Steigende Preise - Wird der Festival-Besuch zum Luxusgut?

Fr 28.07.23 | 08:03 Uhr | Von Wolf Siebert
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Symbolbild: Die Besucher tanzen beim Festival Alinae Lumr-2022 (Quelle: Alinae Lumr/Ludwig Nikulski)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 28.07.2023 | Material: Brandenburg aktuell | Bild: Alinae Lumr/Ludwig Nikulski

Nicht nur Clubs klagen über weniger Besucher. Auch Festivals spüren, dass die Menschen wegbleiben oder erst kurzfristig buchen. Das macht die Planung zu einem Glücksspiel. Gerade kleinere Festivals wünschen sich mehr Förderung. Von Wolf Siebert

Laureen, Julia und Yin aus Berlin sind verzweifelt: Gut einen Monat vor Beginn des "Alinae lumr"-Festivals in Storkow (Oder-Spree) haben sie viel zu wenige Eintrittskarten verkauft. "Wir machen das Festival seit 2015", sagt Laureen. "Corona war dann schon ein starker Einbruch, den wir aber dank öffentlicher Förderung überstanden haben. In diesem Jahr aber bleibt das Publikum aus."

Das könnte auch an den höheren Ticketpreisen liegen. Im vergangenen Jahr kostete ein Festival-Pass für zweieinhalb Tage 90 Euro, in diesem Jahr verlangen Laureen, Julia und Yin 120 Euro. "Alles ist teurer geworden: die Bands, Personal, Leihgebühren für Technik, die Security, der Strom. Und wir bekommen in diesem Jahr kaum Förderung, nur noch vom Landkreis Oder-Spree", sagt Laureen. Sponsoren hat das kleine Festival, das eine Mischung aus Indie-Rock und Indie-Pop anbietet und neben Twens auch Familien ansprechen will, keine.

Die drei Frauen organisieren das Festival ehrenamtlich, gemeinsam mit zwei Dutzend Unterstützerinnen. Zusätzlich erschwert wird die Planung dadurch, dass Festival-Besucher nur noch selten im Voraus kaufen.

Inflation treibt die Ticketpreise

Das bestätigt auch Simon Knop Jacobsen. Bei "Impuls Brandenburg" in Potsdam ist er für Festivals zuständig. Der Verein unterstützt im Auftrag der Landesregierung Festivals, Popularmusik und soziokulturelle Projekte. "In den letzten zehn Jahren sind Ticketpreise für Festivals teilweise drastisch gestiegen", sagt er. "Und die Besucher haben dann ja noch weitere Ausgaben: Essen und Trinken, An- und Abreise. Wenn die Kosten weiter so steigen, dann entspricht das dem, was man für einen All-inclusive-Urlaub bezahlen muss. Und da überlegen sich dann viele, ob sie wie früher dreimal im Jahr auf ein Festival gehen oder nur noch einmal."

In Brandenburg gibt es 93 aktive Festivals. Viele haben nach Jacobsens Angaben finanzielle Probleme und wissen nicht, ob sie im kommenden Jahr noch existieren werden. Vor allem betroffen sind die kleinen Festivals, die nicht mit prominenten Headlinern locken können, und Festivals, die oft keine Sponsoren haben.

Ressourcen-Pooling kann nur ein Teil der Lösung sein

In diesem Jahr muss noch kein Festival in Berlin und Brandenburg aus Kostengründen abgesagt werden. Aber überall wird versucht, die Kosten zu senken. So nutzen die Festivalorganisatoren der "Wilden Möhre", des Praerie-Festivals und des Lusatia-Festivals den gleichen Veranstaltungsort.

Bühnen und Bars müssen dann nur einmal aufgebaut werden und nicht dreimal. Dieses "Ressourcen-Pooling" wird in der Branche zunehmen, da zeigt sich Simon Knop Jacobsen sicher. Auch bei der Werbung lasse sich durch Kooperationen Geld einsparen.

"Musik-Festivals sind mehr als Fun"

Ohne öffentliche Unterstützung würden viele Festivals nicht überleben. Zurzeit gibt es in Brandenburg zwar den "Inno-Fonds Pop" mit 50.000 Euro. Damit werden aber nicht nur Festivals gefördert.

