd Konzert! Das allein reicht für mich persönlich, bewusst eben nicht hinzugehen. Live habe ich die zuletzt 1990 in Knebworth gesehen/gehört, zusammen u.a. mit den Dire Straits. Keine Ahnung, was manche sich heutzutage von Roger Waters noch erwarten können, aber Pink Floyd wird es imho definitiv nicht sein. So what?

  7. 12.

    Ich bin kein Antisemit und werde zum Konzert von Roger Waters gehen. Wer in der Lage ist, die Plakate zu lesen, wird vernommen haben, dass es sich um die Abschiedstournee des betagten, genialen und richtungsweisenden Musikers handelt.
    Vom Besuch dieses Konzertes werde ich mich nicht vom israelischen Botschafter und sonstigen Organisationen abbringen lassen. Mit Blick auf die derzeitige israelische Regierung mit besonderem Augenmerk auf die Siedlungspolitik, sollte sich den Bibelspruch "Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein." vergegenwärtigen.
    Zudem darf jeder in einer funktionierenden Demokratie das Recht haben, seine Meinung frei sagen zu dürfen. Es obliegt mir, das gut zu heißen oder nicht, aber niemand darf mir sagen, was gut oder schlecht ist. Weder Roger Waters, noch der israelische Botschafter.

  8. 11.

    Ok, wenn man gern auf Leute hört die Pink Floyd-Musik wahrscheinlich gar nicht kennen. Glücklicherweise gibt es außerhalb Deutschlands die Möglichkeit die Musik zu hören ohne das mir erklärt wird wie böse doch der Musiker ist. Ich persönlich interessiere mich nur für die Musik.

  9. 9.

    Mit dieser Absage erweist man uns, der jüdischen Gemeinde in Deutschland, einen Bärendienst, genau wie mit dem Empfang Netanyahus durch Scholz und Steinmeier zu gerade diesem Zeitpunkt. Die anti-jüdische Fraktion (nicht gleich antisemitisch, weil die ja auch anti-arabisch ist) fühlt sich in ihren Ressentiments bestätigt. Deutschland sollte sofort aufhören, Israelkritik mit eine anit-jüdischen Haltung gleichzusetzen. Der BDS NICHT anti-jüdisch.
    Eine Cancel-Out-Culture hat nichts mit Demokratie zu tun. Ganz im Gegenteil!!

  10. 7.

    Weinerlicher und vor Selbstmitleid strotzender alter weißer Mann.
    Auch in seinen Texten spiegelt sich das immer wieder.
    Putin-Propaganda und Antisemitismus eher nicht. Das wäre ein guter Grund, ihn zu meiden.
    Dass es Anhänger gibt, (eher aus Nostalgie zu Pink Floyd), die seine Musik gut finden und zu seinen Konzerten gehen, ist doch völlig ok.
    Die große Menge möchte eh bloß die Floyd Songs hören und erträgt sein Solo Gedöns.
    Wenn jeder Künstler ausgeladen wird, dessen Meinung im Moment unpopulär ist, dann viel Spaß beim Sondieren.
    Reine Heuchelei.

  11. 6.

    Paul, in was für eine Welt leben Sie den? In Wolkenkuckucksheim oder in Bullabü?
    Jeder Künstler, der auf der Bühne steht, ist auch Spiegelbild seiner politischen Haltung. Dieser Water als BDS-Büttel besonders. "Der israelische Botschafter in D sollte in diesem Zusammenhang keinen Einfluss auf Konzertveranstaltungen in D nehmen." Dann sollten wir uns auch aus landintere Gesetzgebungen heraushalten. "Wir schließen jeden Künstler, Sportler usw. wegen seiner Meinung aus?" Waren Sie nicht einer derjenigen, die Jan Josef Liefers aus dem Tatort entfernen wolten, nur weil er neben anderen Künstlern diexCorona-Maßnahmen in Frage stellte? Wie man heute lesen kann, waren die Maßnahmen völlig überzogen.
    Das Konzert gehört abgesagt, auch aus geschichtlichen Gründen. Das ist auch ein Kampf gegen den aufkommende Antisemitismus in der BRD. Sie wollen doch nicht zu den Judenhassern gehören, oder?

  12. 5.

    In meinen Augen ist es ein erheblicher Unterschied, ob Kritik an einem Staat geübt wird, die sich aufgrund von Regierungsverhalten nicht von der Kritik an anderen Staaten abhebt oder aber, ob diese Kritik soweit geht zu behaupten, dass käme vom Menschenschlag als solches.

    Darin unterscheidet sich Kritik, die für eine Demokratie unabdingbar ist, von Antisemitismus, Rassismus und sonstigen voreingenommenen "-ismen."

    Um es konkret zu machen: Selbstverständlich ist Kritik an der jeweiligen israelischen Regierung redlich und auch vonnöten, wie ggü. anderer Regierungen in anderen Ländern. Die eingemeißelte "Judensau" und das fliegende Gummischwein mit Davidstern sind dagegen antisemitisch.

    Menschen in Indonesien bspw. mag dieser Unterschied nicht so einleuchten wie in Deutschland, dem Land, aus dem die Täter kommen. Das war der Konflikt auf der Documenta. Roger Waters sollte es allerdings wissen.

  13. 4.

    Oh, da hat jemand eine andere Meinung.
    Das wollen wir hier nicht und darüber nachdenken schon mal gar nicht.

  14. 3.

    Ein Blick in die Vita des Grünen Vorsitzenden Nouripour kann auch sehr hilfreich in diesem Zusammenhang sein. Wollen die Fans von Roger Waters in den Konzerten seine Musik hören? Ja. Sind seine Konzerte eine politische Veranstaltung? Eher nicht. Der israelische Botschafter in D sollte in diesem Zusammenhang keinen Einfluss auf Konzertveranstaltungen in D nehmen. Wir schließen jeden Künstler, Sportler usw. wegen seiner Meinung aus? Willkommen in der DDR 2.0! Was kommt als nächstes!, die Ausbürgerung aller unliebsamen Menschen wegen derer Meinungen?

  15. 2.

    Es soll auch Menschen geben die einfach nur gute Musik hören wollen und das ohne Interesse an Waters politischer Meinung.

  16. 1.

    Mal ehrlich, wenn ein BDS-Propagandist der offen zum Boykott Israels aufruft, u.a. Bands wie Radiohead verunglimpft, nur weil sie Konzerte in Israel geben, hat in unserer Stadt nichts zu suchen. "Fans", die zu solchen Konzerten gehen, sympatisirieren sich mit solchen Antisemiten.
    Dieses Konzert sollte verboten werden. Alles andere wäre scheinheilig, gerade in Zeiten aufkommenden Antisemitismus.

Nächster Artikel