Konzertkritik | Junges Ensemble Berlin singt "Paulus" - "Mache Dich auf, werde Licht!"

Mi 05.07.23 | 10:43 Uhr | Von Hans Ackermann
Symbolbild:Eine Frau singt im Chor und hält Noten in der Hand.(Quelle:imago images/K.Kukhmar)
Audio: rbb24 Inforadio | 05.07.2023 | Hans Ackermann | Bild: imago images/K.Kukhmar

Im Berliner Konzerthaus hat der preisgekrönte Laienchor "Junges Ensemble Berlin" unter der Leitung von Vinzenz Weissenburger am Dienstag das Oratorium "Paulus" von Felix Mendelssohn Bartholdy aufgeführt. Von Hans Ackermann

Vor genau einem Monat hat der Chor "Junges Ensemble Berlin" beim Deutschen Chorwettbewerb in Hannover den 1. Platz belegt. Ein großer Erfolg für den Laienchor, der an diesem Abend mit rund 60 Sängerinnen und Sängern im Konzerthaus Berlin eines der beliebtesten Werke der Chorsinfonik aufführt: das Oratorium "Paulus" von Felix Mendelssohn Bartholdy, begleitet vom Berliner Prometheus Ensemble unter der Leitung des Dirigenten Vinzenz Weissenburger.

Strahlender Beginn

Strahlend beginnt der Abend, wenn das Junge Ensemble Berlin unter der Leitung von Vinzenz Weissenburger den ersten Chor vorträgt: "Herr, der du bist der Gott". Solche prächtigen polyphonen Chorsätze, aber auch schlichte einstimmige Choräle aus dem Gesangbuch hat Felix Mendelssohn Bartholdy um das Jahr 1835 für sein Paulus-Oratorium zusammengestellt. Darunter das Kirchenlied "Wachet auf ruft uns die Stimme". Wenn dort Trompeten und Posaunen den Gesang verstärken, zeigt sich das gekonnte Zusammenspiel zwischen Chor und Orchester.

"Juwel der Gegenwart"

Uraufgeführt wurde das Oratorium am 22. Mai 1836 beim Niederrheinischen Musikfest in der Düsseldorfer Tonhalle. Mit englischem Text wurde "Paulus" dann im gleichen Jahr mit großem Erfolg auch in Liverpool aufgeführt, im folgenden Jahr dann sogar in Boston.

Robert Schumann, der spätere Düsseldorfer Musikdirektor, hat Mendelssohn Bartholdys Oratorium ein "Juwel der Gegenwart" genannt. Ein neuzeitliches Vokalwerk, das die Nähe zu den Passionen von Johann Sebastian Bach wahrt, aber mit lyrischen Arien auch schon modernes Musiktheater andeutet.

Der Bariton Bernhard Hansky, der sich in der Titelrolle vom Saulus zum Paulus wandelt und der Tenor Stephan Rügamer, Professor für Gesang an der Eisler-Hochschule - diese beiden exzellenten Männerstimmen dominieren das Solistenquartett, das von Evelina Dobračeva (Sopran) und Nadine Lehner (Alt) komplettiert wird. Beim Chor dagegen haben Soprane und Altstimmen etwas mehr zu bieten als die Männer, allein schon rein zahlenmäßig. Denn auf dem Chorbalkon hinter dem Orchester stehen an diesem Abend 22 Männer und 36 Frauen.

Hell und klar

Wenn das Paulus-Oratorium dadurch insgesamt hell und klar klingt, entspricht dies auch dem zugrundeliegenden künstlerischen Gedanken. Denn Felix Mendelssohn Bartholdy vertont hier nichts anderes als das "Licht vom Himmel", wie es im Text heißt. Chöre und Choräle, Arien und Rezitative nehmen im Verlauf eine immer hellere Klangfarbe an.

Schon im ersten Teil des Oratoriums besingt der Chor das zentrale Motiv: "Mache dich auf, werde Licht !". Später heißt es im Text des Librettisten und evangelischen Pfarrers Julius Schubring "Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker"- aktueller kann Musik kaum sein.

"Werde Licht" - diesen göttlichen Rat beherzigt Saulus, wird erleuchtet und wandelt sich zum Paulus. Ein befreiender und nicht nur religiös gemeinter Sinneswandel zum Guten. Von dieser humanistischen Idee ausgehend hat Felix Mendelssohn Bartholdy ein musikalisches Jahrhundertwerk der romantischen Chorsinfonik geschaffen. Tiefbewegende Musik, die an diesem Abend von allen Beteiligten mit größter Hingabe vorgetragen wird.

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.07.2023, 5 Uhr

Beitrag von Hans Ackermann

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