Und es gibt diverse andere Programme auf kommunaler Ebene. "Das aber reicht angesichts der steigenden Kosten nicht aus", sagt Jacobsen. "Wir brauchen im Land Brandenburg eine stärkere öffentliche Förderung. Sonst wird ein Festival-Besuch zum Luxusgut." Es gebe bereits Gespräche mit der Politik, sagt Jacobsen weiter, er sei hoffnungsvoll. "Musik-Festivals sind mehr als Fun. Es gibt häufig Workshops und Gespräche, ganz unterschiedliche Menschen begegnen einander, ohne Diskriminierung, da geht es auch um Werte. Und in manchen Gegenden sind Festivals die einzige Möglichkeit der soziokulturellen Teilhabe."

Festival-Förderung in Berlin

In Berlin bietet der Senat zwei Förderprogramme für Festivalveranstalter an: Gefördert werden Projekte, "die dem Selbstverständnis Berlins als weltoffene, kreative und geschichtsbewusste Metropole entsprechen", so steht es im Ausschreibungstext.

3,6 Millionen Euro pro Jahr stehen für ein- und zwei-jährige Projekte zur Verfügung. Die Vorhaben müssen in Berlin entwickelt und gezeigt werden sowie mehrheitlich Berliner Künstler und Künstlerinnen beteiligen. Mit weiteren fünf Millionen Fördergeldern pro Jahr sollen "stadtpolitisch relevante Festivals", die "sich in der Vergangenheit durch künstlerische Qualität, ein besonderes Profil und thematische Schwerpunktsetzung in der Berliner Kulturlandschaft etabliert haben, langfristige Planungssicherheit" bekommen.

Laureen, Julia und Yin vom !Alinae lumr"-Festival werden davon nicht profitieren. Denn ihr Festival findet nicht in Berlin statt. "Bei uns heißt es jetzt: sparen, sparen, sparen", sagt Laureen. 1.000 bis 1.200 Tickets müssen sie nach eigenen angaben verkaufen, um nicht ins Minus zu rutschen. Deshalb machen sie jetzt noch viel Werbung und bieten auch günstigere Tickets an: ein "Anwohner-Ticket" für 35 Euro, ein "Freundinnen-Ticket" für vier Personen für 400 Euro. Und sie hoffen, wie sie sagen, dass viele Kurz-Entschlossene kommen werden, die ein "Tages-Ticket" kaufen.

Und das Festival absagen? Auch darüber hätten die drei im Unterstützerkreis diskutiert, sagen sie. Und dann entschieden, auf das Prinzip Hoffnung zu setzen. Aber ohne öffentliche Förderung wird es künftig wohl nicht gehen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.07.23, 08:55 Uhr

Beitrag von Wolf Siebert

27 Kommentare

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  1. 27.

    Wie kommen Sie darauf, dass nur einseitig gefördert wird? Viele Festivals erhalten doch gar keine Förderung. Mir ging es eher darum zu erklären, dass ein Festival nicht nur Privatvergnügen ist, wie es einige hier beschrieben, sondern wirtschaftliche Bedeutung hat. Vielleicht sind es mittlerweile auch einfach zu viele, die sich den Kuchen aus Eintrittsgeldern und möglichen Fördergeldern teilen müssen?

  2. 26.

    Bei all den guten Erklärungen, es kann nicht einseitig gefördert werden. Die Sparte der Festivals nimmt einen sehr kleinen Teil der gesamten Kulturbranche ein. Die Gäste dieser Veranstaltungen sind fast ausschließlich Jugendliche, außer Ihr angesprochenes Wacken und vielleicht ein paar andere. Dann sollte der Veranstaltungsbereich für Kinder und Erwachsene ebenfalls Förderung erhalten. Dort treffen die gleichen Synergien wie von Ihnen beschrieben zu.

  3. 25.

