"Closer to nature" in der Berlinischen Galerie - Wie das Bauen der Zukunft aussehen könnte
Lehm und Holz sind als Baumaterialien zwar bekannt, aber Pilze? Ab Freitag zeigt die Berlinische Galerie in der Schau "Closer to nature" drei architektonische Projekte, die sich mit der Zukunft des Bauens auseinandersetzen. Von Laurina Schräder
"Bauen mit Pilz, Baum und Lehm" - der Untertitel der neuen Ausstellung "Closer to nature" in der Berlinischen Galerie verweist auf Baumaterialien der Zukunft. Lässt man den Pilz als Baustoff außen vor, denkt man vor allem bei Lehm an den Fachwerkbau seit dem Mittelalter oder an jahrtausendealte Traditionen von Lehmbauten wie in Ägypten oder Marokko. Doch insbesondere der Lehmbau wurde durch industrielle Baustoffe immer wieder bewusst aus unserer Baukultur verdrängt.
Renaissance im Lehmbau
"Nach dem 2. Weltkrieg hat man Lehmbauprogramme und Untersuchungen gemacht, sowie eine DIN-Norm für Lehmbau erstellt. 1971 wurde die ersatzlos gestrichen", erzählt Martin Rauch. Er beschäftigt sich seit über 40 Jahren mit Lehm. Angefangen als Keramiker, Ofenbauer und Bildhauer ist er schließlich in der Architektur gelandet. "Ich bin überzeugt, dass es heute eine Renaissance im Lehmbau ist, die nicht mehr verpufft. Weil das einen großen Beitrag leisten kann, für ein radikales Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit."
Rauch hat gezeigt, dass sich Stampflehm vorfertigen lässt und somit für serielles Bauen geeignet ist. Gemeinsam mit den Architekten Peter Sassenroth und Rudolf Reitermann hat Rauch die "Kapelle der Versöhnung" an der Bernauer Straße gebaut, mit tragenden Wänden aus Stampflehm. Nach wie vor gilt das Projekt von 1999 als wegweisend für den modernen Lehmbau, und findet deshalb auch in Plänen, Bildern und als abstrahierte Installation nun in der Berlinischen Galerie einen Platz.
Ein Raum - drei Projekte
Die Ausstellung ist reduziert auf einen Raum, auf drei Berliner Projekte. Kuratorin Ursula Müller erhofft sich, dass man anhand dieser Beispiele eine bessere Vorstellung davon bekommt, wie das Bauen in der Zukunft aussehen könnte und wie man sich mit den Materialen vertraut machen kann.
Ähnlich alt wie das Bauen mit Lehm ist das Bauen mit Holz. Der Titel "Closer to Nature" wird an dieser Stelle allerdings wohl am deutlichsten, denn es geht nicht darum, Holz als zugeschnittenes Baumaterial zu verwenden, sondern unter anderem Bäume als tragende Struktur für Häuser wachsen zu lassen – wie bei einem Wettbewerbsentwurf für das vor etwa fünf Jahren eröffnete Futurium.
Baubotaniker Ferdinand Ludwig lässt dafür Bäume über Kreuz zusammenwachsen, sodass diese ein Gitter ausbilden, das beispielsweise als selbsttragende Fassade fungieren kann – mit automatischem Sonnenschutz, wenn im Sommer das Laub Schatten spendet, im Winter allerdings möglichst viel Licht ins Gebäude lässt.
Paneele aus Pilzen
Dass die Projekte in der Berlinischen Galerie, also einem Kunstmuseum präsentiert werden, ist für Müller nur logisch, da diese unter anderem als interdisziplinäres Museum gegründet wurde und in Kunst und Architektur immer wieder ablesbar wird, wie Ästhetik und Forschung, also fachübergreifendes Denken zusammenkommen kann.
Im Gegensatz zu Baum und Lehm werden Pilze meist nicht direkt mit dem Bauen in Verbindung gebracht. Diese sollen im dritten Ausstellungsprojekt auch keine tragfähige Konstruktion ausbilden. Der Holzpavillon des Kollektivs "MY-CO-X", auf dem die sechseckigen Pilz-Paneele befestigt sind, versucht Antworten zu finden, wie Pilze als Fassadendämmstoffe praktisch funktionieren können.
Fragen des zukünftigen Wohnens
Das Gebäude sei ein künstlerischer Ansatz, um Forschung zu kommunizieren, sagt Biotechnologin Friederike Hoberg. Die Pilze werden in Formen gezüchtet, dann langsam getrocknet, sodass sich eine fast ledrige, zäh-weiche Struktur bildet. Während diese den Raum isoliert und vor Witterung schützt, ist der Pavillon mit dem Gedanken an die Architektin Galina Balašova entworfen, die beispielsweise den Innenraum für mehrere sowjetische Raumkapseln gestaltet hat. "In diesem Rahmen können wir uns den Luxus leisten, Fragen zu stellen", erläutert Architekt Sven Pfeiffer und konkretisiert: "Fragen des zukünftigen Wohnens. Können wir uns überhaupt vorstellen, so intim und nah zusammenzuwohnen, auch mit den Materialien?"
Während die drei Projekte keineswegs neu sind, bereits gebaut wurden oder an diversen Orten ausgestellt sind, so ändert das nichts an der Aktualität der Fragen, die sie stellen. Die Ausstellung "Closer to Nature" in der Berlinischen Galerie präsentiert folglich die Konzentration eines Themas, das wohl einigen bereits bekannt sein dürfte, allerdings auch nicht oft genug verhandelt werden kann.
Sendung: rbb24, 14.02.2024, 16.00 Uhr