"Icon in Motion" in der Neuen Nationalgalerie - "Josephine Baker ist ein Gesamtkunstwerk"

Sa 27.01.24 | 13:05 Uhr | Von Marie Kaiser
  3
Neue Nationalgalerie: Josephine Baker. Icon in Motion (26.1.2024 – 28.4.2024). (Quelle: rbb/Marie Kaiser)
Audio: rbb24 Inforadio | 26.01.2024 | Bild: rbb/Marie Kaiser

Als "Schwarze Tänzerin im Bananenrock" wurde Josephine Baker weltberühmt. Ihre Karriere begann 1925 in Berlin. Wenige Jahre später war sie hier nicht mehr willkommen. Ein bewegtes Leben, das nun in seiner verdienten Fülle ausgestellt wird. Von Marie Kaiser

Die Ausstellung wirkt klein, wenn man den recht übersichtlichen Ausstellungsraum im Untergeschoss der Neuen Nationalgalerie betritt. Irgendwie stellt man sich eine Ausstellung mit dem Titel "Icon in Motion" pompöser und ausladender vor. Doch der erste Eindruck täuscht. Nichts an dieser Ausstellung über Josephine Baker ist klein. Die Schau eröffnet ein ganzes Panorama und zeigt, wie vielschichtig Josephine Bakers Künstlerpersönlichkeit war und wie turbulent und erlebnisreich ihr Leben war.

Die Tänzerin als Bürgerrechtsaktivistin und Widerstandskämpferin

Wer weiß schon, dass die gebürtige US-Amerikanerin Josephine Baker im Zweiten Weltkrieg in Frankreich Widerstandskämpferin war und zum Judentum konvertierte? Oder dass in den 1960er Jahren nicht nur Martin Luther King, sondern auch Josephine Baker eine bedeutende Bürgerrechtlerin war, die gegen Rassentrennung kämpfte?

In der Ausstellung wird Josephine Baker auf einem überlebensgroßen Foto von 1963 gezeigt beim berühmten Marsch auf Washington. Auf einem anderen Foto präsentiert sie mit breitem Lächeln die "Médaille de la Résistance", mit der in Frankreich Widerstandskämpfer während des Zweiten Weltkriegs ausgezeichnet wurden. In einer filigranen Skulptur aus Stahldraht von Alex Calder schwebt Bakers Silhouette durch den Raum. Auf einer sehr intimen Tuschezeichnung des Architekten Le Corbusier ist Josephine Baker in tiefen Schlaf versunken.

Josephine Baker als Künstlerin, nicht als Objekt betrachten

Vor allem aber wird Josephine Baker in Bewegung gezeigt - wie es der Titel "Icon in Motion" verspricht. Auf unzähligen Bildschirmen ist die Ikone Josephine Baker in Bewegung zu sehen. Als Tänzerin, die sich rasend schnell clownesk bewegt und sogar ihre Augen tanzen lässt. Aber auch als Schauspielerin in Stummfilmen und später in Musicals.

George Hoyningen-Huene: Josephine Baker, 1929 (© George Hoyningen-Huene Estate Archives) und Simone Leigh: Slipcover, 2022–23, Porzellan-, Stahl- und Plastiküberzug (© Simone Leigh, Courtesy Matthew Marks Gallery)

Infobox

"Josephine Baker: Icon in Motion"

Neue Nationalgalerie

26.01.2024 -28.04.2024

Potsdamer Str. 50, 10785 Berlin

"Josephine Baker war eine bahnbrechende Künstlerin. Sie war eine bahnbrechende Tänzerin, Komödiantin, Sängerin. Für mich ist Josephine Baker ein bisschen ein Gesamtkunstwerk", sagt der Direktor der Neuen Nationalgalerie Klaus Biesenbach. "Für mich ist es sehr wichtig, dass es in dieser Ausstellung um Josephine Baker als Künstlerin geht. Und nicht als ein Objekt, das wir betrachten."

Die Berliner Ausstellung basiert auf der Josephine Baker Schau "Freiheit - Gleichheit -Menschlichkeit", die im vergangenen Jahr in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen war. Hier in Berlin ist aber nur ein kleiner Teil der Ausstellungsstücke zu sehen. Dafür wurde die Ausstellung um ein Film-Essay ergänzt, in dem Filmwissenschaftlerin Terri Francis, Josephine Baker selbst über ihre Rolle als Ikone und filmische Pionierin nachdenken lässt.

