Theaterkritik | "Onkel Wanja" im Schlossparktheater - Drastischer, aber erfrischender Humor

So 03.09.23 | 16:00 Uhr | Von Oliver Kranz
ARchivbild:Helen Barke, Mark Weigel, Tilmar Kuhn und Dagmar Bernhard bei der Fotoprobe von "Onkel Wanja" im Schloßpark-Theater am 29.8.2023 in Berlin.(Quelle:picture alliance/PIC ONE/A.Bugge)
Audio: rbb24 Inforadio | 04.09.2023 | Oliver Kranz | Bild: picture alliance/PIC ONE/A.Bugge

Regisseur Anatol Preissler stellt in Tschechows "Onkel Wanja" die Komik in den Vordergrund. Spielweise, Kostüme und Geräusche sind leicht überdreht. Doch die gediegene Melancholie, die man mit dem Stück assoziiert, findet auch ihren Platz. Von Oliver Kranz

Doktor Astrows Haar ist verwuschelt, sein Schnurrbart lang und ungepflegt. Er vertreibt sich die Zeit, indem er in einem Salon mit blauen Wänden und roten Möbeln eine Grille zerquetscht – derart genüsslich, dass er sofort einen Lacher erntet.

Erst danach beginnt er zu klagen: Die Menschen seien dumm, das Leben langweilig. Er ist unzufrieden, wie alle auf dem Landgut, das Onkel Wanja bewirtschaftet. Nur die schöne Jelena zaubert ihm ein Lächeln aufs Gesicht. Sie ist die Frau eines pensionierten Professors, der seit Kurzem auf dem Gut wohnt.

ARchivbild:Mario Ramos und Dagmar Biener bei der Fotoprobe von "Onkel Wanja" im Schloßpark-Theater am 29.8.2023 in Berlin.(Quelle:picture alliance/PIC ONE/A.Bugge)
Mario Ramos und Dagmar Biener in einer Szene. | Bild: picture alliance/PIC ONE/A.Bugge

Ungepflegtes Kraftzentrum

Auch Wanja ist in Jelena verliebt, doch er weiß, dass er bei ihr keine Chance hat. Boris Aljinovic, den viele noch als Berliner Tatort-Kommissar kennen, spielt ihn als verlotterten kleinen Mann, der schon fast aufgegeben hat. Sein Haar ist ähnlich ungepflegt wie das des Arztes. Er trinkt, torkelt und macht sarkastische Bemerkungen. Doch sein Blick ist wie ein Abgrund, der einen hinabzieht – voller Wut und Verzweiflung. Wanja sucht einen neuen Lebenssinn. Bisher hat er sich abgerackert, um den Professor zu unterstützen. Doch da dieser sich als mittelmäßig und undankbar erweist, verliert er den Halt. Boris Aljinovic ist das Kraftzentrum der Inszenierung.

Das komödiantische Zentrum ist Mark Weigel als Astrow. Der trinkfeste Landarzt singt und tanzt und engagiert sich zudem für Naturschutz. Die junge Sonja, die gemeinsam mit Wanja das Gut bewirtschaftet, schmachtet ihn an, doch er hat nur Augen für die schöne Jelena, die in der Inszenierung etwas zu deutlich zum Sexsymbol stilisiert wird. Darstellerin Dagmar Bernhard muss mit glitzernden High Heels über die Bühne stöckeln und immerfort ihren Busen nach vorn strecken.

Humorvolle Unzufriedenheit

Die anderen Figuren haben mehr Tiefe: Tilmar Kuhn spielt den Professor als witzigen, aber auch machtbewussten Hypochonder, Helen Barke ist eine still leidende Sonja, Dagmar Biener eine warmherzige alte Dienerin. Sie strickt und bietet immer wieder Tee aus dem Samowar an. Mario Ramos, als verarmter Hausfreund, sitzt dabei und klimpert auf der Gitarre.

So gelingt eine beschwingte Inszenierung, die das Beziehungsgeflecht der Figuren auslotet, ihre Unzufriedenheit zeigt, aber nicht in Schwermut versinkt. Der Humor ist manchmal etwas drastisch, aber über weite Strecken erfrischend.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.09.2023, 8:55 Uhr

Beitrag von Oliver Kranz

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