Theaterkritik | "Ein Sommernachtstraum" beim Theatertreffen - "Patrick, brauchst du Hilfe?"

Di 23.05.23 | 06:42 Uhr | Von Fabian Wallmeier
Ein Sommernachtstraum am Theater Basel von William Shakespeare, Deutsch von Angela Schanelec, in Zusammenarbeit mit Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens, in einer Fassung von Antú Romero Nunes und Ensemble. Regie: Antú Romero Nunes, Premiere 17. Dezember 2022 (Quelle: Ingo Höhn)
Audio: rbb24 Inforadio | 23.05.2023 | Bild: Ingo Höhn

Ein Lehrer:innenkollegium probt Shakespeares "Sommernachtstraum". Das ist die Idee des Basler Gastspiels beim Berliner Theatertreffen. Der Abend beginnt als recht witziges Kabarett, zieht sich dann aber sehr. Von Fabian Wallmeier

Es gibt vermutlich keine offizielle Statistik darüber, deshalb nur eine kühne Behauptung: Wer als Kind oder Jugendlicher weder in eine Schultheateraufführung von Shakespeares "Sommernachtstraum" gezerrt wurde noch selbst in einer solchen mitgespielt hat, ist mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit schlicht nicht zur Schule gegangen.

Klar, das Stück bietet sich auch an: Die in der griechischen Antike angesiedelte Waldzauber-Komödie rund um die Hochzeit des Athener Königspaares ist schließlich nicht zuletzt für eine Laientheater-Szene berühmt: Kurz vor Schluss führt dort eine Gruppe von Handwerkern ein Stück auf.

Antú Romero Nunes und sein Ensemble haben dem am Theater Basel noch eine weitere Ebene hinzugefügt: Die Inszenierung, die am Sonntag und Montag am HAU beim Berliner Theatertreffen zu Gast war, beginnt damit, dass eine Gruppe von Lehrer:innen eine eigene Aufführung des "Sommernachtstraums" plant. Direkt auf dem blauen Teppich der Schulaula, mit ein paar Helmen und Schwertern als Requisiten sowie ein paar Vorhängen und zwei auch als Trommeln funktionierenden Säulen als Bühnenbild.

Ein Sommernachtstraum am Theater Basel von William Shakespeare, Deutsch von Angela Schanelec, in Zusammenarbeit mit Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens, in einer Fassung von Antú Romero Nunes und Ensemble. Regie: Antú Romero Nunes, Premiere 17. Dezember 2022 (Quelle: Ingo Höhn)
| Bild: Ingo Höhn

Lehrer:innen-Typen-Kabarett

Der Beginn in diesem tristen Setting ist recht witziges Lehrer:innen-Typen-Kabarett: Da gibt es den Macher, der glaubt, die Dinge - nach ganz basisdemokratischer Entscheidung - einfach mal in die Hand nehmen zu müssen. Die verschüchterte Aushilfslehrerin, die erst in ihrer Theaterrolle deutlich die Stimme erhebt. Die redebedürftige Kollegin, die immer wieder recht wirr von "dem Manolo" aus ihrer Klasse spricht, dem man doch irgendwie helfen müsse. Und so weiter.

Das achtköpfige Ensemble spielt das mit Verve und Treffgenauigkeit. Dann legt Antú Romero Nunes die Latte ein Stück her: Nach dem Verteilen der Rollen geht es nun ans Spielen des eigentlichen Stücks - und die Herausforderung für das Ensemble besteht nun darin, laientheaterhaft schlecht zu spielen und dabei witzig zu sein, ohne sich allzu sehr über die Figuren lustig zu machen.

Ein Sommernachtstraum am Theater Basel von William Shakespeare, Deutsch von Angela Schanelec, in Zusammenarbeit mit Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens, in einer Fassung von Antú Romero Nunes und Ensemble. Regie: Antú Romero Nunes, Premiere 17. Dezember 2022 (Quelle: Ingo Höhn)
| Bild: Ingo Höhn

Tatsächlich Shakespeare

Auch das ist eine Zeitlang vergnüglich anzuschauen. Cordula (Anne Haug) trippelt als Elfe auf Zehenspitzen auf der Stelle, als müsste sie dringend auf die Toilette. Vroni (Aenne Schwarz) verfällt immer wieder ihrem Dialekt und liest die Regieanweisungen vor, anstatt sie zu befolgen. Regisseur Dominik (Fabian Krüger) bürstet als Helena die Überbetonungen seines Textes völlig sinnlos gegen den Strich. Und Rampensau Patrick (Sven Schelker) würde am liebsten alle Rollen selbst übernehmen, weil es nun einmal niemand so gut kann wie er. "Patrick, bist du okay? Brauchst du Hilfe", wird er später einmal gefragt, als er mit ganzem Körpereinsatz die Verwandlung in einen Esel spielt.

Dass das liebevolle Karikieren von ungelenkem Laienspiel-Overacting keinen ganzen Theaterabend füllt, ist Nunes bewusst. So treten mit der Zeit die Lehrer:innen hinter den dargestellten Figuren immer weiter zurück - und es wird tatsächlich sehr hochtourig komödiantischer Shakespeare gespielt. Doch nachdem nun die Grundidee der Inszenierung größtenteils ausgeschöpft ist, schlagen weder das weithin bekannte Shakespeare-Stück selbst noch die immer wieder eingestreuten Rückgriffe auf das Laientheater-Setting noch Funken.

In Redundanz und Witzelei verloren

So schleppt sich der Abend nun noch sehr lange weiter - zwei Stunden und 40 Minuten dauert er im Ganzen und er fühlt sich keine Sekunde kürzer an. Wie sich die Figuren im Stück im Wirrwarr aus Liebes-Querelen, Traum und Zauberei verlieren, verliert sich nun auch die Inszenierung in endloser Witzelei und Redundanz.

Dann irgendwann taumeln sie alle aus dem Theatertraum zurück ins Laienspiel-Setting im Kreis des Kollegiums. Mehr oder weniger wach wird weiter geprobt, dann gibt es noch eine von melancholischer Musik untermalte Version des Stücks im Stück und das war es dann.

Eine Feier des Laientheaters, gar der Imaginationskraft des Theaters insgesamt will dieser Abend möglicherweise sein. Leider ist er nur eine streckenweise halbwegs amüsante Karikatur davon.

Ein Mitschnitt der Inszenierung ist im Rahmen der alljährlichen Theaetertreffen-Fernsehreihe "Starke Stücke" noch bis zum 7. September in der 3sat-Mediathek [3sat.de] zu sehen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 22.5.23, 7:55 Uhr

Beitrag von Fabian Wallmeier

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