Unautorisierte Ausstellung in Berlin - "A Vandal Turned Idol" - Banksys Albtraum

Fr 01.12.23 | 19:07 Uhr | Von Marvin Wenzel
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Ausstellung zur Kunst des britischen Streetart-Künstlers Banksy (Quelle: rbb/Marvin Wenzel)
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Video: rbb24 Abendschau | 30.11.2023 | Christian Titze | Bild: rbb/Marvin Wenzel

In Berlin startet eine weitere Blockbuster-Ausstellung zur Kunst des britischen Streetart-Künstlers Banksy: 19 Originale, 40 Replikate, komplett unautorisiert. Die Ausstellung ist ein immersives Erlebnis - doch etwas ist faul an ihr. Von Marvin Wenzel

Zehn Affen, die ihre Köpfe hängen lassen. An ihren Oberkörpern hängen Plakate mit dem Satz "Laugh now, but one day we’ll be in charge" - Lacht nur, aber eines Tages werden wir das Sagen haben. Dieses ikonische Schwarzweiß-Schablonenbild hat der britische Streetart-Künstler Banksy 2002 hinter die Bar eines Nachtclubs in Brighton gesprüht. Es kann als Kritik an der Behandlung von Tieren durch die Menschheit gelesen werden. Das ist auf einer Informationstafeln in der Ausstellung "Banksy - A Vandal Turned Idol" zu lesen. Über dem Text: ein kleines Bild vom Original.

Im Kleisteck in Berlin-Schöneberg sind ab diesem Freitag 19 Originalwerke von Banksy ausgestellt und 40 Replikate. Der Rundgang durch die Ausstellung ist thematisch aufgebaut. Konsumkritik, Politik, Protest, Popkultur und Krieg. Wie eine ganz normale Banksy-Ausstellung - wenn da nicht nur der feine Unterschied wäre: Auf dem Plakat und Flyer zu "A Vandal Turned Idol" steht in kleinen schwarzen Buchstaben das Wort "unautorisiert".

Ausstellung zur Kunst des britischen Streetart-Künstlers Banksy (Quelle: rbb/Marvin Wenzel)
Bild: rbb/Marvin Wenzel

Ungenehmigte Ausstellung mit einem Fake-Banksy

Veranstalter der Ausstellung ist das Concertbüro Zahlmann. Bei der Pressevorführung steht Geschäftsführer Burghard Zahlmann in dunkelblauem Anzug und mit silberner Uhr vor einer Wand mit dem Zitat "The bad artists imitate. The great artists steal." und sagt: "Die Besucher sollen hier einen tollen Tag haben." Die Ausstellung sei etwas "Außergewöhnliches", es habe noch nie so eine "Riesen-Ausstellung" zu Banksy gegeben - die Ausstellungsfläche ist 1.600 Quadratmeter groß. Er hoffe, dass Banksy mit "Stolz auf seine Kunst" durch die Räume gehen würde. Zur nicht gegebenen Autorisierung verliert er kein Wort.

In einer Ecke vor einem der ersten Räume ist ein Atelier nachgebaut, es ist einer Originalaufnahme der Streetart-Ikone nachempfunden. Eine Figur mit schwarzem Pullover sitzt auf einem Stuhl, umgeben von Sprühdosen, Schablonen und Farbeimern - ein Fake-Banksy.

Banksy selbst listet Ausstellungen wie diese auf seiner Website als "Fake-Ausstellung" und rät von einem Besuch ab.

"Unautorisierte Ausstellungen haben Daseinsberechtigung"

"Das Schlimme an solchen Ausstellungen ist, dass Betrachter oft nicht wissen, dass sie vor einem Replikat stehen", sagt Kunsthistoriker Ulrich Blanché im Interview mit dem rbb. Die Originale zieren kleine Buntstift-Unterschriften von Banksy an den Bildrändern. Die Begleittexte in der Ausstellung verdeutlichen nicht weiter, was Original und Replikat ist. Blanché wünscht sich eine deutliche Kennzeichnung, sonst sei das "Augenwischerei". Aber legal: Da Banksy anonym bleibt und es Straßenkunst sei, sei es eine "Grauzone".

Trotzdem haben unautorisierte Ausstellungen für Blanché, der auf Banksy und Streetart spezialisiert ist, eine "Daseinsberechtigung". Sonst müsste man um die ganze Welt reisen, um alle Werke des Künstlers zu sehen: Bristol, Bethlehem, Calais, Detroit, Sydney. Zudem existieren viele Banksy-Werke nur noch als Fotos, weil sie überstrichen oder geklaut wurden.

Es gebe auch ein "doppeltes Problem", sagt Blanché: Etablierte Institutionen wie die Neue Nationalgalerie würden Banksy nicht ausstellen. Gleichzeitig sei die Nachfrage nach seiner Kunst "riesig". Schließlich ist Streetart mittlerweile Popkultur.

Ausstellung zur Kunst des britischen Streetart-Künstlers Banksy (Quelle: rbb/Marvin Wenzel)
Bild: rbb/Marvin Wenzel

Popkultur, die zunehmend finanziell ausgeschlachtet wird: Ausstellungsveranstalter Burghard Zahlmann ist eigentlich auf Konzerte von Musikern spezialisiert, wie Dieter Bohlen, Bushido, Cover-Bands. Doch "A Vandal Turned Idol" ist nicht seine erste Ausstellung über Banksy. Seit zwei Jahren tourt seine komplett aus Repliken bestehende Wanderausstellung "The Mystery of Banksy" um die Welt. In den vergangenen Monaten war sie in Stockholm, Köln und über zehn weiteren Städten. Mit über 1,5 Millionen Besuchern. Warum diese Ausstellung ebenfalls nicht autorisiert ist? "Bei Banksy ist das nicht möglich", sagt Zahlmann. Er habe schon sechs bis sieben verschiedene Banksy-Ausstellungen veranstaltet - der Streetart-Künstler habe seiner Firma nie geantwortet.