Außerdem hat Klaus Biesenbach die US-amerikanische Künstlerin Kandis Williams nach Berlin eingeladen, um der Berliner Ausstellung eine eigene Dramaturgie und Gestaltung zu verleihen.

Bakers Bananentanz bediente rassistische Klischees

Als Schwarze Künstlerin war es für Kandis Williams besonders spannend, zu entdecken, welche Kämpfe Josephine Baker ertragen musste. "Es ist teilweise schmerzhaft, ihren Erfolg zu verstehen. Denn oft war sie dann besonders erfolgreich, wenn sie sich in ihrer Performance genau der exotischen und rassistischen Klischees bediente, die das das weiße Publikum von ihr als Schwarzer Künstlerin erwartete. Das bewegte sich oft an der Grenze zur Karikatur."

Viele haben auch heute noch, wenn Sie den Namen Josephine Baker hören, sofort das Bild der Schwarzen Tänzerin im Bananenrock vor Augen, den sie in ihrer Rolle als Fatou im Theaterstück "La Folle du Jour" trug.

George Hoyningen-Huene: Josephine Baker, 1929; © George Hoyningen-Huene Estate Archives
Bild: George Hoyningen-Huene Estate Archives

Hypersexualisierte Bilder

Auch in der Ausstellung ist ein schwarz-weiß Foto von 1929 aus Bakers Berliner Zeit zu sehen, in dem die Tänzerin mit Bustier und perlenbesetztem Bananenröckchen posiert. Doch diesem Bild wird eine absurde Wandskulptur der US-amerikanischen Künstlerin Simone Leigh gegenübergestellt. Wie in einem Kuriositätenkabinett präsentiert die Künstlerin jede Menge phallusartige Bananen aus Porzellan in verschiedenen Hautfarben von hellbeige bis dunkelbraun - geschützt unter einer durchsichtigen Plastikfolie.

"Es war wichtig, dem oberflächlichen Image von Josephine Banker entgegenzuwirken", erklärt Kandice Williams den Anspruch der Ausstellung. "Ich betrachte die fetischistischen und hypersexualisierten Bildern von Baker und sogar den Moment mit dem Bananenrock als einen sehr kleinen Teil ihrer Performance. Aber auch als einen wichtigen Teil, weil sich hier zeigt, wie befreit sie war im Umgang mit dem eigenen Körper zu diesem Zeitpunkt und die groteske Hypersexualisierung ihrer selbst dazu benutzte, um noch mehr Ruhm zu erlangen."

Ein frischer Blick auf Josephine Baker

Der Ausstellung "Icon in Motion" gelingt es einen frischen und sehr differenzierten Blick auf Josephine Baker zu werfen. Auf ihre Rolle als "erste schwarze Publikumsgöttin", wie es in einem der Wandtexte heißt. Aber auch auf das Paradox, dass Baker einerseits rassistische Klischees bediente und auf der anderen Seite Anti-Rassismus-Aktivistin wurde. Und die Ausstellung erzählt, wie wichtig die Stadt Berlin für den Aufstieg von Josephine Baker zur Ikone war.

Denn ihre Erfolgsgeschichte begann vor 99 Jahren in Berlin. 1925 trat die damals 19-Jährige zum ersten Mal mit ihrer "Revue Nègre" im Nelson-Theater am Kurfürstendamm auf und wurde sofort ein Star. "1925 wurde Josephine Baker in Berlin gefeiert." Daran erinnert der Direktor der Neuen Nationalgalerie Klaus Biesenbach vor der Eröffnung und ergänzt: "10 Jahre später wurde sie für entartet erklärt, geächtet und verboten und konnte nicht mehr in Berlin auftreten. Ich denke, das ist eine Lektion, die wir alle heute nicht vergessen sollten."

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.01.2024, 13:55 Uhr

Beitrag von Marie Kaiser

3 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 1.

    Meine Liebe Göttliche. Mich hat zuerst Dein Tanz in Bananenkostüm auf der Bühne stark beeindruckt, als ich noch ein Knabe war und merkte dass ich „anders“ bin. Eben queer. Sehr viel später erst erfuhr ich davon dass auch Du eine von „uns“ bist. Da ich früh Vollwaise wurde, habe ich mir viel später vorgestellt, wie es gewesen wäre, hättest Du mich auch adoptiert. Du gehörst für mich neben vielen anderen Aktivistinnen zu den bewundernswerten Persönlichkeiten und ich werde Dich immer in meinem Herzen tragen. Ehre wem Ehre gebührt. Selbstredend werde ich zu dieser einzigartigen Ausstellung gehen.

Nächster Artikel