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Audio: rbb24 Inforadio | 16.01.2024 | Hendrik Schröder | Quelle: imago images/Funke Foto Service

Konzertkritik | Frontm3n in Berlin

Dancen in Daunenjacken

Die drei "Frontm3n" kennen sich seit Jahrzehnten und haben allesamt in Bands gespielt, die vor langer Zeit mal ein paar Hits hatten. In der Passionskirche zeigten sie, warum das immer noch interessant ist. Wenn man sich auf die Musik konzentriert. Von Hendrik Schröder

Es klingt ja erst mal wie die langweiligste Sache der Welt: Drei Musiker in ihren 60ern, die mal in Bands gespielt haben oder immer noch spielen, die vor langer, langer Zeit ein paar Hits hatten (The Sweet, The Hollies, 10cc), bei denen sie aber nicht mal zur Originalbesetzung gehörten, gehen mit eben diesen Songs in Akustikversionen auf Tour und spielen vor ein paar hundert Leuten in einer alten Kirche. Naja.

Umso erstaunlicher, was für einen flotten, lustigen, herzlichen Abend Peter, Pete und Mick da aus dem Hut zaubern. Denn es gibt doch so viele ehemalige Popstars, die die mit ihren 1.5 Hits von Zeltfete zu Schlagerparty tingeln und eine ganz traurige Angelegenheit sind. Aber die Frontm3n sind anders.

Gute Versionen altbekannter Songs

Denn den Dreien geht es um die Musik. Und um den Spaß. Und nur darum. Die tun nicht so, als seien sie noch jung, hip oder irgendwas. Die brauchen keine Sonnenbrillen, keine Tänzerinnen, keine Lightshow. Die Songs sind, zugegeben, nicht so gut gealtert wie die Musiker. Lieder wie "Co-Co / Popa Jo", "Rubber Bullets", "The Ballroom Blitz" klingen heute wie aus einem anderen Jahrtausend und in ihren Originalversionen zwar als Zeitdokument ganz witzig, aber mehr auch nicht.

Aber die Frontm3n können spielen, die können singen, und die wollen spielen, die strahlen und leuchten mit ihren Westerngitarren vor dem Bauch. Das Haar teils schütter, die Bärte teils grau, egal, die haben aus diesen Nummern, deren Melodien wir alle irgendwie kennen, aus dem Radio oder von früher, echt gute Akustik-Songs arrangiert.

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Leben in der zugigen Kirche

Und diese flotten Stücke zusammen mit der witzig britischen Selbstironie der drei Musiker zaubern wirklich Leben in das altehrwürdige Kirchenschiff. Sie veralbern sich gegenseitig, verstellen die Stimme, moderieren Songs todernst an mit: "Das nächste Stück ist aus den 1970ern, also bevor ihr geboren wurdet". Und das Publikum lacht auf, weil das Durchschnittsalter an diesem Abend geschätzt ungefähr 63 sein müsste.

Und trotzdem hält es fast keinen lange auf den Kirchbänken. Die Leute springen auf in ihren Daunenwesten und Funktionsjacken, denn ein bisschen zugig ist es in der übrigens sehr gut gefüllten Kirche ja schon. Na gut, aufspringen ist jetzt vielleicht übertrieben, aber jedenfalls haben sie keinen Bock zu sitzen, sondern wollen den Popo wackeln und ein bisschen die Hüften schwingen zu den Sweet-, Hollies-, Cliff Richard- und 10cc-Songs, die sie alle kennen ca. seitdem sie denken können.

Bitte mitklatschen

Klar, die Frontm3n klingen dabei oft wie ihre eigene Covergruppe. Aber immerhin eine herausragende Covergruppe, die bei den nachgespielten Bands wirklich dabei war, statt nur außen vor. Das ist ungefähr so, als würden sich Bela B., Campino und Hartmut Engler zusammen tun und gemeinsam Lieder von Die Ärzte, den Toten Hosen und Pur singen. Das wäre ja auch ganz interessant. Wahrscheinlich.

Gut, dieses ewige Im-Takt-Mitgeklatsche a la Musikantenstadel, was Peter Howarth, Mick Wilson und Pete Lincoln mit schon wieder sehr lustig übertriebenen großen Gesten einfordern, ist nicht unbedingt Jedermanns Sache. Zumal ja nicht immer alle im Raum so ganz rhythmusfest sind. Aber egal: Es ist was los in der Bude und Band, Publikum und nicht zuletzt die Songs, sie leben, sie atmen. Und das ist schön.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.01.2024, 0 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

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