Guter Einstieg - aber eine Enttäuschung für Streetart-Fans

"Ich möchte schöne Stunden der Entspannung liefern", sagt Zahlmann. Er wolle "unterhalten". Das gelingt ihm auch. Die Ausstellungsräume sind aufwendig inszeniert: Es gibt große Videoinstallationen und einen "immersiven Erlebnisraum". In dem bläulich beleuchteten Raum kann man durch eine Virtual-Reality-Brille in die Anfänge von Banksy Schaffensphase eintauchen. Zu sehen ist in 360-Grad eine Kamerafahrt durch Bristol. Backsteinhäuser, grauer Beton, die ersten Banksy-Werke. Schablonenbilder von Ratten und ein gelber Kuscheltier-Bär, der vor drei britischen Polizisten steht.

Die multimediale Machart ist visuell ansprechend und könnte Menschen begeistern, die sich vorher wenig mit Streetart beschäftigt haben. Viele Räume bieten sich als Fotokulisse an - zum Beispiel eine Wand, an der eine circa drei Mal vier Meter großes Replikat von dem Werk "Stop Esso" zu sehen ist. Zwei Erwachsene liegen lachend auf einer Sonnenliege. Bei dem Replikat geht allerdings die Botschaft verloren: Im Original ist im Vordergrund ein Mädchen zu sehen, das mit einer Flamme und einem Benzinkanister von Esso spielt.

Banksy wäre vermutlich sauer

Für Kunstinteressierte und Banksy-Fans könnte die Ausstellung deshalb eine Enttäuschung sein. Ihr ist anzumerken, dass sie von Menschen aus dem Entertainment-Bereich gestaltet ist – und nicht vom Künstler selbst. Wie Banksy wohl selbst über die Ausstellung denken würde? Seine Original-Ausstellungen waren immer entweder kostenfrei oder hatten niedrige Eintrittspreise von fünf bis zehn Euro. Der Eintritt für Erwachsene bei "A Vandal Turned Idol" kostet unter der Woche 22 Euro, am Wochenende 24 Euro. Für Kinder sind es 11 bis 16 Euro.

Banksy fordert auf seiner Website, dass seine Kunst nicht kommerziell verwendet wird und seine Werke nicht auf Merchandise-Produkten landen. "A Vandal Turned Idol" wäre deshalb vermutlich sein Albtraum. Denn am Ende der Ausstellung, die noch bis Februar zu sehen sein soll, gibt es einen Souvenirladen, in dem T-Shirt und Pullover mit bekannten Motiven wie dem Mädchen mit dem Herzluftballon zu kaufen sind.

Vor dem Kleisteck macht sich auch schon Kritik bemerkbar. Dort hat der Veranstalter auf weißen Bannern ebenfalls die bekanntesten Werke von Banksy drucken lassen - wie auch die Affen. Auf das Plakat von einem Affen hat jemand mit einer Schablone den folgenden Satz gesprüht: "Pay €20 now, or one day we’ll charge you more." Vielleicht war es ja sogar Banksy.

Sendung: rbb24 Abendschau, 30.11.2023, 19:30 Uhr

Ausstellung zur Kunst des britischen Streetart-Künstlers Banksy (Quelle: rbb/Marvin Wenzel)

Beitrag von Marvin Wenzel

12 Kommentare

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  1. 12.

    Geht zur ARD-Audiothek und hört Euch „Banksy – Rebellion oder Kitsch?“ an . Ist kostenlos, gut recherchiert und man erfährt sehr viel Banksys Leben. Einziges Manko, keine Bilder.

  2. 11.

    Mein Tipp: Banksys Film "Exit through the gift shop." Mehr Kommentar zu dieser "Ausstellung" ist nicht nötig.

  3. 10.

    Schade. Teuer, die Ausstellungsräume sind furchtbar kalt. Sehr unübersichtlich. Das Personal im virtuellen Bereich hat Probleme mit der Technik und der englischen Sprache. Kein Vergleich zu der letzten Ausstellung . Waren enttäuscht.

  4. 9.

    Das sind keine replikate, das sind limitierte drucke aus sammlerbeständen

  5. 8.

    Der Eintrittspreis ist beschämend hoch! Schade

  6. 6.

    Dieter Bohlen, Bushido, Banksy. Episches Lineup.

  7. 5.

    Das ein Herr Zahlmann Besucher zahlen lässt, damit die sich Werke eines Künstlers ansehen, der den Galeriebetrieb offensichtlich ablehnt, ist irgendwie mehr als dreist.

  8. 4.

    Wer so dreist Plagiatismus bedient - mitnichten im "Graubereich", es ist schlicht Betrug und Antragsdelikt, weswegen allein es wohl nicht zur Strafverfolgung kommen wird - und Streetart kommerziell auszuschlachten versucht, dem wünscht man, dass die Replikate genauso selbstzerstörend darauf reagieren, wie damals eines seiner Kunstwerke auf die eigene Versteigerung. Aber vielleicht sieht man demnächst Zahlmanns Konterfeit auf einer Hauswand - mit einem passenden Kommentar. Simulierte Streetart gibt es nicht.

  9. 3.

    Wer selbst keine Kultur hat, klaut sich eine.

  10. 2.

    24 Euro gespart.

  11. 1.

    22 Euro Eintritt pro Person! Arme bleiben vor der Tür. Sehr Sozial

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