Neue Ausstellung im Potsdamer Minsk - Made in East Germany

Fr 02.06.23 | 16:26 Uhr | Von Julia Sie-Yong Fischer
Installationsansicht der Ausstellung Werk Statt Sammlung: Kunstwerke aus der Sammlung Hasso Plattner, zu Gast: Wilhelm Klotzek, Das Minsk Kunsthaus in Potsdam 2023 (Quelle: Ladislav Zajac)
Audio: Antenne Brandenburg | 02.06.2023 | Nachrichten | Bild: Ladislav Zajac

Das Minsk in Potsdam hat seine dritte Ausstellung eröffnet: "Werk Statt Sammlung" umfasst 38 Exponate aus der Sammlung von Hasso Plattner. Der Berliner Künstler Wilhelm Klotzek reagiert darauf - mit Humor und viel Beton. Von Julia Sie-Yong Fischer

Gleich im Erdgeschoss des schicken Ausstellungshauses wartet die erste Überraschung auf die Besucher:innen: Statt wertvoller Gemälde und Skulpturen sind auf der Hälfte der gesamten Ausstellungsfläche des Potsdamer Minsk Baulampen und einfache Tische aus Sperrholz aufgebaut. Poster von zukünftigen Veranstaltungen und Collagen einer Schulklasse hängen an den Wänden.

In diesen Räumen der "Werkstatt" können in den nächsten drei Monaten unter anderem Senior:innen Gedichte schreiben, Kinder Keramik bemalen oder generationsübergreifende Gespräche über die persönliche Ost-Vergangenheit geführt werden. Auch der Titel "Werk Statt Sammlung" macht deutlich: Die Ausstellung möchte nicht einfach nur Werke der Sammlung zeigen. Idealerweise soll sich das Museum zu einem interaktiven Ort des Austauschs mit historischer Kunst aus der DDR und der Gegenwart entwickeln.

Humorvolle Ernsthaftigkeit

Die Biografie des Ost-Berliner Gastkünstlers Wilhelm Klotzek (Jahrgang 1980), schließt zeitlich genau diese Lücke. Als Tausendsassa nimmt er an mehreren Stellen gleichzeitig künstlerische Eingriffe vor: Er zeigt zwei eigene Kunstwerke. Er bettet Skulpturen der Sammlung auf insgesamt fast drei Tonnen gebrauchter Berliner Gehwegplatten und reagiert mit ausgedachten Buchtiteln auf die daneben hängende Malerei. Und last but not least gestaltete er den Werkstattraum und führte mit den Schüler:innen den Collagen-Workshop durch.

Dabei können Klotzeks Arbeiten im Obergeschoss schon durchaus als eigenständiger Kommentar verstanden werden. "Kunstbuchhandlung (II)" (2022) besteht aus einer lebensgroßen Schaufensterfront aus Aluminium und Glas. In der opulenter Auslage werden unterschiedliche, realistisch aussehende Kunstbücher präsentiert. Beim Nähertreten merkt man schnell, dass die humorvollen Titel wie "Readymades - Dresdner Discounter Dilettantismus" oder "Szenen Deutscher Geschichte aus Zigarettenstummeln", vom Künstler frei erfunden und gestaltet wurden.

Doch hinter dieser witzigen Fassade steckt eine bittere Erkenntnis: Nach der Wende gestaltet sich der Zugang zum gesamtdeutschen Kunstdiskurs nicht für alle Akteur:innen gleich und dieser Zustand wird kaum öffentlich besprochen.

Wilhelm Klotzek, Das Architektonische Trio, 2012–16 (Quelle: Ladislav Zajac)

Durchaus redefreudig hingegen präsentiert sich die Videoarbeit mit dem Titel "Das architektonische Trio" (2012). Auf drei Monitoren diskutieren die drei Protagonist:innen des Trios (alle verkörpert durch den Künstler selbst) in komödiantischer Talkshow-Manier über absurde Berliner Bauvorhaben im Umgang mit der verbliebenen DDR-Architektur. Die Installation kann angesichts des hinter ihr liegenden pittoresken Ausblicks auf die sanierte Potsdamer Innenstadt als kritische Stellungnahme verstanden werden: Wer entscheidet eigentlich, was und wie gebaut oder doch lieber abgerissen wird?

DDR revisited

Und dann tauchen sie doch noch ganz am Ende auf: die Gemälde und Plastiken der Sammlung von mehr oder weniger bekannten Künstler:innen wie Wolfgang Mattheuer, Gudrun Brüne und Stefan Plenkers. Auch wenn der klassische Duktus des sozialistischen Realismus überwiegt, überrascht die Werkschau mit unerwarteten Positionen.

Wie zum Beispiel der farbfroh expressiven Malerei von Erika Stürmer-Alex oder den grafischen Arbeiten des Konzeptkünstlers Karl-Heinz Adler. Ein Teppich mit eingewebtem Schriftzug "Made in Western Germany" der westdeutschen Künstlerin Rosemarie Trockel fügt neben eines Bilds Martin Kippenbergers mit DDR-Souvenirs eine kapitalismus-kritische Perspektive aus der BRD hinzu.

Kurze Pause vom Label

"History is just a feeling - Made in Germany" steht auf einem eigens für die Ausstellung entworfenen Buchdeckel Klotzeks. Er schafft es damit, dem Label "DDR-Kunst" für einen kurzen Moment die historische Schwere zu nehmen. Die Sammlungswerke sind eben mehr als nur Zeugnisse einer politischen Repression. Vielleicht dürfen sie manchmal auch einfach nur Kunst sein.

Gerade deswegen erscheint die künstlerische Arbeit der "Wendekinder" wie Klotzek wichtig, um einen einfühlsamen aber frischen Zugang zu ermöglichen.

"Barrierefrei" charakterisiert er auch selbst seine künstlerische Arbeit, weil sie durch ihren Humor und ihre Alltagsästhetik leicht verständlich sei. Nicht zuletzt dadurch bietet "Werk Statt Sammlung" eine Möglichkeit den Museumsbesuch für möglichst viele Menschen zu einer neuen Erfahrung mit ostdeutscher Kunst und Identität werden zu lassen.

Installationsansicht der Ausstellung Werk Statt Sammlung: Kunstwerke aus der Sammlung Hasso Plattner, zu Gast: Wilhelm Klotzek, Das Minsk Kunsthaus in Potsdam 2023 (Quelle: Ladislav Zajac)

Die Ausstellung "Werk Statt Sammlung" läuft vom 3.6. bis zum 20.8.2023

Transparenzhinweis: Wilhelm Klotzek war mehrere Jahre lang Mitarbeiter der Redaktion rbb|24. Aktuell besteht kein Beschäftigungsverhältnis

Sendung: Antenne Brandenburg, 02.06.2023, 15:30 Uhr

Beitrag von Julia Sie-Yong Fischer

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