    Der Besuch eines Festivals ist Privatvergnügen. So weit richtig. Was aber Sie und andere übersehen: Die Veranstaltung eines Festivals ist ein Wirtschaftsfaktor. Durch den Ticketverkauf, den Verkauf von Getränken, Essen und Merchandising-Produkten, Anreisen, eventuellen Übernachtungen, werden Umsätze generiert, sodass Geld in Form von Steuern ins Staatssäckl fließt. Das sind nicht nur Umsatzsteuern, sondern auch Gewerbe- und Einkommenssteuern von allen, die für ihre direkte oder indirekte Arbeit vor, während und nach dem Festival bezahlt werden, wie Musiker, technische Kräfte, Gastro-, Reibigungs- und Toilettenpersonal-Personal sowie verschiedene externe Dienstleister. So ein Festival kann mehr Geld in die Gemeindekassen spülen als ein kleiner Betrieb. Für die Orte ist es zudem ein erheblicher Werbefaktor. Wer würde z. B. Wacken ohne das Festival kennen? Was das Festival für die Wackener Wirtschaft bedeutet, lesen Sie hier: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Wacken

  4. 24.

    Geld gibt es in Deutschland wie Mist. Es müßte nur eingesammelt werden. Dienstwagenprivileg. Kapitaltransaktionssteuer (Die von deutschland und Luxembiurg immer wieder abgelehnt wird), Vermögensteuer etc pp.

  5. 23.

    Nun ja, ich ging auf Festivals, weil es genau da die Musik gab, welche ich und einige Hundert bis Tausend hören und die Bands sehen wollten.Wenn Wacken halt 75000 Metal-Fans aus aller Welt anzieht z.b. kommen die genau wegen Metal und den zugehörigen Spielarten und nicht wegen A.Berg. Wobei in Wacken wäre das durchaus möglich. Und ein Festivalbesuch ist im Freundeskreis auch zum "Luxus" geworden,weil es halt nicht mehr mit Summe X machbar ist, sondern nur mit Summe XYZ. Der Zeitfaktor kommt dann natürlich noch obendrauf. Und wenn die passende Subkultur nicht bereit ist zu zahlen, sieht's halt düster aus. Möglicherweise hilft dann nur noch alle 2Jahre solch Festival zumachen.

  6. 22.

    Entschuldigen Sie, kennen wir uns? Und es steht überhaupt nicht zur Debatte, Kultur nicht mehr aus öffentlichen Mitteln zu fördern.

  7. 21.

    Ich verstehe, dass solche Festivals auch gerne Fördergelder hätten. Aber gerade in den sozialen Bereichen wird gespart, dass die Schwarte kracht. Solange das getan wird, finde ich auch, dass Festivals Luxus sind, zumal nicht alle Altersgruppen betroffen sind. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass eben nicht mehr alles wie bisher möglich ist. Es gibt jetzt andere Prioritäten ( Miete, Strom, Heizung usw. )

  8. 20.

    Ein Besuch von Festivals, Konzerten usw. ist wohl reines Privatvergnügen. Würde man diese Veranstalter mit Fördergeldern beglücken, würde jeder andere Unternehmer zu Recht gleiches für sich beanspruchen. Da kämen viele auf die Idee irgend eine Firma zu gründen und von Förderung zu leben.
    Und wenn sich die Festivalbesucher das Ticket nicht leisten können, beanspruchen die Urlauber auch ihr Recht auf Fördergeld, da sind bekanntlich auch gehörige Preissteigerungen zu verzeichnen.

  9. 19.

    Dann sag uns mal aus der Ferner, Ansgar, wo wir dann sparen, wenn wir hier das Geld raushauen sollen? Weil 1 Euro kann nur 1x ausgegeben werden, das solltest du als Niedersachse auch wissen.

  10. 18.

    Entscheidend sollte der kommerzielle Charakter sein. Dass Kultur generell nicht aus öffentlichen Mitteln gefördert werden sollte, wie hier einige fordern, ist natürlich Quatsch.

  11. 17.

    Ein Festivalbesuch IST ein Luxusgut, schon immer gewesen. Seltsame Frage also.

  12. 16.

    Zu hohen Konzert/Festivaleintrittspreisen kommen oft noch unverschämt hohe Vermittlungskosten dazu, Eventtime und Co.,- Firmen, die mit vergleichsweise wenig Aufwand hohen Gewinn generieren. Und man ist diesem System meist ausgeliefert. Auch das schreckt ab.

  13. 15.

    Doch, Kultur muss z.T. öffentlich finanziert werden, sonst können so gut wie alle Bibliotheken dicht machen. Bibliotheken fallen oft genug unter die Sparte "Kultur", weil manche unsere Bildungsangebote nicht wahrnehmen. Und wir können uns nicht selbst tragen. Bei Festivals etc. gehe ich ja noch mit, dass diese nicht unbedingt vom Staat gefördert werden sollten. Aber Kultur generell nicht mehr zu fördern wäre für unsere Gesellschaft, das Zusammenleben, die Demokratie ein Desaster.

  14. 14.

    Schluss mit staatlichen Zuschüssen, wir müssen sparen. Die Bundesrepublik Deutschland war noch nie so hoch verschuldet wie 2022. Die Kosten der Energiekrise und der Corona-Pandemie trieben die Schulden im Vergleich zum Vorjahr um weitere 47 Milliarden Euro nach oben. Das Sparen gilt für alle Bereiche, bitte erst die Basis solide finanzieren, dann kann man sich Komfortthemen gönnen.

  15. 13.

    Gerade in Zeiten in denen sich manche nicht mehr so viel leisten können ist es wichtig Kultur zu fördern. Wenn sie dazu in der Lage sind, denken sie mal darüber nach.

  16. 12.

    Konsum einzelner sollte nicht mit Steuermitteln aller unterstützt werden. Ausnahme: Berlin schafft es ohne Finanzmittel aus dem Länderfinanzausgleich zu wirtschaften. Ich denke, dass wir wichtigere Projekte wie den Umbau Berlins zur Schwammstadt haben. Sollen hier Mittel für Festivals ausgegeben werden, müssen sich hier die Berliner auch ganz klar dazu äußern, worauf die Berliner im Gegenzug zu verzichten bereit sind. Schließlich kann man den Euro nur 1x ausgeben.

  17. 11.

    Festivals sind ein Teil der Kultur wie anderes auch, z.B. Oper, Theater, Kino, Konzerte, Volksfeste usw.. Alles und jeden zu fördern, geht einfach nicht. Vieles von dem sind auch reine Kommerzveranstaltungen. Das darf man mal auch nicht vergessen. Die Prioritäten von Kulturförderung setzen unsere gewählten Volksvertreter. Bei uns hier werden nur Kulturzweige öffentlich gefördert, die freien Eintritt für alle haben oder, wenn bei kleinem Entritt, für Kinder und Jugendliche sind. Die bildungskulturellen Angebote wie Museum oder literarische Veranstaltungen haben auch ihren festen Etat. Alles was unter den weiten Begriff Popkultur fällt und Eintritt kostet, ist da raus. Solche Prioritäten find ich völlig OK bei dem wenigen Geld für öffentliche Kulturförderung. Zumal die Kultureinrichtungen der Stadt auch noch über andere Etats indirekt unterstützt werden.

  18. 10.

    Falsch! In Zeiten wo die Armut immer größer wird in der Bevölkerung, da ist Kultur purer Luxus! Da ist eine Wohnung, Essen und Trinken und eine gute Bildung eindeutig wichtiger! Nämlich das, was ein Überleben sichert. Dazu gehören Festifals, Konzerte und Theater ganz sicher nicht.
    Wer das nicht versteht, dem geht es offenbar immer noch zu gut.

  19. 9.

    Festival hin oder her, es ist nicht meine Musik vielleicht sollte man darüber nachdenken, nicht nur eine Sorte Musik, sondern querbeet für alle.

  20. 8.

    Sehe ich auch so. Festifals und Konzerte sind reine Privatvergnügungen. Da hat der Staat nichts mit zu tun.
    Wenn die Branche Probleme hat, dann sollten sie selbst neue Lösungen und Wege finden um wieder attraktiver zu werden.

    Ich kann es mir auch nicht mehr leisten die horenden Ticketpreise zu zahlen. Na gut, dann eben nicht. Es gibt auch andere Freizeitbeschäftigungen, die preiswerter sind.

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